In der vergangenen Woche hat der ehemalige Sat.1-Chef Roger Schawinski wieder zum Rundumschlag der Medienbranche ausgeholt. Für Jörg Tilmes von "StoryfabriK" war das Grund genug, um uns zu schreiben. "StoryfabriK" entwickelt Konzepte für Spielfilme, Fernsehserien und Mehrteiler.
Unisono ist in der Fernsehbranche zu hören, daß deutsche Serien nicht funktionieren. Da wird eine Serie wie «Die Anwälte» gestartet und nach nur einer Folge wieder abgesetzt. Damit reiht die Serie sich nahtlos in eine Reihe von Flops ein, die vor allen Dingen Sat.1 unterlaufen sind. Doch grundsätzlich haben wir in Deutschland kein Problem mit Serien – wie die Erfolge der ARD und des ZDF beweisen – sondern nur die Privatsender haben Probleme damit, und diese sind hausgemacht!
Wenn man sich «Die Anwälte» ansieht, verstärkt sich der Eindruck, dass die Fernsehmacher es teilweise verlernt zu haben scheinen, wie man eine erfolgreiche Serie macht. Einen berühmten Schauspieler vor billiger Kulisse zu verpflichten reicht eben nicht. Vergleicht man «Die Anwälte» mit «Boston Legal», wird schnell klar, was gemeint ist: Die amerikanische Konkurrenz bietet weit mehr und weit bessere Schauspieler, eine um Klassen bessere Optik der Kulissen und Spielorte sowie ausgeklügeltere Charaktere und Episodenplots bzw durchgehende Handlungen, die sich wie rote Fäden auf eine ganze Staffel erstrecken. Geld spielt hier keine Rolle – aber wer mehr investiert, kann auch besser ins Ausland verkaufen und entsprechend mehr Geld verdienen; ein Grundsatz, der in Deutschland nahezu vergessen scheint.
Betrachten wir dazu die Programmierung:
Serien funktionieren nur dann, wenn der Zuschauer sie zuverlässig auf angestammten Slots findet. Bei mehr oder minder erfolglosen Starts die Sendeplätze zu verändern, verstärkt Verwirrung und Unsicherheit beim Zuschauer, führt aber nicht zum Erfolg. Serien müssen erstens zuverlässig auf demselben Slot erscheinen und man muss einer ersten Staffel auch 13 Folgen einräumen, denn vier oder acht Startfolgen sind zuwenig, um den Zuschauer süchtig zu machen. Ein Fehler, den RTL auch mit «Abschnitt 40» gemacht hat – einmal kommt es, dann ist schon wieder Schluss, dann wieder alte Folgen, dann vier neue Folgen (was keiner merkt) ... und so geht es vom Fernsehpreis in den Quotenkeller. Unbegreiflich in Anbetracht der Qualität der Serie – beim ZDF wäre dies ein Dauerbrenner geworden!
Wie es besser geht, demonstrieren die Freitagskrimis im ZDF. Die Handhabung ist da die Basis für den Erfolg, nicht die optischen Gimmicks aus der Produktionstechnik. Dass sich das Beibehalten fester Sendeplätze auszahlt, zeigt auch der Erfolg der Dienstagsserien in der ARD.
Hin und wieder eine Serie zu starten, wie das ProSieben gerne macht, bringt gar nichts: ProSieben ist als Spielfilmsender und Anbieter von amerikanischen Programmen im Kopf der Menschen; die Zeit, in der erfolgreich Eigenproduktionen forciert wurden («Alles außer Mord») ist längst vorbei – man hätte am Ball bleiben sollen. Die heutigen Versuche, hier einmal acht Folgen, da einmal was neues probieren – das funktioniert nicht beim Zuschauer! Auch wenn es, wie «Verrückt nach Clara», technisch schön gemacht ist, aber wiederum nur wieder von Menschen erzählt, die mit sich selbst beschäftigt sind. Um mit Serien erfolgreich zu sein, muss sie dauerhaft und zuverlässig sowie für den Zuschauer "programmplatzmässig berechenbar" anbieten!
Alte und neue Serienstaffeln in der Ausstrahlung miteinander zu vermischen (von den Sendern aus Rentabilitätsgründen gerne praktiziert), schadet der Exklusivität der Neuausstrahlungen. Alte Serien gehören nur auf einem früheren oder späteren Slot wiederholt; nicht aber auf dem Platz der Neufassungen. Neue Serien sollten zudem nicht ohne Pilotfilm starten, der Vermarktung und der spektakuläreren Einführung beim Zuschauer zuliebe!
Vollkommen in Vergessenheit geraten zu sein scheint, dass Serien durchgehende Stränge und Episodenplots erzählen müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Die einzelnen Folgen müssen in jedem Fall mit einem echten Cliffhanger enden, der den Zuschauer zwingt, auch in der Folgewoche wieder einzuschalten. Dieses grundsätzliche Werkzeug wird selbst in Serien mit durchgehender Handlung so gut wie nicht mehr angewendet bzw herausgearbeitet! Wieso nicht? Cliffhanger wie bei der weltweit erfolgreichen Serie «Lost» zeigen, wie es richtig geht. Selbst das grandiose Meisterwerk «Um Himmels Willen» funktioniert nach diesem Prinzip. Dort, wo es nicht funktioniert, sind oft noch andere Gründe für ein Scheitern verantwortlich.
Serien, deren Figuren keine wirkliche Aufgabe haben, sondern nur mit sich selbst beschäftigt sind, floppen. Ausnahme: «Sex and the City». Halbgare Nachahmer wie «Alles außer Sex» versagen in der Regel; einzig die erfrischende Serie «Berlin, Berlin» war eine ruhmreiche Ausnahme. Die Macher von «Sex and the City» und «Berlin, Berlin» haben aber wenigstens erkannt, dass man auf dem Höhepunkt Schluss machen muss, wenn die Story auserzählt ist. Projekte dieser Art haben leider keine über einen langen Zeitraum tragfähige Grundidee. Serien, deren Figuren dagegen einen "Kampf fechten", die also eine Aufgabe haben, sind dagegen über weitaus mehr Jahre erfolgreich: Krimis zum Beispiel oder auch «Um Himmels Willen».
Von früheren, langjährig erfolgreichen Familienserien wie «Diese Drombuschs» ganz zu schweigen. So etwas würde auch heute und auch an etwas jüngeren Figuren orientiert funktionieren; aber nur die ARD macht es zur Zeit und am Dienstag («Familie Dr. Kleist») richtig. Die Berücksichtigung solcher Grundsätze fehlt derzeit im Seriengenre.
«Bis in die Spitzen» war technisch gut gemacht, aber da sich die geschäftlichen Konkurrenzkämpfe auch in den Kreisen des eigenen Liebesleben der Figuren abspielten, war es wieder nur eine Beschäftigung der Hauptfiguren mit sich selbst; eine echte Aufgabe, eine "Bedrohung von außen", fehlte größtenteils; nur am Ende wurde diese Richtung viel zu spät eingeschlagen.
Serien müssen Herz haben! Wenn der Zuschauer durch die Figuren und die Handlung nicht "mitten ins Herz" getroffen wird, wird er nicht dranbleiben. "Herz" ist übrigens nicht gleichzusetzen mit "Kitsch". Bestes Beispiel dafür bei Ihnen war der Erfolg von «Verliebt in Berlin 1». Der Niedergang von «Verliebt in Berlin 2» lag am fehlenden "Herzen" in der Serienhandlung, das die Figuren rund um die Neubesetzung der Hauptrollen nicht erreichen konnte. "Herz" erreicht man dadurch, dass man Geschichten erzählt, die nicht nur von Liebe handeln, sondern die von der darüber hinausgehenden Aufgabenstellung der Figuren her ebenso berühren und zum "Mitfiebern" verführen, wie man die Zuschauer durch passende Cliffhanger dazu "zwingt", auch in der Folgewoche dabei zu sein.
Serienheldin und Serienheld dürfen sich nicht nur verlieben, sondern müssen auch andere Herausforderungen erfüllen, um langfristig Zuschauer an sich zu fesseln. «Verliebt in Berlin 2» wäre vielleicht dennoch erfolgreicher gewesen, wenn man dem Publikum eine Pause zwischen «Verliebt in Berlin 1» und «Verliebt in Berlin 2» gegönnt hätte. «Um Himmels Willen» erreicht mit teils anrührenden Geschichten fast immer das Herz des Zuschauers – auch ein Erfolgsgeheimnis dieser Serie.
Serien, deren Grundidee sich nach wenigen Folgen erschöpft, haben keine Chance: «Der Fürst und das Mädchen» – deren Story war in in der vierten Folge der zweiten Staffel mit einem spannenden Höhepunkt auserzählt. Alles an Folgen, die danach ausgestrahlt wurden, verlor an Tempo, Spannung und Quoten. Bei «Edel & Starck» war es ähnlich. Was «Allein unter Bauern» betrifft: Die Idee à la Doc Hollywood war maximal für einen 90-minütige Produktion tragfähig, aber nicht für eine Serie. Wieso weiß man das nicht im Vorfeld? Die Serie ist nicht spannend, berührt nicht das Herz und ist auch nicht wirklich lustig. Eine wirkliche Aufgabe hatte die Hauptfigur auch nicht. Merkt man das nicht beim Lesen der Bücher oder gar schon des Pitchs? Wohin sollte sich das entwickeln?
Serienfiguren müssen geliebt werden seitens ihrer Schöpfer; sie müssen Aufgaben haben, Krisen meistern, Erfolge und Niederlagen erleben. Der Zuschauer muß "mitfiebern und zittern" können, dann schaltet er auch wieder ein! Die Frage, wer mit wem im Bett landet, ist allein für sich betrachtet und als Grundidee nicht tragfähig genug.