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Sonntagsfragen an Günther Jauch (Teil I)

Er gehört nicht nur zu Deutschlands beliebtesten Fernsehmoderatoren, er hätte sogar gute Chancen Kanzler zu werden, würde er antreten. Günther Jauch ist aber auch Geschäftsmann. Mit seiner Firma I&U produziert er zahlreiche Shows. Mit Quotenmeter.de sprach er über Anne Will und die ARD, aber auch über die Realisierbarkeit eines Polittalks bei RTL.

Herr Jauch, seit September 2007 sieht man Sie mit Brille. Hat Sie das eine gewisse Überwindung gekostet? Manche sind in diesem Punkt erstaunlich eitel...

Überhaupt nicht. Eigentlich wäre es auch weiterhin ohne Brille gegangen. Aber es ist irgendwie doch bequemer wenn man alles ganz einfach erkennen kann. Ich habe mir also keine Sorgen gemacht, dass plötzlich drei Millionen Menschen mehr zuschauen oder die Quoten um die Hälfte einbrechen.

Haben Sie eigentlich die Premiere von Anne Will gesehen?
Habe ich gesehen, ja.

Und? Hat es Ihnen gefallen? Hätte das Konzept Ihres Polit-Talks im Ersten ähnlich ausgesehen?
Das ist eine hypothetische Frage. Im Vorfeld der Sendung - und auch kurz danach - bin ich von vielen Leuten um einen Kommentar gebeten worden. Es ist doch so: Ich hätte diese Sendung gern gemacht, habe aber am Ende aus den bekannten Gründen abgesagt. Da wäre es jetzt nicht in Ordnung als Besserwisser aufzutreten. Wäre ich jetzt an Anne Wills Stelle, würde ich mir so etwas auch verbitten.

Herr Struve ist sich ja aber doch recht sicher, dass Sie zur ARD kommen werden.
(lacht)

Weiß er da mehr als Sie?
Ich hab das auch gelesen, ja. Es hat mich zumindest gefreut, weil damit ja doch signalisiert wird, dass das Tischtuch – ich sage es mal vorsichtig - aus der Sicht von Teilen der ARD nicht gänzlich zerschnitten ist. Ich kann auch sagen, dass ich zu einigen ARD-Granden noch immer einen guten Kontakt halte. Mal sehen, ob es irgendwann wieder zu einer Annäherung kommt.

Es ist ja kein Geheimnis, dass Sie bei RTL gerne einen politischen Talk moderieren möchten. Das scheitert momentan aber wohl nur an den zu erwartenden Quoten, oder?
Nein, das wäre zu einfach. Ich würde das anders formulieren. ARD und ZDF haben eine Hand voller unbestreitbarer Vorteile. Nummer 1: Sonntag, 21.45 Uhr ist der perfekte Termin für einen Polit-Talk. Zweitens: Beide Kanäle liefern mit «Tatort» und den Romanverfilmungen ein hervorragendes Lead-In. Der dritte Punkt: Der Talk beginnt immer um 21.45 Uhr - das ist also ein gelernter Sendeplatz. Zudem kann man es ganz offen sagen, dass es ein Vorteil bei einem politischen Talk ist, wenn er nicht zwei Mal durch Werbung unterbrochen wird. Und Vorteil Nummer fünf: Menschen über 50 schauen sich eher eine politische Diskussion an. Das sind alles Punkte, die gegen eine solche Sendung im Privatfernsehen sprechen.

Also kein Polit-Talk mit Ihnen bei RTL?
Richtig, das geht schon deshalb nicht, weil der Sonntagabend ein Lizenzsendeplatz der dctp für «Spiegel TV» ist.

Hat Ihnen das Scheitern von «Talk der Woche» in Sat.1 deswegen auch ein bisschen weh getan?
(überlegt) Ich stelle schon fest, dass seit Erich Böhmes «Talk im Turm» - und das ist ja schon ein paar Jahre her -, ein solches Format bei den Kommerziellen nicht mehr etablierbar war.

Ihre Show «6! Setzen» war ein voller Erfolg. Könnten Sie sich da eine Fortsetzung vorstellen? «Das weiß doch jedes Kind» geht im November 2007 in die zweite Staffel.
Das ist ein tolles Thema. Wissen Sie eigentlich, dass wir mit diesem Format wirklich die Ersten waren?

Aber nicht auf dem Bildschirm.
Wir haben vor über einem Jahr in einer «stern TV»-Sendung Kinder gegen ihre Eltern antreten lassen. Das kam sehr gut an. Deswegen haben wir dazu ein Showkonzept entwickelt und sowohl bei der ARD als auch bei RTL eingereicht. Beide reagierten überhaupt nicht. Erst als in Amerika «Are You Smarter Than A Fifth Grader?» erfolgreich lief, bekamen wir den Auftrag von RTL.

Das ist im Übrigen etwas, das wir Produzenten öfter beklagen. Erst wenn etwas im Ausland erfolgreich ist, schwappt die Welle auch nach Deutschland über. Und dann sind alle überrascht, dass ein ähnliches Konzept schon seit geraumer Zeit fertig entwickelt in ihren Schubladen liegt. Das Vertrauen in die Quoten, die per Fax und E-Mail aus Übersee kommen, ist manchmal größer als in die Idee vor der eigenen Haustür.

So kamen Ihnen also nicht nur die Amerikaner, sondern auch Sat.1 zuvor...
Das war besonders schade, ja. Wir hatten die Idee zuerst und waren als Letzter auf dem Bildschirm. Prima aber, dass wir trotzdem erfolgreich waren.

Geht es denn nun weiter?
Das muss RTL entscheiden. Ich glaube, dass die Chancen für noch eine Sendung gut stehen.

Haben Sie eigentlich überhaupt noch an einen Erfolg dieser Show geglaubt?
Natürlich, sonst hätte ich es nicht produziert. Aber man muss schon sagen, dass es hier auch Stimmen in der Firma gab, die etwas gezweifelt haben. Vor allem, weil wir mit Stefan Raab einen harten Konkurrenten hatten. Wir sind nun aber alle sehr glücklich, dass wir ihn in nahezu allen Zuschauergruppen ganz klar geschlagen haben. Er versucht dann den Marktanteil ab Mitternacht zu machen.

Direkt gegen uns hatte er keine Chance. Dieses klare Ergebnis hatte nicht jeder erwartet. Aber das ist auch das Schöne: Was wäre das Fernsehen langweilig, wenn man alles im Vorfeld planen könnte.

Sie haben eine neue RTL-Show mit dem Titel «Die Weisheit der Vielen» angekündigt. Klingt nach einer Wissens-Show, wie sie ähnlich auch in ARD und ZDF zu sehen ist. Da wird ja inzwischen alles geprüft. Ist Hamburg schlauer als Bremen, der Maurer intelligenter als die Grundschullehrerin usw. Haben Sie Angst vor einer Übersättigung solcher Sendungen beim Zuschauer?
Nein, «Die Weisheit der Vielen» verfolgt einen völlig neuen Ansatz: Wenn viele Menschen, die individuell gar nicht so auf dem richtigen Dampfer sind, bei einer Frage als Gesamtheit gesehen werden, dann antworten sie intuitiv mehrheitlich richtig. Das merkt man sehr deutlich bei «Wer wird Millionär?»: Wenn Sie den Publikumsjoker nehmen, dann bekommen Sie einen riesigen Anteil von richtigen Antworten.

Durchschnittlich mehr als 70 Prozent - manchmal sogar 80 oder 90 Prozent. Anders beim Telefonjoker: Hier bekommt man oft eine falsche oder keine Antwort. Es gibt also anscheinend eine Weisheit der Vielen. Und zu diesem Thema bereiten wir nun eine Show vor.

Klingt interessant...
...ist es auch. Nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch. Wir arbeiten daran, dass so viele Menschen über ihr Telefon an der Sendung teilnehmen können, wie das bisher noch nicht möglich war. Dafür schaffen wir momentan die technischen Voraussetzungen. Die doppelte Neuerung macht den Reiz aus und dadurch heben wir uns von den anderen Sendungen deutlich ab.

Im Sommer 2007 haben die «Hit-Giganten» in Sat.1 ihr Revival erlebt. Eine schon abgesetzte Sendung wird so nun weiterproduziert und auch Ihre «Ultimative Chartshow» versucht sich nun dauerhaft auf dem Freitagssendeplatz, auf dem Hugo Egon Balder so erfolgreich war. Hat Sie der Erfolg des Kollegen gewundert und befürchten Sie ein Wiederaufflammen dieses Duells zwischen beiden Formaten, das ja mitunter komische Früchte getragen hat.
Auch hier reden wir ja von einer Sendung, die bei uns entwickelt und von anderen nachgemacht wurde. Die Art und Weise mit Menschen in der Blue-Box und mit entsprechenden optischen Tricks und Finessen zu arbeiten, haben wir vor einigen Jahren in der Form erfunden. Das machen inzwischen viele andere Produktionen auch – und so kann man sagen, dass unsere Idee seit Jahren erfolgreich läuft. Der Sommer-Erfolg der «Hit-Giganten» hat mich aber nicht überrascht.

Warum? Sind Sie ein Anhänger der Konkurrenz-Produktion?
Naja, dass man im Sommer - ohne nennenswertes Gegenprogramm - auch mal ein paar Punkte machen kann, ist nicht sonderlich erstaunlich. Es sei den Kollegen auch gegönnt. Wenn sie sich aber wirklich was trauen, sollten sie doch einmal direkt gegen uns antreten.

Für ein erneutes Duell - mit Vorziehen der Programme - sind Sie aber nicht?
Da halten wir uns raus. RTL ist für die Programmierung zuständig. Ich weiß auch nicht, ob Interesse besteht, dass wir 1:1 gegeneinander laufen. Ohnehin bin ich immer sehr gelassen. Ich mache mir kaum Gedanken über Gegenprogramme und Konkurrenz. Ich sende einfach an dem Tag, an dem ich senden soll und fertig. Andere taktieren da viel: Wem kann ich da ausweichen? Irgendein Gegner wartet immer - und sei es, wie bei «Wer wird Millionär?» am Montag die hauseigene CSI-Konkurrenz bei VOX.

Ihre Firma I&U produziert hauptsächlich für RTL. Soll sich das in Zukunft ändern?
Naja, wir produzieren schon auch für andere Sender. «Die Fernsehlotteriesendung» mit Frank Elstner stellen wir für die ARD her, für Sat.1 haben wir den «Haustiertest» gemacht. Zudem haben wir noch die WM-Gala vor der Fußballweltmeisterschaft für die ARD produziert. Außerdem machen wir für VOX auch jede Woche die «stern TV Reportage», die sehr erfolgreich läuft. Aber Sie haben insofern Recht, dass ein größerer Teil durchaus für RTL hergestellt wird. Das ist aber auch historisch gewachsen.

Am kommenden Sonntag lesen Sie den zweiten Teil des Interviews bei Quotenmeter.de. Themen dann: Jauchs Dauerbrenner «Wer Wird Millionär?» und Urlaube im Hause Jauch.
30.09.2007 11:15 Uhr Kurz-URL: qmde.de/22595
Manuel Weis  •  Quelle: Quotenmeter.de Exklusiv

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Günther Jauch

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