Quotenmeter.de-Experte Tim Greve erklärt, warum die neue RTL-Daily derzeit nicht funktioniert. Mit der vierten täglichen Serie im RTL-Programm «Ahornallee» hat sich der Marktführer der jungen Zielgruppe derzeit noch keinen Gefallen getan. Zum Wochenstart, am Montag, lag das Format erneut deutlich unterhalb des Senderschnitts. Mit nur 0,68 Millionen Zuschauern ließen sich schwache Marktanteile von 5,6 Prozent (Gesamtpublikum) und 7,7 Prozent generieren. Am Montag und Freitag vergangener Woche stellt man mit nur 5,2 Prozent Marktanteil beim Publikum ab drei Jahren sogar einen neuen Tiefstwert auf.
Quotenmeter.de-Experte und Ex-Producer von «GZSZ», Tim Greve, erklärt, warum die Serie «Ahornallee» derzeit nicht funktioniert:Die Kritiker, die meinten mit «Ahornallee» als vierte tägliche Serie im Programm von RTL sei des Guten wirklich zuviel, glauben anhand der mäßigen Quoten nun Recht zu bekommen. Diese Überzeugung teile ich aus folgendem Grund nicht: Zuschauer, also wir, sehen uns nicht ein Format als solches an (oder eben nicht), sondern wollen in Figuren und ihre Geschichten eintauchen. Es spielt eine untergeordnete, nicht entscheidende Rolle, ob irgendwo das Etikett Daily Soap, Telenovela oder Doku Soap steht und ob es bereits schon mehrere Formate dieser Betitelung gibt.
Die alles entscheidende Frage ist, ob die behaupteten Figuren in ihrer Filmwirklichkeit eine ausreichende Glaubwürdigkeit besitzen, ob die Geschichten spannend genug erzählt sind und die Serie filmisch adäquat umgesetzt ist. Beste Beispiele dafür sind die überzeugenden Quoten von «Alles was zählt», andererseits die Quotenverluste, als Alexandra Neldel «Verliebt in Berlin» das erste Mal verließ.
RTLs Entscheidung, eine weitere tägliche Serie in sein Programm zu nehmen, halte ich für nur konsequent und richtig. Neben der absoluten Quote eines Formates spielt der Audience-Flow, der von einer Sendung zur Nächsten generiert wird, eine erhebliche Rolle. Und diesen erreicht man nun einmal am besten mit gut gemachten, täglichen Formaten.
Wenn der Zuschauermangel also nicht an einer Übersättigung des Marktes liegt, woran liegt es dann? Mit einem durchschnittlichen Marktanteil von ca. 8,4% in der werberelevanten Zielgruppe und ca. 6,5% bei den Zuschauern ab 3 Jahren sind die Quoten in der Tat deutlich unter dem Senderschnitt und damit alles andere als gut. Die Tendenz der vergangenen vier Wochen: stagnierend bis leicht sinkend.
Tresor TV als Neuling im Produzieren einer Daily Soap, oder Ensemble-Serie, wie deren Geschäftsführer Holger Roost-Macias das Format bezeichnet, hat meines Erachtens folgenreiche Fehler durch das Nichtbeachten goldener Regeln der täglichen Serie begangen:
Erstens: „Make it larger than life.“ Jede Soap lebt erheblich davon, dass ihre Geschichten im Vergleich zur Realität größer erzählt werden, ohne dabei allerdings ihre Glaubwürdigkeit verlieren zu dürfen. «Ahornallee» dagegen hat den ehrenwerten Versuch unternommen, reale Zustände eins zu eins abzubilden. Mit Ausnahme der großartigen «Lindenstraße» ist dies bisher noch niemandem gelungen. Wird eine ungekannte Situation glaubhaft dargestellt und es eben nicht nur bei der bloßen Behauptung belassen, folgt der Zuschauer. Zweitens: Worum geht es, was ist der zentrale Punkt? Es braucht konträr gegenläufige Positionen und kaum erreichbare Ziele, um Spannung und Interesse zu erzeugen.
Bei der «Ahornallee» soll es um den Kampf der Mittelstandsfamilie und der darüber liegenden Schicht gehen und um den Kampf des Bewahrens und Ermöglichens. Schön und gut, nur steht bei der «Ahornallee» für niemanden wirklich etwas auf dem Spiel. Es gibt keinerlei existenzielle Bedrohungen, niemand verfolgt ein Ziel, an dessen Erreichen ich als Zuschauer ein wahrhaft emphatisches Interesse entwickeln könnte. Drittens: Klare und glaubhafte Charaktere. Die dramaturgische Verortung der Figuren der «Ahornallee» kann ich nachvollziehen, allerdings wirkt die Darstellung und ihre Inszenierung dabei alles andere als glaubwürdig und in den leblosen Sets mitunter karikaturhaft.
Dass die Produzenten der «Ahornallee» mit einem weitaus geringeren Budget auskommen müssen, als die bestehenden Daily Soaps, macht es für sie natürlich ungleich schwerer. Dennoch wird vom Zuschauer zu Recht ein gewisses Maß an kreativer und handwerklicher Qualität erwartet, was die Macher der «Ahornallee» leider in weiten Teilen vermissen lassen.
Ob die Serie eine Zukunft hat, hängt von zwei entscheidenden Faktoren ab: Glaubt der Sender an eine Verbesserung und wenn ja, wie viel Zeit gibt er. Wenn allerdings nicht bereits einschneidende Veränderungen vorgenommen wurden, werden die Quoten in den kommenden Wochen dort bleiben wo sie sind: Im Keller, und das wäre schade.
Tim Greve war u.a. Producer von „GZSZ“ und Herstellungsleiter von „Bianca – Wege zum Glück“. Inzwischen arbeitet er als Berater für nationale und internationale Fernsehproduzenten.