Der 16:9-Siegeszug: Das Fernsehen macht sich breit
Besonders die Öffentlich-Rechtlichen sind derzeit im 16:9-Fieber. Seit dieser Woche strahlt das ZDF fast sein komplettes Programm im Breitbildformat aus – das Erste wird am Sonntag nachziehen. Doch auch bei den Privaten gibt es inzwischen einige 16:9-„Inseln“.
Als ARD und ZDF vor zwei Jahren den Confederations Cup im 16:9-Format ausstrahlten, waren die Aufschreie vieler Zuschauer kaum zu überhören. Während bei Spielfilmen die beiden Balken am oberen und unteren Bildschirmrand längst akzeptiert wurden, war die Übertragung von Fußballspielen im modernen Breitbildformat ein Novum. Bereits ein Jahr danach hielt sich die negative Kritik in Grenzen. Der Grund dafür liegt auch hier einerseits in der Gewöhnung, anderseits aber auch im deutlichen Anstieg verkaufter Breitbild-Fernseher.
Die flachen 16:9-Bildschirme waren in Zeiten der WM ein wahrer Renner, schließlich versteht der typische Fan bei Fußballspielen keinen Spaß – erst recht nicht, wenn zwei schwarze Balken die Freude an den Übertragungen trüben. Wenige Monate nach der WM zeigten sich ARD und ZDF schließlich ganz besonders mutig: Mit den «Morgenmagazinen» beider Sender wurden erstmals auch Info-Formate im neuen Format ausgestrahlt. Martin Hövel, Leiter des ARD-«Morgenmagazins» zeigte sich im Vorfeld der ersten «Moma»-Ausgabe in 16:9 stolz: „Ich freue mich, dass wir als Vorreiter im aktuellen Informationsprogramm technisch ganz vorne dabei sind.“
„Die digitale Zukunft gehört dem Breitbildformat“, freute sich auch ZDF-Intendant Markus Schächter im vergangenen Jahr. Nach der schnellen Gewöhnung an Kino- und Fernsehfilme sowie Serien in 16:9-Breitbild sei die Umstellung von ZDF-Sportsendungen auf das moderne Format ein wichtiger Schritt gewesen, sagte Schächter weiter. Auf dem internationalen Fernsehmarkt sei das Breitbild längst Standard, hochwertige Dokumentationen und Koproduktionen würden im 16:9-Format produziert. „Die Ablösung der 4:3-Röhrengeräte durch Flachbildschirme, die ausschließlich im 16:9-Format angeboten werden, ist in vollem Gange und verändert allmählich auch die Sehgewohnheiten der Zuschauer“, erläuterte Schächter.
Am vergangenen Wochenende fiel nun eine weitere Bastion, die bislang noch immer im „alten“ 4:3-Format zu sehen war: «Wetten, dass..?» machte sich ebenfalls breit und bei der „Bild am Sonntag“ beschwerte man sich Tags darauf über ein „verkleinertes Bild bei Millionen Zuschauern“. Viel unterhaltsamer war jedoch die Überschrift, die die Redakteure fanden: „Hilfe, die haben «Wetten, dass..?» geschrumpft!“ hieß es in großen Lettern. Einen Skandal konnte die „BamS“ allerdings nicht daraus machen: Eine Umfrage auf der Internetseite des Blattes ergab nämlich, dass sich die Mehrheit nicht am 16:9-Format störte. Der Quote tat ohnehin eher Hape Kerkeling Abbruch als das veränderte Bild.
Und so geht die Umstellung munter weiter: Seit Anfang der Woche zeigt das ZDF fast kein Format mehr im jahrelang gewohnten 4:3-Format – selbst «heute» und «heute-journal» kommen nun ganz modern daher. In einer Nachtschicht wurden im Mainzer Nachrichtenstudio offenbar alle inzwischen veralteten Monitore gegen 16:9-Screens ausgetauscht. Das Erste wird am Sonntag folgen und von diesem Tag an die «Tagesschau» umstellen – kleine notwenige Änderungen am Design inklusive. „Das alte 4:3-Format ist auf dem Fernsehgeräte-Markt praktisch verschwunden“, so ARD aktuell-Chefredakteur Dr. Kai Gniffke. „Daher ist jetzt der Zeitpunkt für einen Umstieg auch bei uns gekommen.“
Gemeint sind allerdings nicht nur «Tagesschau» und «Tagesthemen» – auch sonst stellt das Erste weitgehend auf 16:9 um. Die Telenovela «Sturm der Liebe» sowie die Vorabendsoaps bleiben allerdings wohl vorerst beim alten Bildformat – doch auch hier dürfte die Umstellung nur noch eine Frage der Zeit sein. Schließlich kommen inzwischen selbst die Privaten immer häufiger auf den 16:9-Geschmack. So strahlt beispielsweise RTL seine US-Serien am Dienstagabend nicht mehr in 4:3 aus und auch die neue Piraten-Spielshow «Entern oder kentern» wurde überraschend im Breitbildformat gedreht.
Die deutschen Fernsehsender sind in Bewegung – jedenfalls im Bezug auf das breite Bild. Dennoch: Gerade bei RTL & Co. dürfte eine komplette Umstellung noch auf sich warten lassen. Während die ProSiebenSat.1-Gruppe nach und nach das Bildformat verändern möchte, stellt sich vor allem VOX noch quer: Die Kölner wollen vorerst nicht umstellen, weil man – im Gegensatz zum ARD aktuell-Chefredakteur - glaubt, dass in Deutschland derzeit zu wenige 16:9-Geräte in den Wohnzimmern stehen. Ein Service der etwas anderen Art.
30.06.2007 10:15 Uhr
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Alexander Krei