In einem Beitrag des ARD-Magazins «Plusminus» erhoben ehemalige Mitarbeiter schwere Betrugsvorwürfe gegen den Call-In-Sender der ProSiebenSat.1 Media AG. Im Gespräch mit Quotenmeter.de wehrte sich eine Sendersprecherin vehement gegen die Anschuldigungen und bezeichnete diese als haltlos.
In einem kürzlich gezeigten Beitrag der ARD-Sendung «Plusminus» erhoben Ex-Mitarbeiter des Senders 9Live schwere Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber. Sie sprachen das aus, was mancher befürchtete. Eine ehemalige Mitarbeiterin bezeichnete das Vorgehen des Senders als „moralisch verwerflich.“ Ein ehemaliger Moderator versicherte, dass diese Vorgehensweise eine Geschichte sei, die ihm selbst auch nicht so gefallen habe, aber: „That’s Showbusiness.“
Konkret geht es um folgende Punkte: Laut Landesmedienanstalten muss sich 9Live an folgende Vorschriften halten: Die Aufforderung zum Mitmachen dürfe keinen besonderen Anreiz zu wiederholtem Anrufen enthalten. Dennoch kommt es vor, dass Zuschauer mehrere hundert Mal die gebührenpflichtige Nummer wählen und so ein Vermögen ausgeben. Konkretes Beispiel: Die Telefonrechnung einer älteren Dame, die sich auf über 3000 Euro belief – selbst der 9Live-Moderator zeigte sich darüber schockiert.
In den Vorgaben der Landesmedienanstalten heißt es weiter: „Der Aufbau von nicht vorhandenem Zeitdruck ist unzulässig“. In diesem Punkt verstößt 9Live in jedem Fall gegen die Richtlinien. Wieder und wieder zählen die Anruf-Animateure einen Countdown nach unten. 5,4,3,2,1. Würde alles mit rechten Dingen vorgehen, müsste dann ein Anrufer durchgestellt werden – in der Regel passiert jedoch gar nichts. Auch das Einblenden einer Uhr mit dem Satz „Bis 12.00 Uhr kommt hier jemand durch“, bedeutet beim Sender nicht zwingend, dass ein Anrufer bis zum besagten Zeitpunkt durchgestellt wird.
Noch schwerer wiegen die Vorwürfe, die im Zusammenhang mit dem Hot-Button erhoben werden. Die Landesmedienanstalten schreiben hierzu vor: „Nach Auslösung des technischen Mechanismus wählt dieser (…) zu einem beliebigen Zeitpunkt eine beliebige stehende Telefonleitung zur Durchstellung in die Sendung aus.“ Die Auswahl erfolgt jedoch keineswegs durch einen Zugfallsgenerator wie ein ehemaliger 9Live-Moderator verriet. Auf die Frage, wovon es abhänge, wer und wann in die Sendung gestellt werde, antwortet er: „Vom Redakteur selbst – er entscheidet.“
Sollten diese Vorwürfe in der Tat stimmen, könnte man keinesfalls von einem Kavaliersdelikt sprechen – vielmehr müsste dem Sender dann Betrug am Zuschauer vorgeworfen werden. Quotenmeter.de-Informationen zu Folge ist der zitierte Moderator schon länger nicht mehr für den Sender tätig, eine von Emotionen geleitete Racheaktion kann somit nahezu ausgeschlossen werden. Der Ex-Anruf-Animateur weiter: „Wenn es dem Redakteur auf Grund der gegebenen Umstände passt, jetzt kann ich einen reinlassen, dann lässt er ihn durchstellen.“
Dem ARD-Magazin erklärte 9Live schriftlich, dass der Sender über unterschiedliche Systeme sicherstelle, „dass für Anrufer in unseren Gewinnspielen jederzeit die Chance besteht, ausgewählt und ins Studio gestellt zu werden.“ Gegenüber Quotenmeter.de äußerte sich Sendersprecherin Zeidler: „Der Beitrag reiht sich ein in die traditionell-tendenziöse Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Sender gegenüber neuen Geschäftsmodellen des privaten Fernsehens.“ Sämtliche Behauptungen seien haltlos. „Wir stellen sicher, dass unsere Zuschauer zu jeder Zeit die Chance haben, an unseren Gewinnspielen teilzunehmen und zu gewinnen. Wir können nicht ohne zufriedene Zuschauer seit nunmehr knapp sechs Jahren erfolgreiches und unterhaltsames Mitmachfernsehen betreiben“, so Zeidler im Gespräch mit Quotenmeter.de.
Dem widerspricht eine ehemalige Redakteurin des Mitmachsenders ausdrücklich. „Wenn man als Anfängerredakteur da oben sitzt und man möchte spontan jemanden durchstellen lassen, weil gerade so viele Leute anrufen, dann steht immer ein erfahrener Redakteur hinter einem und sagt: Bist du blöd? Mach das nicht." Man solle sie kommen lassen, die Zuschauer. „So lange das steigt – jeden mitnehmen“ – dies sei die Divise, derjenigen, die darüber entscheiden, wann jemand die Chance auf ein paar Euro hat. Die Redakteurin: „Alle, die gerade anrufen betrügt man um ihr Glück.“
Erst wenn die Anrufzahlen zurückgehen würden, erst wenn die Zuschauer das Interesse am Wählen verlieren, würde die Redaktion einen Kandidaten ins Studio durchstellen. Sollte sich dies alles bewahrheiten wäre dies ein Fall für die Staatsanwälte, heißt es in dem Beitrag. Und die Anschuldigungen gehen weiter: Sogar von fingierten Anrufen ist die Rede. Diese „werden schon mal eingesetzt“ – vor allem dann, wenn eine Zeit lang niemand anrufe. Man würde dann das Hot-Button-Signal einspielen und den Eindruck erwecken, der Anrufer habe aufgelegt. Dies hätte die Redakteurin sogar selbst schon miterlebt.
Auch dies bestreitet der Sender: „9Live fingiert keine Anrufe“, erklärt Sprecherin Zeidler. Selbst wenn nichts an den Anschuldigungen der beiden ehemaligen Mitarbeiter dran ist, dem ohnehin nicht guten Ruf des Mitmachkanals haben diese Anschuldigungen weiter geschadet.
10.05.2007 10:45 Uhr
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Manuel Weis