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«The Girl in the Café»: Warum die Vorlage wesentlich besser ist

Quotenmeter.de-Chefredakteur Fabian Riedner sah sich den neuen Sat.1-Film «Frühstück mit einer Unbekannten» und den BBC/HBO-Film «The Girl in the Café» genauer an. Er erklärt, warum die Berliner Fernsehstation Sat.1 lieber den Originalfilm ausstrahlen sollte.

„Ich habe meinem Leben nicht der Politik gewidmet, damit ich später sagen kann, ich hätte zu der Generation gehört, die es geschafft hat, den Einfuhrzoll für veredelten Kaffee auf 27,3 Prozent zu senken.“

Er putzt seine Zähne und liest dabei Notizen, er beißt in sein Frühstückstoast und studiert Berichte, er trägt feine Anzüge und hat lichtes Haar, er sitzt alleine in Meetings, während seine Kollegen erst später eintreten und sich unterhalten. Wenn er auf dem Gang unterwegs ist, weicht er Arbeitskollegen grundsätzlich aus und schmökert dabei in Referaten. Er verbringt selbst seinen Abend alleine in einem feinen Restaurant und lässt auch dort seine Arbeitsunterlagen nicht aus den Augen. Ein Tag eines Menschen, der auf zwei Minuten zusammengeschnitten wurde und die Einleitung zu «The Girl in the Café» bildet.



Die Rede ist von Laurence, einem Finanzpolitiker in England, dessen Leben ausschließlich aus Arbeit besteht. Doch eines Tages betritt er in seiner Mittagspause ein italienisches Café und setzt sich zu Gina. Die beiden verstehen sich auf Anhieb und führen ein ungewöhnliches Gespräch. Als Laurence mit seinem Tee fertig ist, muss er wieder zurück zum Finanzminister, doch er fragt die nette Dame, ob sie mit ihm ausgehen will. Sie bejaht und beide erleben eine aufregende Zeit. Doch nicht die Liebesgeschichte ist der Aufhänger für einen 90-minütigen Fernsehfilm, sondern die Politik.

„Das kann doch wirklich nicht wahr sein, dass 800 Millionen Menschen von weniger als einem Dollar am Tag leben.“ – „Und auf der anderen Seite gibt es Kühe in Schottland, die subventioniert werden mit bis zu 12.000 Pfund im Jahr. Die Kuh könnte einmal um die Welt fliegen, erster Klasse, für das, was wir den Bauern für die Aufzucht zahlen. Und einhundert Mütter, die an Aids sterben, die würden nicht sterben, wenn sie das Geld hätten und nicht die Kuh.“

Vom Autor von «Notting Hill», «Bridget Jones», «Vier Hochzeiten und ein Todesfall» und «Tatsächlich… Liebe» entstand im Jahre 2005 «The Girl in the Café». Richard Curtis, der am 8. November 1956 in Neuseeland geboren wurde, war einmal für einen Oscar nominiert. Sein Film wurde mit dem Emmy als bester Fernsehfilm im Fernsehjahr 2005/2006 ausgezeichnet, die Hauptdarsteller Bill Nighy und Kelly Macdonald durften sich jeweils über eine Golden Globe-Nominierung freuen. Macdonald konnte zusätzlich über einen Emmy gewinnen.

Wenn sich der amerikanische Pay-TV-Sender HBO und die BBC zusammen schließen, entsteht Qualität auf höchstem Niveau. HBO ist mit seinen Serien «Sex and the City», «The Sopranos», «Six Feet Under» und «Rome» weltbekannt geworden, dazu wurden umstrittene Fernsehfilme wie «Angels in America», «Live from Baghdad» und «Vaterland» produziert. Währenddessen überzeugt die BBC seit Jahrzehnten im Nachrichten- und Dokumentationsgeschäft sowie mit Serien und Shows, die auf der ganzen Welt ihre Heimat gefunden haben. Dies sind Formate wie «Strictly Come Dancing», «Doctor Who», «Cutting It», «Waking the Dead», «Life on Mars» und «Coupling» .

Die Synchronfirma Taunus Film ließ den britisch-amerikanischen Film von Beate Klöckner übersetzen beziehungsweise neue deutsche Dialoge schreiben. Die 1950 in Koblenz geborene Regisseurin, Dialog-Regisseurin und Produzentin zeigt sich schon für «Die fabelhafte Welt der Amelie», «Memento» und «Die Zeit die bleibt» verantwortlich. Den überragend gespielten Bill Nighy leiht Bodo Wolf die Stimme. Der Allroundsprecher ist bei vielen neuen US-Serien dabei («CSI», «The Closer», «Six Feet Under», «Las Vegas», «Close to Home», «Numb3rs», «Crossing Jordan», «Deadwood», «Monk», «Boston Legal») und spielt regelmäßig in der deutschen Serie «Küstenwache» mit. Ebenso erfahren ist die 30-jährige Manja Doering, die Reese Witherspoon, Natalia Portman, Alyson Hannigan und Sarah Polly synchronisiert. Sie verkörpert auch Kristin Bell in «Veronica Mars» und Shiri Appleby in «Roswell». Beide machen ihren Job super und können die nervöse, unsichere Art der Hauptdarsteller sowie das Stottern umsetzen.

„Ich weiß noch als dieser furchtbare Tsunami zuschlug und diese grausame Anzahl von Toten, 250.000. Genauso viele Arme sterben durchschnittlich in einer Woche.“

Da Sat.1 von dem Film begeistert war, beschloss der Berliner Sender im Winter 2006 den Film zu adaptieren, die deutsche Version schrieb «Luftbrücke»-Autor Martin Rauhaus. Dieser machte aus dem destingierten und prägenden Film jedoch eine seichte Familienunterhaltung, in der es nur noch am Rande um Politik geht. Während «The Girl in the Café» eine politische Geschichte mit einer Liebegeschichte ist, ist die Verteilung bei «Frühstück mit einer Unbekannten» umgekehrt. Zwar konnte Rauhaus die Thematik und Vergleiche hervorragend ins Deutsche übersetzen, allerdings fehlte ihm der Mut, dem Original noch näher zu kommen. Das fällt vor allem am Schluss des Films auf: Die britische Version besticht durch ein offenes Ende, die deutsche Fassung hat ein typisch gutes.

Als Hauptdarsteller wurden Jan Josef Liefers («Das Wunder von Lengede») und Julia Jentsch («Sophie Scholl») unter Vertrag genommen, doch beide wissen nicht, wie sie ihre Figuren spielen sollen. Auf der einen Seite sind ihre Charaktere verunsichert und unbeholfen, auf der anderen Seite bringen sie Laurence und Gina so herüber als ob sie zwei ganz normale Personen sind. Dem Drehbuch zufolge sind die beiden allerdings sehr schüchtern und haben voreinander Angst. Laurence stottert sogar ständig.

In der Originalversion kommt der Hauptcharakter Gina aus dem Gefängnis, die genauen Hintergründe werden allerdings nur kurz beleuchtet. Julia Jentsch spielt eine völlig andere Gina, die eine lebensfrohe Hebamme ist. Im Gegensatz zu «The Girl in the Café» ist «Frühstück mit einer Unbekannten» realistischer. Ein G8-Gipfel findet immer in dem Land statt, das die EU-Ratspräsidentschaft hat. Die BBC-Produktion spielt hauptsächlich in Island, das Sat.1-Projekt in Heiligendamm, das in Mecklenburg-Vorpommern liegt. Tatsächlich findet vom 6. bis 8. Juni 2007 dort der Gipfel statt.

„Ich verstehe die Franzosen ganz und gar nicht. Jeder von denen spricht Englisch. Aber sprechen sie es auf dem Gipfeltreffen? Das tun sie nicht. Isst man mit ihnen zu Abend, ist es kein Problem, aber kaum nähern sie sich einem Mikrofon, sprechen sie französisch.“

Der zitierte Dialog auf dem Flughafen, der von den Franzosen handelt, ist in der deutschen Version völlig abgeändert. Dort unterhält sich Laurence mit einem Kollegen über Gina und dessen Frau. Autor Martin Rauhaus enttäuscht zwar auf dem ersten Blick mit diesem Dialog, aber daraus entwickelt sich eine interessante Nebenstory, die sich wirklich sehen lassen kann.

«Frühstück mit einer Unbekannten» ist ein netter und typischer Sat.1-Film, der eine leichte politische Ader hat. Jedoch wird diese nicht genutzt und so fehlt der Produktion das I-Tüpfelchen. Die Schauspieler Julia Jentsch und Jan Josef Liefers kommen mit ihrer Leistung nicht an Bill Nighy und Kelly Macdonald heran. Vielmehr hätte sich Sat.1 einen Gefallen getan, die Rechte an «The Girl in the Café» zu erwerben und den Spielfilm noch einmal auszustrahlen. Die bisherige Ausstrahlung auf arte im Juli 2006 haben kaum Zuschauer gesehen.
24.05.2007 10:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/20277
Fabian Riedner

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Tags

Sat.1

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