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Brillanter satirischer Lichtblick

Nur ganz wenige Formate sind derzeit echte Publikumsrenner und qualitativ hochwertig, wie Kolumnist Alexander Görke findet.

Stefan Raab zupft sich am Sakko, hält seine strahlende Kauleiste in die Kamera und versucht durch allerlei Nachfragen seine schlechte Vorbereitung zu verbergen. Nach mäßigen Späßen über Jubiläen und Ereignisse aus der Boulevardpresse beschüttet er sich selbst mit einem Lachanfall aus ganzer Seele – doch niemand lacht mit ihm.

Zum ersten Mal im deutschen Fernsehen gelingt es einer Sendung, Mr. «TV Total» in brillanter Art und Weise zu parodieren. Der relativ unbekannte Max Giermann (Bild), neben den prominenteren Michael Kessler und Bernhard Hoecker der Hauptakteur der neuen Staffel von «switch reloaded», welche seit dem vergangenen Dienstag um 22.15 Uhr auf ProSieben zu sehen ist, wagt sich nach klassischen Moderatoren des sich selbst ernst nehmenden Abendsprogramms nun auch an Raab heran. Dabei übertrifft er selbst seine gewohnt erstklassigen Darbietungen von Oliver Geissen, Beckmann und Kai Pflaume. Mit den für die aktuelle Staffel neu engagierten Autoren scheint spätestens jetzt kein Moderator, gleich welchen Senders, mehr sicher zu sein. Die alte Regel, wer lustig sei und sich selbst nicht ernst nehme, sei ein schlechtes Opfer einer Parodie, hat ausgedient.

Wenn die Super-Nanny ein Kind bekehren soll, welches nicht berühmt werden will, sondern lieber mit hervorragenden schulischen Ergebnissen in Brüssel studieren möchte oder Günther Jauch mit betroffener Stimme den „tragischen“ Fall eines Arbeitslosen anmoderiert, der durch ein plötzliches Job-Angebot „brutal aus der Arbeitslosigkeit gerissen“ wird, so wirken die Darsteller und Kulissen derart authentisch und von der üblichen Machart, dass es sicherlich den ein oder anderen vor Lachen vom Stuhl reißt.




Die Krönung des Ganzen liefert «Obersalzberg», eine kongeniale satirische Kombination der Comedy «Stromberg» mit dem Dritten Reich. Dass dabei sowohl Hitler, Christoph Maria Herbst als auch Stromberg selbst parodiert werden, ist ein waghalsiges Kunststück für sich selbst. Wenn Hitler fröhlich „Hello Again“ anstimmt und seine Rückkehr als eine Entscheidung „von ganz oben“ anpreist, hat «switch reloaded» einmal mehr den Balanceakt auf dem sprichwörtlichen Drahtseil zu einem guten Ende geführt.

Von einigen Albereien abgesehen, ist auch die aktuelle Staffel von «switch reloaded» ein wahrhafter Lichtblick im deutschen Fernsehprogramm. Das Format wählt meist keine wehrlosen Gegner, so wie es Oliver Kalkofe nur wenig später am Abend auf allerlei fragwürdige Call-In Shows abgesehen hat, die bereits einen Grad an Lächerlichkeit erreicht haben, der ihre eigene Parodie überflüssig macht. Auch geht man nur vorsichtig mit dem Pinsel der Überzeichnung zuwerke, um den eigentlichen Kern der Programme und damit deren Wiedererkennungswert nicht zu verlieren. Dadurch ist es nicht auszuschließen, dass Sie bei der nächsten Ausgabe von «Stern TV» derart geerdet sind, dass Sie sich ein verschmitztes Lachen nicht unterdrücken können, wenn der echte Günther Jauch zur Moderation ansetzt. Die gewonnene kritische Distanz macht nicht zuletzt auch die parodierten Sendungen mit einem Mal sehenswerter und unterhaltsamer als jemals zuvor.


20.08.2008 13:49 Uhr Kurz-URL: qmde.de/29245
Alexander Görke

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Switch

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