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Sonntagsfragen an Axel Kühn
Seit vergangenem Herbst ist Axel Kühn Programmdirektor bei RTL II. Zeit Bilanz zu ziehen – Manuel Weis besuchte den Fernsehmacher in Grünwald und sprach mit ihm über die Lage des Senders, das Reality-Format «Big Brother» und vieles mehr.
Herr Kühn, RTL II geht es noch immer nicht so gut. Im Jahr 2005 hatte der Sender ein wahres Hoch – als «Big Brother 5» lief, holte Ihr Sender rund acht Prozent Marktanteil im Monatsschnitt. Aktuell liegen Sie bei 6,4 – das sind 25 Prozent weniger.
Es gibt immer Wellen – und es wäre ja langweilig, wenn sich die Marktanteile nicht verändern würden. Zu der Zeit, die Sie ansprechen, hatte «Big Brother» einen Hype, heutzutage hat «Das perfekte Dinner» einen Hype. Das sind die ganz großen Hits, die jeder gerne in seinem Programm hätte, aber es ist einfach nicht möglich, das im Vorhinein zu prognostizieren. Oft ist es einfach nicht steuerbar, in welche Richtung sich ein neues Format entwickelt. Aber – und das will ich in aller Deutlichkeit sagen: Wir sind mit den «Big Brother»-Quoten sehr zufrieden, vergangene Woche lagen wir einmal bei rund neuneinhalb Prozent. Das Format hat unsere Erwartungen erfüllt – dass wir vielleicht von zweistelligen Werten geträumt haben, steht auf einem anderen Papier.
Wie sieht Ihr Ziel für das Jahr 2007 und 2008 aus? Wollen Sie die sechs Prozent halten oder eher die sieben Prozent-Marke angreifen?
Wir wollen unser Niveau mindestens halten, bereiten aber viele neue Programme vor, mit denen wir den Marktanteil sicher auch noch steigern werden. Der April entwickelt sich doch bereits sehr positiv für uns.
Herr Kühn, ich möchte mit Ihnen über die RTL II-Serien sprechen. Zum Beispiel über «Law & Order: SVU», das in Amerika die erfolgreichste «Law & Order»-Serie ist. In Deutschland läuft das Format mit Abstand am schwächsten, VOX holt mit «Criminal Intent» am Mittwoch rund 13 Prozent. Sind Sie da enttäuscht?
Nein, ich bin da nicht traurig. Wir haben ein ganz anderes Umfeld als VOX. «Law & Order: SVU» steht thematisch recht allein da bei uns – wenn man das betrachtet, sind sieben Prozent Marktanteil ein recht großer Erfolg. Ohnehin glaube ich, dass die Serie thematisch sehr düster ist. Es geht um Vergewaltigungen und ähnliche Delikte, also eher schwierige Themen. Davor schreckt der eine oder andere zurück.
Vermutlich würde die Serie bei VOX aber besser abschneiden.
Vermuten können Sie viel. Fakt ist: Das wissen wir nicht. RTL II ist ja kein typischer Serien-Sender. Eine unserer prägenden Programmfarben ist Reality. Dazu kommen Spielfilmhighlights und große Serienevents. Gemeinsam mit unseren Informationsangeboten und dem Kinderprogramm bieten wir ein echtes Vollprogramm.
Die fünfte Staffel von «24» ist vorbei – waren Sie mit den Quoten zufrieden?
In jedem Fall. Mit der Dreierprogrammierung haben wir das Bestmögliche aus dem Programm herausgeholt. Ich glaube, wir müssen uns nichts vormachen: «24» ist erfolgreich aber kein absoluter Quotenhit. Das Format hat eine feste Fan- und Zielgruppe, auch eine sechste Staffel würde wieder rund eine Million Menschen vor die TV-Geräte locken. Die zweite und dritte Folge, die wir jeweils an einem Abend gezeigt haben, holte regelmäßig überdurchschnittliche Werte, nach 23 Uhr lagen wir bei über acht Prozent. Damit sind wir zufrieden.
Jack Bauer befindet sich in einer brenzligen Situation. Wer wissen möchte, wie es weitergeht – kann der sich sicher sein, dass Sie auch die sechste Staffel zeigen?
Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Es kann sein, dass wir auch die sechste Staffel zeigen, es kann aber auch sein, dass wir sie nicht nehmen.
Von was hängt das ab?
Das hat mehrere Faktoren.
Wann entscheiden Sie das?
Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Es kann aber durchaus bis in den Herbst dauern.
Die RTL-Gruppe hat die Rechte der NBC-Serie «Heroes» erworben. Man hört, dass Sie die Serie zeigen werden. Können Sie das bestätigen?
«Heroes» ist eine ganz wunderbare Serie, die super zu RTL II passen würde. Sie würde eigentlich zu keinem anderen Sender so gut passen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Bestätigt ist aber, dass Sie «Rom» zeigen werden – und das im tiefsten Sommerloch. Es scheint, als hätten Sie nicht wirklich viel Vertrauen in das Format…
Das, was Sie Sommerloch nennen, sehe ich als Sommerloch der Konkurrenz. Ich selbst ärgere mich immer, wenn im Sommer überwiegend Wiederholungen zu sehen sind.
Dennoch: Im Sommer holst du mit wesentlich niedrigeren Zuschauerzahlen relativ hohe Marktanteile. Das hat die Planungen doch sicherlich auch beeinflusst.
Natürlich, eine erfolgreiche Serie ist im Sommer noch erfolgreicher. Und «Rom» ist ganz ohne Zweifel ein echtes Highlight! Wir haben uns gefragt: Wo erfährt das Format die größte Aufmerksamkeit? Im Herbst hätte sich die Serie im Duell mit vielen anderen Neustars diese Aufmerksamkeit teilen müssen. Das wollten wir verhindern. Deswegen stand die Frage im Raum, ob wir im Sommer starten wollen, oder ob wir bis zum Winter warten. Da die DVD-Release für den Winter angedacht ist, wäre es Unsinn, die TV-Erstausstrahlung im Winter vorzunehmen. Deswegen läuft «Rom» jetzt im Juli.
«Rom» ist eine ziemlich brutale Serie. Da schreckt man vor nichts zurück. Deswegen steht die Frage im Raum: Zeigen Sie das Format geschnitten um 20.15 Uhr oder unzensiert nach 22.00 Uhr?
Wir möchten uns noch beide Optionen offen halten. Ich würde «Rom» lieber um 20.15 Uhr zeigen. Derzeit arbeiten die Kollegen mit dem Jugendschutz daran und klären, wie viele Szenen wir einem 20.15 Uhr-Sendeplatz opfern müssten. Wir wären bereit, etwas zu schneiden – soweit es die Serie nicht verstümmelt.
Sprechen wir doch einmal allgemein über die Primetime. Mit dem «Frauentausch» dürften Sie sehr zufrieden sein.
Natürlich, wir sind sehr froh, dass die Sendung selbst nach so langer Zeit noch so stark läuft.
Sie hatten zwei weitere Formate dieser Art im Programm. «Die Super Mamas» und «Die Super-Frauchen» - beide liefen ganz gut, sind aber dennoch verschwunden. Warum?
Wir hatten einfach kein Interesse mehr an diesen Formaten, weil sie nicht wirklich Unique waren. Tiererziehung gehört für mich eher zu VOX, die Nanny zu RTL. RTL II möchte eigene Duftmarken setzen.
Wie zum Beispiel mit «Hüllenlos»?
Das war ein Versuch.
Aber Herr Kühn, es ist doch nicht verwunderlich, dass «Hüllenlos» gefloppt ist.
Wieso?
In den Episoden zwei und drei ist exakt dasselbe passiert wie in der ersten Folge. Sie haben einfach nur die Frau ausgewechselt – sonst ist alles haargenau gleich geblieben.
Stimmt, da haben Sie Recht. Die Inhalte der ersten drei Episoden waren recht ähnlich.
In den Folgen vier bis sechs gibt es deutlich andere Inhalte. Die verbleibenden Folgen werden wir demnächst im Programm zeigen. Eines haben wir aus «Hüllenlos» aber gelernt: Wir müssen uns einfach mehr Zeit lassen und noch härter an neuen Formaten arbeiten.
Sind Sie eigentlich traurig, dass Vera Int-Veen nicht mehr bei Ihnen zu sehen sein wird?
Da befinde ich mich in einem Zwiespalt. Dass RTL auch einmal ein Programm von uns übernimmt adelt und bauchpinselt uns natürlich – bislang hat man sich ja eher bei VOX bedient – «CSI» ist hier das Stichwort. Aber natürlich hätte ich «Glück-Wunsch» gerne weiter im Programm gehabt. „Traurig“ ist deswegen ein falscher Begriff, weil wir am Dienstagabend mit «Zuhause im Glück» hervorragend aufgestellt sind.
Und demnächst kommt auch Verona Pooth mit «Engel im Einsatz» hinzu. Sind Sie zufrieden mit ihren ersten Einsätzen?
Verona setzt unserem Dienstag natürlich ein i-Tüpfelchen auf.
Es klingt aber doch nach einem Abklatsch der Vera-Sendung.
Überhaupt nicht. Verona hat zusammen mit Endemol einen Piloten produziert und ihn uns gezeigt. Es ging also nie um eine Nachfolgesendung für «Glück-Wunsch». Wäre «Engel im Einsatz» eine direkte Kopie, hätten wir die Produktionsfirma beispielsweise nicht gewechselt. «Engel im Einsatz» hat uns allen auf Anhieb so gut gefallen, dass wir sofort zugesagt haben. Das Format passt meiner Meinung nach sehr gut zu RTL II.
Lassen Sie uns ein bisschen über «Big Brother» sprechen. Die siebte Staffel holt – insgesamt betrachtet – die niedrigsten Marktanteile aller Staffeln. Borris Brandt hat sich Werte wie in der fünften Runde gewünscht, sagt aber, mit acht Prozent sei er nicht unglücklich. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Ihre Feststellung ist nicht korrekt. Insgesamt betrachtet ist die siebte Staffel besser als der Vorgänger. Damit sind wir zufrieden. «Big Brother» erfüllt unsere Erwartungen voll und ganz. Dass wir vor dem Start auch von ein bisschen mehr geträumt haben, kann ich ganz offen sagen. Aber ich bin sicher, dass die aktuelle Runde noch Potential nach oben hat. Wir reden hier bei «Big Brother» über die siebte Staffel, das Format ist also sehr etabliert und hat eine feste Fangemeinde. Deswegen ist es utopisch zu sagen, dass «Big Brother» drei oder vier Millionen Menschen begeistern könnte. Es gibt begrenzt Luft nach oben und wir versuchen in den kommenden Wochen das Maximale herauszuholen. Unser Ziel muss es sein, die potentiellen Zuschauer glücklich zu machen.
Sorgt Sie der Rückgang der Zahlen überhaupt nicht?
Noch einmal: Es gibt keinen Rückgang. Aber natürlich hat sich «Big Brother» verändert. Früher war das Format ein Event, heute ist es zu einer Serie geworden.
Ist das gut oder schlecht?
Es ist gut, was die Konstanz betrifft und schlecht, wenn man über Ausschläge nach oben spricht. Insgesamt überwiegt aber das Positive. Man kann sehr genau für weitere Staffeln planen und den Kosten-Nutzen-Faktor abwägen. Welches andere Programm garantiert mir bei RTL II um 19.00 Uhr acht Prozent Marktanteil?
Dass RTL II sich mehr gewünscht hat, konnte man aber auch daran erkennen, dass Sie die Werbepreise massiv gesenkt haben. Zudem besteht noch immer das Problem, dass die Werbeinseln nicht sonderlich gut ausgebucht sind. Lange Zeit gab es in der Live-Show nur drei Werbeblöcke – nicht vier, wie eigentlich vorgesehen.
Wir hatten am Anfang eine zu hohe Preisvorstellung. Mit den aktuellen Buchungen sind wir aber zufrieden, mittlerweile gibt es auch bei der Show wieder vier Werbeblöcke und die Preise für die Daily wurden inzwischen wegen des Erfolges des gesamten Vorabends auch wieder erhöht. Wir sollten eines nicht vergessen: Wir werden das Image von «Big Brother» nicht verändern können – nicht beim Zuschauer und auch nicht bei den Werbenden. Das Format im Bewusstsein der Menschen zu ändern, das würde Jahre dauern. Und: Nicht alles, was sich mit den Vorstellungen der Werbetreibenden deckt, ist auch gut für die Quote.
Ich glaube, es ist etwas ganz Normales, dass man verschiedenste Dinge in eine Schublade steckt. Das tun Sie auch, wenn Sie neue Menschen kennen lernen – jeder hat gewisse Vorurteile. Wir versuchen jetzt, dass wir unsere «Big Brother»-Schublade so schön wie möglich gestalten.
Ist die Konkurrenz stärker oder «Big Brother» schwächer geworden?
Natürlich ist der Vorabend heute wesentlich stärker umkämpft als vor drei oder vier Jahren. Ich würde nicht sagen, dass «Big Brother» an Stärke verloren hat.
Wie wichtig sind Ihnen Zuschauermeinungen? Viele «Big Brother»-Fans sind der Auffassung, dass Sie deren Wünsche überhaupt nicht interessieren.
Generell senden wir das, was die Zuschauer sehen wollen. Das ist das Wichtigste – jeden Tag bemühen wir uns darum, unsere Seher zufrieden zu stellen. Ich weiß, dass unsere «Big Brother»-Hardcore-Fans das anders sehen. Ich kann Ihnen allerdings sagen: Wir werten die Beiträge der diversen Fanforen täglich aus. Da sind einige sehr interessante Verbesserungsvorschläge dabei, über die wir uns auch wirklich Gedanken machen. Ich muss mir dabei nur folgende Frage stellen: Wer meldet sich dort zu Wort? Ist es wirklich die breite Masse, die wir ansprechen wollen, oder sind es nur die, die am lautesten schreien?
Als ich Zivildienstleistender war, habe ich auch Schulungen mitgemacht, bei denen es um das richtige Verhalten bei Katastropheneinsätzen ging. Dort haben wir gelernt: Um die, die am lautesten schreien, sollte man sich nicht unbedingt zuerst kümmern. Die, die gar nicht schreien, sind in der Regel schlechter dran.
In der kommenden Woche sprechen wir weiter über «Big Brother 7», kommen allerdings auch zum Flop «KTI», zum Anime-Programm bei RTL II und der neuen «Lynne & Tessa»-Show.
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