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Sonntagsfragen an Hermann Joha

Der Chef der international anerkannten Produktionsfirma action concept, Hermann Joha, sprach mit Quotenmeter.de über den andauernden großen Erfolg der Action-Serie «Alarm für Cobra 11». Das Format ist derzeit eines der wenigen deutschen, welches überdurchschnittliche Werte einfährt. Woran liegt das und wie will Joha den Erfolg auf Dauer ausbauen?

Herr Joha, wir sprechen miteinander, weil wir festgestellt haben, dass «Alarm für Cobra 11» momentan eine der ganz wenigen deutschen Serien ist, die in der Zielgruppe deutlich über dem Senderschnitt liegt. Sie produzieren die Serie jetzt seit fast elf Jahren. Wird es gar nicht langweilig?
Wenn man ein Genre wirklich liebt und sich immer am Markt orientiert, dann kann es gar nicht langweilig werden. Man will auch immer wieder neue Sachen ausprobieren und weiterentwickeln. So bleibt die Arbeit also auch nach mehr als zehn Jahren noch spannend.

Und Krimis werden immer erzählt werden. Das ist ein ganz tolles Genre, vor allem wenn man mit einem kleinen bisschen Augenzwinkern herangeht, weil eigentlich will man sich ja abends vor dem Fernseher entspannen. Den «Tatort» gibt es seit 1972 – und der «Tatort» ist nach wie vor – mit allen Auf’s und Ab’s – eine der beliebtesten Sendungen im deutschen Fernsehen.

Kürzlich lief die 150. Folge von «Cobra 11» - 150 Episoden mit Stunts und Action. Gibt es denn noch Stunts, die Sie nicht gemacht haben?
Die Anzahl der möglichen Dinge, die im Actionbereich passieren können, ist eigentlich endlos. Auch hier richtet man sich aber nach dem Publikumsgeschmack und dem aktuellen Sehverhalten der Zuschauer. Man geht mal mehr in den MTV-Look, dann macht man wieder mehr mit Zeitlupen- Esthetik, dann war eine Zeit lang das „Ramming“ angesagt, also das Runterfahren von 500 Bildern in Normalgeschwindigkeit. Teilanimationen waren auch eine Zeit lang das Non-Plus-Ultra – davon geht man inzwischen aber wieder ein bisschen weg. Es gibt jede Menge neue Spielarten, die möglich sind.

Was ist momentan „in“ beim Publikum?
Der «CSI»-Look ist aktuell der letzte Schrei. Die Kamera blickt ganz groß ins Auge, dass man auf den Motorraum zufährt, dort reinschlüpft und zeigt, wie der Kolben am verglühen ist und sich das Pleuel am Ende durch die Motorhaube bohrt. So etwas war früher undenkbar, aber die Leute sehen das jetzt sehr gerne und sie erwarten es auch von einer guten Fernsehserie. Das haben wir auch schon mehrmals gemacht, ohne jetzt das Universum der Serie zu verlassen.

Solche Sequenzen sind aber sehr kostspielig…
Man muss schon haushalten, das stimmt. Man hat manchmal halt Serien, in den kommen weniger teure Special-Effects vor, sondern „normale“ Stunts. Und dann gibt es eben Serien, bei denen man tiefer in die Tasche greifen muss, um sie herzustellen. Aber ich habe da eigentlich keine Sorgen, weil wir von RTL ein sehr gutes Budget zur Verfügung gestellt bekommen.

Wenn Sie heute eine der ersten Folgen von «Cobra 11» sehen – damals war Mark Keller noch einer der Hauptdarsteller – und sich danach eine brandneue Episode ansehen. Wo liegt Ihrer Meinung nach der größte Unterschied?
Das ist wie wenn man einen Porsche von 1995 und von 2006 sieht. Das Ganze hat eine gigantische Evolution durchgemacht. Das fängt mit der Kameraführung an, geht weiter über die verbesserte Qualität der Stunts bis hin zur komplett anderen Drama-Linie. Wir schneiden schneller, die Erzählweise ist wesentlich dichter… Der gesamte Look entspricht einfach dem 21. Jahrhundert. Die ersten Folgen waren zum damaligen Zeitpunkt up to date und die heutigen Folgen sind es auch.

Ab Frühjahr ist Gedeon Burkhardt als Kommissar Chris Ritter in der Serie zu sehen. Er löst René Steincke als Tom Kranich ab. Charakterisieren Sie doch mal den neuen Kommissar.
Chris Ritter ist eine Stufe härter als Tom Kranich, er ist so ein bisschen wie Steve McQueen in jungen Jahren. Er ist cooler, kommt nicht ganz so lieb herüber wie René. Chris Ritter ist allgemein eher distanzierter und eigentlich eine klassischere Krimifigur als es Tom Kranich war. Wir sind der Meinung, dass das den Zuschauern recht gut gefallen könnte. Gedeon hat sämtliche Darsteller bei den Castings an die Wand gespielt – und das waren wirklich nicht wenige. Es gab nur einen weiteren Kandidaten, der überhaupt in die engere Auswahl kam.

Die Rollenbeschreibung erinnert irgendwie an Mark Keller in der Rolle von André Fux.
Naja, Mark war schon ein kleines bisschen mehr der lustige Clown – den hat er auch raushängen lassen. Das macht Gedeon nicht – er hat eher diesen leicht sarkastischen Humor, während André halt ein Junge aus dem richtigen Leben war.

Es gab aber einen häufigen Wechsel der Kommissare. René Steincke verließ die Serie, dann kam Christian Oliver für kurze Zeit. Nach ihm ermittelte wieder René Steincke als Tom Kranich und jetzt kommt Gedeon Burkhardt. Schadet so etwas einer solchen Serie nicht?
Bei «NYPD Blue» haben die Schauspieler fast in jeder Season gewechselt und das hat der Serie nicht geschadet. Das ist ja eine homogene und auch logische Entwicklung in der Serie, deswegen glaube ich nicht, dass das schadet. Außerdem hatten wir in elf Jahren vier Kommissare.

Zumal Erdogan Atalay ja schon seit der zweiten Folge dabei ist.
Er ist uns treu geblieben und wird uns auch immer treu bleiben. Das hoffe ich zumindest.

Aber quotentechnisch erreichen Sie auch keine sechs Millionen mehr…
…das ist doch auch logisch. «Popstars» läuft im Gegenprogramm sehr stark. Im Frühjahr hatten wir mit der «Schillerstraße» einen würdigen Gegner, der uns sogar ein paar Mal geschlagen hat. Wenn sich solche Formate aber im Zeitgeist-Hype gut entwickeln, dann ist das keine Entwicklung für die Ewigkeit. Der Hype bei der «Schillerstraße» ist beispielsweise wieder völlig in sich zusammengefallen. Die laufende Staffel kommt nicht annährend an frühere Werte heran. Im November ist aber Schluss mit «Popstars» und dann geht die «Cobra» wieder nach oben.

Sie haben Recht: «Cobra 11» ist ja auch in der Tat eines der wenigen deutschen Serien-Formate, welches aktuell über dem Senderschnitt läuft. Wieso schafft «Cobra 11» das, was andere Formate nicht schaffen?
It’s all about the characters. Wir sind so erfolgreich, weil wir hervorragende Hauptdarsteller haben. Die gesamte Castfamilie mit Gottfried Vollmer,Dieter Huhn und Charlotte Schwab ist einsame spitze. Außerdem haben wir in Auto-Deutschland oder Schumacher-Country einen großen Vorteil, eben weil es bei uns auch immer schnelle Autos und heiße Stunts zu sehen gibt. Die Formel 1 läuft ja seit zehn Jahren sehr erfolgreich bei RTL. Ganz wichtig ist aber: Nicht nur die Stunts sind wichtig, sondern auch die Geschichten machen den Erfolg der Serie aus.

Das heißt also, dass eine deutsche Serie nur mit dem Alltagsgeschehen zu tun haben muss und sympathische Charaktere vorweisen muss, um mit US-Produkten mitzuhalten?
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir neue Erzählformen finden müssen. Ich bin aber genauso fest davon überzeugt, dass es wichtig ist, dass wir sympathische Figuren erfinden. Aber Sie haben Recht: Der Lebensalltag, mit dem sich jeder ein bisschen identifizieren kann, sollte auch in einer guten Serie vorkommen. Wenn das gewährleistet ist, dann ist der Erfolg einer Serie fast schon sicher. Wir sind gerade dabei einen Writers-Room aufzubauen – wir haben an jedem Wochenende Kurse um Autoren zu casten. Action concept holt die Autoren von «CSI», «Desperate Housewives», «Monk» und «Dr. House» nach Deutschland, - momentan sind die Bryce Zabel und Lee Goldberg bei uns im Haus -, kombiniert sie mit deutschen Autoren um diesen Writers-Room aufzubauen. So versuchen wir, in diese neuen Erzählweisen hineinzurutschen.

Die althergebrachte Systematik funktioniert einfach nicht mehr – das muss man ganz deutlich sagen. Keine einzige deutsche Serie holt in der Zielgruppe noch richtig gute Werte. Serien wie «Um Himmels Willen» funktionieren natürlich weiterhin, aber das gucken halt die doch deutlich Älteren.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Hermann Joha über neue Projekte seiner Firma, über Filmflops wie «Der Clown» und über große Ziele.
29.10.2006 09:29 Uhr Kurz-URL: qmde.de/17208
Manuel Weis

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Hermann Joha

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