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Die Kritiker: «Tarragona»

Story
Spanien im Hochsommer 1978: Der routinierte Lkw-Fahrer Miguel Mendes befüllt seinen Tanklaster mit hoch explosivem Propylengas. Doch heute wird er von seinem Sohn Mauricio abgelenkt. Unbemerkt überlädt er den Tank seines Lkws. Gemeinsam mit Mauricio will er sich auf den Weg nach Süden machen, um die Fracht abzuliefern. Der überladene Lkw wird zur tickenden Zeitbombe.

Auf dem spanischen Campingplatz tummeln sich derweil hunderte sonnenhungrige, meist deutsche Urlauber, für die der Sommerurlaub an Spaniens Küste der Höhepunkt des Jahres ist. Doch nicht alle können die Ferienidylle unbeschwert genießen. Dietmar Fechter, zusammen mit seiner noch frischen Liebe Ulrike und deren Kindern, ist auf der anstrengenden Autofahrt von Deutschland zu dem spanischen Campingplatz. Für die neue Patchworkfamilie gerät die lange Reise im Auto zur Zerreißprobe. Besonders als Dietmar von der pubertierenden Maike unvermittelt damit konfrontiert wird, dass ihr Vater und Ulrikes Ex-Mann Andreas Braun auf genau diesem Campingplatz lebt und arbeitet.

Auf der Strecke durch Spanien begegnen sie wiederholt dem Lkw von Miguel - sie ahnen nichts von der drohenden Gefahr. Auch das Teenager-Pärchen Sabine und Michael gehören zu den Camping-Gästen. Hinter dem Rücken ihrer seit Jahren zerworfenen Väter wollen sie hier ihre junge Liebe fernab von den häuslichen Zwängen ausleben und werden dabei unweigerlich mit den Konflikten des Erwachsenwerdens konfrontiert. Katharina Wolters will in diesem Urlaub einen Neuanfang mit ihrem Mann Günter starten. Plötzlich ist sie ihrer Rivalin Bärbel ausgeliefert, mit der Günter im letzten Jahr eine Affäre hatte.

Darsteller
Sophie von Kessel («Herr Bello») ist Ulrike Braun
Tim Bergmann («Stunde der Entscheidung») ist Dietmar Fechter
Herbert Knaup («Kreuzzug in Jeans») ist Martin Feldmann
Anne Luise Tietz («Albert – Mein unsichtbarer Freund») ist Maike
Johannes Brandrup («Es war Mord und ein Dorf schweigt») ist Andreas Braun
Hanns Zischler («Die Flucht») ist Walter Köhler
Johannes Zirner («NaPolA») ist Dirk Köhler

Kritik
Treffpunkt der Gefühle: Tarragona. Die Charaktere bringen einiges an Emotionen und aufgestauten Konflikten mit, die sich hier vor, während und nach der Katastrophe entladen. Gelungen ist, dass keine Konfrontation gescheut wird und reichlich Platz für die Figuren vorhanden ist, sich Luft zu machen und aufeinander los zu gehen. Leider sind die Dialoge stellenweise grauenhaft (zum Beispiel als Ulrike Tochter zu ihrem Vater „Papa, tu doch was“ sagt, als diese auf einem Paddelboot das Inferno betrachten) und der Zuschauer wird durch diese unfreiwillige Komik aus der dramatischen Handlung geworfen. Das ist Gott sei Dank aber nicht immer so und insgesamt sind die verbalen Schlagabtausche zwischen den Charakteren ganz in Ordnung; dennoch stört ein solcher Fauxpas selbst wenn er nur selten vorkommt.

Die Figuren haben emotionale Tiefe und jede einzelne hat in diesem Katastrophenfilm ihren ganz eigenen dramaturgischen Zweck. Einer spricht spanisch, ein anderer hatte einen hohen Rang bei der Bundeswehr, wieder ein anderer wächst in dieser Situation über sich hinaus und rettet seine Erzrivalin vor dem sicheren Tod. Dem Zuschauer wird also ein breites Spektrum an Figuren und Emotionen geboten. Hier findet sicherlich jeder einen Charakter, mit dem er sich identifizieren kann und der ihm nahe steht.

In dieser großen Ansammlung an Figuren kann es einem Autoren leicht passieren, dass er den Überblick verliert. Genau das ist hier aber nicht passiert und jeder einzelne Charakter macht eine Wandlung durch. Dietmar bricht aus seinem Spießer-Dasein aus und unternimmt alles, um seine Frau zu retten und ihren Kindern beizustehen, während Martin Feldmann, dessen oberste Priorität sonst Regel und Ordnung sind, seinen Job aufs Spiel setzt, um den Freund seiner Tochter zu retten. Diese Wandlungen bleiben glaubwürdig und passieren schrittweiße. Jederzeit sind die Handlungsmotive der Figuren nachvollziehbar. Ihre Gedanken werden durch ihr Handeln und auch durch die Dialoge klar.

Die Effekte sind sehr gut gelungen und können sich mit Hollywood messen lassen. Doch anstatt eine Orgie an Explosionen und durch die Luft fliegenden Autos zu absolvieren, geht man hier eher sparsam mit solchen Dingen um. Dieser Film handelt nicht davon, dass ein Campingplatz zerstört wird, sondern davon, wie sich dieses Ereignis auf die Betroffenen in Tarragona, aber auch in Deutschland auswirkt. Es ist ein Film, der primär von menschlichen Emotionen handelt, beziehungsweiße davon, wozu gewöhnliche Menschen in Ausnahmesituationen fähig sind. Die Katastrophe bietet viel mehr den Rahmen für die Wandlung der Charaktere. Wer also ein Feuerwerk von Explosionen und kein Feuerwerk von Gefühlen erwartet, wird schnell abschalten, zumal sich die Katastrophe erst am Ende des ersten Teils in Minute achtzig abspielt.

Die Schauspieler meistern ihre Rollen akzeptabel. Besonders gute Arbeit leisten Vanessa Berthold, Carlos Leal und Laura Tonke, während Tim Bergmann und Anne Luise Tietz die Schwachstellen des Films ausmachen. Der Rest spielt zwar nicht schlecht, aber auch nicht umwerfend. Ein wenig mehr Empathie für die Figuren hätte manchen Akteuren nicht geschadet.

Insgesamt lässt sich also sagen, dass «Tarragona» zweifellos gelungen ist und man den Event-Zweiteiler nicht verpassen sollte. Ein paar kleinere Probleme des Films trüben allerdings das Gesamtergebnis ein wenig.

RTL zeigt «Tarragona» am Sonntag, 09. September, und Montag, 10. September 2007, jeweils um 20.15 Uhr.
06.09.2007 11:17 Uhr Kurz-URL: qmde.de/22121
Julian Miller

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Tags

Tarragona

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