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Sonntagsfragen an Tim Greve (Teil II)

Tim Greve, der früher als Producer für «GZSZ» und Herstellungsleiter für die ZDF-Telenovela «Bianca» arbeitete und sich nun als Berater selbstständig gemacht hat, sprach mit Quotenmeter.de über die täglichen Serien und Deutschland und ihre Chancen nach einer Fortsetzung zu überleben.

Nun sind Sie ja auch Soap- und Telenovela-Experte. Keiner der Telenovela-Neustarts im Jahr 2006 hat funktioniert. Weder «Tessa» noch «Lotta» und auch «Schmetterlinge im Bauch» nicht. «Rote Rosen» schlägt sich derzeit, naja, mehr oder weniger passabel. Und bestehende Telenovelas müssen sich aus diesem Grund in eine Fortsetzung nach dem Ende der eigentlichen Liebesgeschichte retten.
Dass eine Telenovela fortgesetzt wird, ist kein deutsches Phänomen. Auch in Lateinamerika werden sehr erfolgreiche Formate – teilweise sogar mehrfach – verlängert.

In Deutschland scheinen Fortsetzungen aber nur dann zu funktionieren, wenn sich möglichst wenig verändert und ein „weicher Übergang“ stattfindet. Daran scheitert derzeit wohl «Verliebt in Berlin», bei «Wege zum Glück» sieht es hingegen besser aus. Wird die Telenovela also zur Soap?
Der Zuschauer will einen abgeschlossenen Roman sehen und genau das wird ihm zunächst versprochen. Wenn man dann eine dritte, vierte oder fünfte Version hinterher schiebt, kann die Glaubwürdigkeit leiden. «Wege zum Glück» hat das sehr geschickt gemacht, weil es sich als übergeordnete Marke etablieren konnte. Ich denke, dass das der richtige Weg ist. Wenn eine Sendung aber so zugespitzt ist auf eine spezielle Person und Situation, wie es bei «Verliebt in Berlin» der Fall war, ist eine erfolgreiche Fortsetzung harte Arbeit.
Wir werden in Deutschland dauerhaft Telenovelas haben. Man muss sich nur sehr gut überlegen, was man macht, wenn eine Geschichte zu Ende geht. Wenn wir das Format weiterhin erfolgreich gestalten wollen, ist es wichtig, eine tragfähige „Telenovela-Kultur“ zu entwickeln. Und da geht es dann eben auch um Verlässlichkeit.
Hand auf’s Herz: Geben Sie «Verliebt in Berlin» noch eine Chance?
(überlegt lange) Eindeutig ja. «Verliebt in Berlin» ist eine starke Marke und ich kann mir vorstellen, dass die temporäre Rückkehr von Alexandra Neldel dem Format auch nachhaltig nutzt. ViB muß es gelingen, die Zuschauer von Promi-Dinner und „Alles was zählt“ zurückzuholen. In jedem Fall ist es eine sehr mutige Entscheidung diesen Weg zu gehen.

Kommen wir mal kurz zu «GZSZ». Wir wollen jetzt ja nicht auf hohem Niveau jammern, aber 26 Prozent sind RTL doch wahrscheinlich bedeutend lieber als rund 20 Prozent. Früher war «GZSZ» regelmäßig das meistgesehene Programm in der Zielgruppe. Nun gab es vor einigen Jahren schon einmal eine Schwächephase der Soap: Das war zu den erfolgreichen Zeiten von «Big Brother». Wie ernst nimmt man diesen Rückgang?

«GZSZ» ist derzeit noch immer eines der stärksten Formate im Bezug auf die Zielgruppe. Die Verantwortlichen werden aber sicherlich die momentane Situation sehr genau analysieren. Ich denke, dass «GZSZ» derzeit unter der Vielzahl von täglichen Serien leidet. Was allerdings nicht heißen soll, dass eine stärkere Quote nicht denkbar sei.

Erstaunlich war ja vor allem, dass «Verliebt in Berlin 1» «GZSZ» übertrumpfen konnte, als man direkt gegeneinander lief.
Das war eine temporäre Umprogrammierung, die gegen jahrelange Sehgewohnheiten ging.. «GZSZ» hatte einen massiven Nachteil. Man hat gewusst, selbst wenn man die Sendung mal einen Monat nicht schaut, man kommt aufgrund der Soapstruktur wieder mit. Bei «Verliebt in Berlin» wäre es schwieriger gewesen, den Handlungssträngen dann noch zu folgen.

Wie viele tägliche Serien haben denn Platz im deutschen Markt?

Einige. Auf verschiedenen Sendern und Sendeplätzen klappt das sehr gut. Sie müssen nur starke und vor allem unterschiedliche Geschichten erzählen – und das tun momentan eigentliche alle täglichen Formate. Aber ohne Frage: Ab einem gewissen Punkt könnte ein Übersättigungsgrad eintreten.

Daran sind ja auch nicht wenige Formate gescheitert.
Das sehe ich anders. Bei «Tessa», «Sophie» und «Schmetterlinge im Bauch» sehe ich die Gründe des Scheiterns nicht in einer Marktübersättigung. Die Zuschauer hatten Lust auf «Schmetterlinge im Bauch» - das hat man doch an den Quoten der Premiere gesehen. Das beweist, dass Telenovelas generell alles andere als tot sind.

Woran lag es dann bei «Schmetterlinge im Bauch»?
Ich möchte jetzt hier keine Analyse machen oder die Arbeit anderer beurteilen. Das Format halt einfach nicht so funktioniert, wie Sat.1 es sich gewünscht hat.

Denken Sie, dass im Jahr 2007 neue tägliche Serien zu erwarten sind?
Im Jahr 2007 wird es noch mindestens ein neues tägliches fiktionales, industriell hergestelltes Format geben – und damit meine ich jetzt nicht «Staatsanwalt Posch ermittelt», sondern eine Telenovela oder Daily Soap. Ich glaube auch, dass man in der Primetime vermehrt auf eine kostengünstige Herstellung achten muss, um die Deckungsbeiträge für die Sender zu gewährleisten. Es werden bald Sendungen laufen, die mittels industrieller Methoden günstiger produziert werden. An solch einem Konzept arbeiten wir gerade für das benachbarte Ausland. Primetime-Serien müssen bezahlbarer sein, wenngleich dies nicht auf Kosten der Qualität gehen darf. Natürlich werden aber die hochwertigen, „normalen“ Serien nicht verschwinden.

Zum Abschluss stellen wir auch Ihnen kurze und knappe Sonntagsfragen.
Welche TV-Sendung verpassen Sie nach Möglichkeit nie?

«Sopranos».

Wenn Sie denn nun jemanden bräuchten, um ein kleines Problem zu lösen, welchen Soap- oder Telenovela-Fiesling würden Sie anheuern?
Na, da gibt es doch eigentlich nur einen. Dr. Gerner natürlich.

Wo würden Sie jetzt gerne Urlaub machen?
Auf den Seychellen.

Und welche CD sollte in keinem Regal fehlen?
Das Köln Konzert von Keith Jarrett.


28.01.2007 11:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/18530
Manuel Weis

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Sonntagsfragen

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