Nina Wolfrum: ‚‘Öl ist die Zukunft‘ sagt Wilhelm Pape, einer unserer main character‘

Mit «Schwarzes Gold» wagt Wolfrum einen ungewöhnlichen Spagat: Die sechsteilige Serie verbindet historische Stoffe mit hochaktuellen Fragen nach Fortschritt, Ausbeutung und Verantwortung – und rückt dabei starke Frauenfiguren ins Zentrum eines Genres, das lange von Männern dominiert wurde.

Ein deutscher Western in der Lüneburger Heide – was hat Sie an diesem Stoff so gereizt, dass Sie sofort „Ja“ gesagt haben?
Die Antwort liegt in Ihrer Frage! „Ein deutscher Western in der Lüneburger Heide“. Ich finde, das allein klingt schon interessant. Dazu kommt die Thematik des Ölvorkommens hierzulande um 1900, also eine historische Serie nach wahren Begebenheiten im Genre des Westerns. Das fand ich spannend.

Sie sprechen davon, dass «Schwarzes Gold» immer auch von unserem Heute erzählt. Welche Parallelen zur Gegenwart waren Ihnen besonders wichtig?
Neue Technologien bringen Annehmlichkeiten, schüren aber immer auch Ängste, Widerstände und Konflikte. Gleichzeitig verschiebt sich die Macht zu denjenigen, die die neuen Technologien beherrschen. Vergleichbar sind die Dynamiken um Künstliche Intelligenz. Wie können wir Entwicklung und Fortschritt zum Guten nutzen, wie und wann kann sie gefährlich werden?

Die Serie zeigt sehr deutlich, wie Öl eine Dorfgemeinschaft spaltet. Wie sind Sie filmisch an dieses Spannungsfeld aus Aufbruch, Gier und Zerstörung herangegangen?
Der Ölfund bedeutet Reichtum für Wenige und harte, gefährliche Arbeit für Viele. Diese ungleiche Verteilung von Ressourcen führt zu sozialen Spannungen. In der Serie stehen sich diese Pole immer wieder auch visuell gegenüber. In der zweiten Episode zum Beispiel, sehen wir das schwarze Öl sprudeln. Ein Ölregen, wie wir ihn typischerweise aus Western kennen, prasselt auf die Menschen nieder, die im Freudentaumel tanzen. Daneben steht still Johanna, durch deren Augen wir begreifen, wie verwundbar und trügerisch dieses Glück ist.

Johanna Lambert wird vom Bauernmädchen zur Kämpferin. Wie haben Sie mit Harriet Herbig-Matten diese Entwicklung angelegt, damit sie glaubwürdig und nicht „heroisch aufgesetzt“ wirkt?
Harriet und ich haben beide eine klare Vorstellung von Stärke und was das eigentlich ist. Dadurch konnten wir eine authentische Figur erschaffen, mit einer inneren, emotionalen Wahrheit, die sie so agieren lässt, wie sie eben agiert. Johanna folgt sehr klar und manchmal impulsiv ihrem Kompass. Dabei ist sie unbestechlich und sich selbst treu. Ich weiß nicht, ob uns immer gelungen ist, dass es wirklich nichts heroisch aufgesetzt wirkt. Ich glaube aber, dass ein solches Epos auch mal eine heroische Überhöhung verträgt.

Die Frauenfiguren sind auffallend stark und komplex – Johanna, Martha, Luisa, Elisabeth, Emma. War es Ihr erklärtes Ziel, den Western aus weiblicher Perspektive zu brechen?
Es war für mich eher selbstverständlich, dass auch die Frauenfiguren komplex erzählt und inszeniert werden müssen, sonst sind Filme nicht interessant und keiner guckt sie. Eine Message, die mir am Herzen liegt, ist: Wenn Frauen zusammenhalten, macht sie das stark. Wenn sie Allianzen bilden, können sie die Welt verändern. Klar, wenn wir bei den Fakten bleiben, spielten Frauen damals keine große Rolle, im öffentlichen Leben hatten sie keine Bedeutung, fanden nicht statt. Aber sie waren immer da. Ich wollte sie sichtbar machen.

«Schwarzes Gold» soll kein musealer Kostümfilm sein. Welche visuellen oder inszenatorischen Entscheidungen waren entscheidend, damit sich die Serie modern anfühlt?
Ich habe mit allen Head of Departments eng zusammen gearbeitet, um eine einheitliche Vision zu erschaffen. Dazu gehörte ein Kostüm, das zwar glaubhaft in die Zeit passen sollte, aber auch aus heutiger Sicht eine gewisse Attraktivität hat. Dasselbe galt für Maske und Frisuren. In der Postproduktion habe ich mit meinen Editor*innen einen Rhythmus entwickelt, der den heutigen Sehgewohnheiten entspricht und eben nicht die unterstellte „historische Langsamkeit“ spiegelt.

Wie haben Sie mit Kameramann Jörg Widmer und dem Team die Heide zur „Prärie“ gemacht – welche Look-Referenzen hatten Sie im Kopf?
Zusammen mit den Kameramännern Andreas Köhler und Jörg Widmer sowie unserem Szenenbildner und Team haben wir vor dem Dreh ein visuelles Konzept entworfen. Besonders wichtig war mir, dass sich alles - obwohl historisch - frisch, modern und inspiriert anfühlt. Auf keinen Fall ältlich, verstaubt und wie schon 1000 Mal gesehen.

Sie inszenieren gleichzeitig große Schauwerte – Bohrtürme, Explosionen, Reitszenen – und intime Figurenmomente. Wo lag für Sie die größte Herausforderung in der Balance?
Ich fand es großartig beides zu haben. Keinen Unterschied zu machen zwischen implodierendem Gefühl und einer wahrhaftigen Explosion, war für mich am Ende die Balance eines neuartigen Westerns. Der innere Druck der Figuren aus den Folgen 2,3 und 4 veräußert sich im Staffelfinale mit einem Showdown in wirklichem Feuer, Tod, Sieg oder Niedergang. Die Folge 6 gab mir einen öffentlichen Schauplatz für die innere Schlacht der Figuren. Aus Gefühlen wird endlich Handlung. Und andersrum habe ich in einer gigantischen Explosion plötzlich neben der Gewalt auch etwas Zartes, ja Intimes gesehen. Diese Erkenntnis innerhalb meiner Inszenierung war total viel wert und für mich Schlüssel zu diesem Genre.

Die Serie verhandelt Umweltzerstörung, Ausbeutung, Machtmissbrauch. Wie sehr soll «Schwarzes Gold» auch als Kommentar zur heutigen Energie- und Klimadebatte gelesen werden?
„Öl ist die Zukunft“ sagt Wilhelm Pape, einer unserer main character. Heute ist es viel mehr ein Symbol für Umweltkatastrophen und Klimawandel. Und das darf auch genauso mehrdeutig gelesen werden.

Hans Zimmer und sein Team geben der Serie einen sehr eigenen Sound. Wie eng war der Austausch zwischen Regie und Musik – gab es Szenen, die sich durch den Score noch einmal verschoben haben?
Die Zusammenarbeit war sehr intensiv und eine wahnsinnige Erfahrung für mich. Wir haben viel gesprochen, diskutiert, interpretiert, uns gegenseitig inspiriert und ausprobiert. Entstanden ist definitiv ein ganz eigener Sound, der mit Sicherheit lange nachhallen wird.

Ein Teil wurde im Museumsdorf Hösseringen gedreht, ein Teil in Ungarn. Wie wichtig war Ihnen Authentizität der Welt – und wo haben Sie sich bewusst künstlerische Freiheit genommen?
Das Museumsdorf Hösseringen war wichtig, weil es die Authentizität dieser vergangenen Welt für uns eingefroren hat. Trotzdem gibt es Szenen, die so vor über 100 Jahren nicht stattgefunden hätten. In Episode 4 bietet Johanna bei einer Auktion auf eine Immobilie. Sie schließt Deals ab und macht Geschäfte. Ein gutes Beispiel für künstlerische Freiheit. Denn wie wir wissen, waren Frauen zu dieser Zeit in der Form gar nicht handlungsfähig. Zumindest nicht historisch, psychologisch aber schon. Und das ist, was mich am meisten interessiert. Mir geht es in meiner Arbeit immer um die psychologische Genauigkeit der Figuren. Weil es mich selbst am meisten interessiert und weil ich davon überzeugt bin, dass wir deswegen Filme schauen.

Wenn Zuschauer die sechs Folgen gesehen haben: Was sollen sie über Macht, Reichtum und „Fortschritt“ anders sehen – und was vielleicht über sich selbst?
Mein Anspruch ist nicht, Zuschauer von etwas anderem zu überzeugen. Wenn Menschen nach 6 Folgen sagen, ich habe das alles gerne gesehen und bin tief eingetaucht, vielleicht sogar abgetaucht aus allem, was mich zur Zeit gerade beschäftigt, bekümmert oder sogar traurig macht, wäre das schon sehr schön. Wenn Sie mich fragen, was zieht man denn aus der Geschichte, dann vielleicht die Erkenntnis, dass wenn die Welt kippt, es aus den Einen das Schlechteste hervorbringt und aus den Anderen zum Glück das Beste. Und dass es immer unsere eigene Entscheidung bleibt, zu welchem Teil wir dann gehören wollen.

Vielen Dank für das Gespräch!

«Schwarzes Gold» ist seit 22. Dezember in der ARD Mediathek. Alle Folgen laufen am Montag, den 29. Dezember, im Ersten.
26.12.2025 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/167433
Fabian Riedner

super
schade


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Schwarzes Gold

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