Freunde des bewegten Bildes,
was macht das Fernsehen eigentlich 'kuschelig'?
„Hallo Katie, guten Morgen meine Damen und Herren“, mit dieser eher ungewöhnlichen Begrüßung begann Jens Riewa am Dienstagmorgen am 02. Oktober 2007 um 08.00 Uhr die «Tagesschau». Wer schon einmal das Urgestein deutscher Nachrichtensendungen gesehen hat, wird sich über die Wortwahl wundern. Steif, neutral und wenig persönlich – so kennt man die Mädels und Jungs der «Tagesschau». Selbst Vorzeigeobjekt Jens Riewa müht sich sonst redlich. Jener Moderator hat am Dienstag die schöne Katie Melua beim Morgenmagazin entdeckt. Da war es um das enge Korsett der «Tagesschau»-Etikette geschehen.
Aber genau diese Aussetzer verleihen dem oft mechanisch, langweiligen Fernsehen ein wenig Menschlichkeit und Sympathie. Sie machen das Fernsehen ‚kuschelig‘. Wohlfühlen, lächeln, wieder Einschalten. Der Qualität, gerade der «Tagesschau», tun diese emotionalen Ausreißer keinen Abbruch. Es sei denn, es kommt soweit, dass Jens seine Mutter bittet, den vergessen Herd auszuschalten.
Während die Nachrichten der Öffentlich-Rechtlichen sehr anspruchsvoll und wenig ‚kuschelig‘ sind, ist es bei den Privaten genau umgekehrt. Sie versuchen um jeden Preis ‚kuschelig‘ zu sein und überraschen eher selten mit wirklich Anspruchsvollem. Mal abgesehen von Peter Klöppel, der ja eben erst beim Deutschen Fernsehpreis geadelt wurde und ARD/ZDF auf die Plätze verwies. Oliver Pocher, der die Laudatio auf Klöppel hielt, beschreibt sehr trefflich die Diskrepanz zwischen den Öffentlich Rechtlichen und den Privaten mit einer Charaktersierung der «RTL II News»: „Osama Bin Laden gefasst, aber zu erst: der neuste Rollerblade-Test“. «RTL II News» bleiben die einzigen News, die wirklich ohne Nachrichten auskommen.
Das Fernsehen schleicht sich in unser Leben und versucht die große Liebe zu mimen. Geht mit uns auf Tuchfühlung, möchte so gern fester Bestandteil unseres Alltags sein. Es suggeriert Geborgenheit. Gelegentlich fordert es uns heraus – sei es mit Quiz, schlechten Nachrichten oder auch der 1.000sten Eisbär-Knut-Geschichte. Also: kuschelig und anspruchsvoll zugleich. Aber so richtig schaffen sie es nicht. Sendungen wie der «Deutsche Fernsehpreis» sind, aus sich selbst heraus, nur schwer erträglich. Nur wenn man zu zweit, sich gegenseitig Rückenkraulend, auf die Fernsehcouch gekuschelt, einen echten Partner an seiner Seite hat – und eben nicht mit dem Fernsehen kuscheln muss.
Erträglich wird es ebenso, wenn man mit Kommilitonen der Filmhochschule aus «Der Frau vom Checkpoint Charlie» ein Fernsehhappening macht. Erst so macht Fernsehen richtig Spaß. Gemeinsam über Szenen lästert, oder, eher selten, bedächtig ins Staunen geraten, was die großen Kollegen so alles können.
Genau diese Kommilitonen waren es, die einst antraten das Fernsehen zu verändern. In einem ehrgeizigen Studentenprojekt sollte das Fernsehen emotional und dennoch anspruchsvoll, unperfekt und dennoch hochwertig sein. «XEN.ON Campus Television» sollte Fernsehen von Studenten sein. Unperfekt, da in Ausbildung. Frisch, da unvoreingenommen. Unser Traum war es, genau dieses Unperfekte zu kultivieren. Also: ‚kuschelig‘, ja fast schon ‚sexy‘.
XEN.ON war einst Europas größtes Studentenfernsehprojekt. Angesiedelt in Berlin und Brandenburg, sollten alle Hochschulen und Universitäten zusammenarbeiten und mit selbstproduzierten Fernsehen eine Fernsehelite von Morgen ausbilden. Die Studenten haben es geliebt, im Nachtprogramm beim RBB liefen wir, aber die Hochschulen und Universitäten waren nicht flexibel genug, diesem Projekt längerfristig Leben einzuhauchen. Was aus XEN.ON geworden ist, seht ihr hier: www.xenonline.de.
Eine riesen Chance verpasst, die ehrenwerte und wichtige Ambition ein neues Fernsehen ‚kuschelig‘ und ‚anspruchsvoll‘ zu machen. Kopf hoch, denn in Zukunft wird es zahlreiche Gelegenheiten geben, sich als moderner Fernsehmacher auszuzeichnen. Was mich adeln würde, wenn Laura Dünnwald nur einmal ihre Tagesschau mit folgenden Worten beginnen würde: „Hallo Max, guten Morgen meine Damen und Herren“.
Bis bald – euer Max
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