Mit «Bis in die Seele ist mir kalt» erzählt Regisseur Daniel Prochaska einen Landkrimi, der bewusst leise bleibt – und gerade dadurch umso stärker wirkt. Im Interview spricht Prochaska über melancholische Bilder, die Zusammenarbeit mit Pia Hierzegger und darüber, warum Krimis heute auch politisch sein müssen.
Herr Prochaska, nach «Waidmannsdank» führen Sie erneut bei einem Landkrimi Regie. Was hat Sie an der Geschichte von «Bis in die Seele ist mir kalt» besonders gereizt?
Mich hat vor allem das Thema der Einsamkeit älterer Menschen berührt. Diese Menschen werden in unserer Gesellschaft häufig übersehen oder schlicht vergessen. Die Geschichte geht der Frage nach, wie Verzweiflung entsteht und welchen inneren Weg jemand zurücklegt, um schließlich zum Mörder zu werden. Diese psychologische Dimension und die damit verbundenen menschlichen Abgründe haben mich besonders gereizt.
Der Film spielt in der winterlichen Einsamkeit Kärntens – fast wie ein eigener Charakter im Krimi. Wie haben Sie diese Kälte und Melancholie filmisch eingefangen?
Die Gegend, in der wir gedreht haben, ist im Sommer voller Leben, viele Menschen verbringen ihren Urlaub am Ossiacher See. In der Off-Season dort zu drehen, war jedoch eine völlig andere, fast magische Erfahrung. Plötzlich wirkte alles wie ein vergessener Ort, ruhig, leer und zugleich unglaublich atmosphärisch. Diese besondere Stimmung wollten wir unbedingt einfangen. Deshalb haben wir viel Zeit darauf verwendet, melancholische, weitblickende Einstellungen zu inszenieren, die die winterliche Kälte und Einsamkeit der Landschaft filmisch spürbar machen.
Pia Hierzegger hat nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern spielt auch die Hauptrolle. Wie haben Sie die Zusammenarbeit zwischen Regie und Autorin/Darstellerin erlebt?
Wir haben bereits bei unserer ersten Zusammenarbeit großartig harmoniert, und daran konnten wir nahtlos anknüpfen. Unsere Arbeit basiert auf viel Vertrauen und echter gegenseitiger Wertschätzung. Pia ist unglaublich offen für neue Ideen und Herangehensweisen, und ich durfte mich intensiv ins Drehbuch und in die Entwicklung der Geschichte einbringen. Mit ihr zu arbeiten macht einfach wahnsinnig viel Spaß es ist ein kreativer Austausch auf Augenhöhe.
Der Film beginnt wie ein klassischer Krimi, entfaltet aber schnell eine psychologische Tiefe. Wie gelingt es, Spannung und emotionale Wahrhaftigkeit miteinander zu verbinden?
Indem man den Figuren wirklich nahekommt. Ich selbst liebe melancholische Filme, und mir sind die kleinen, fast unscheinbaren Gesten enorm wichtig sie sind oft ehrlicher als große Worte. Entscheidend ist für mich, alle Seiten gleichermaßen zu beleuchten: die der Opfer ebenso wie die der Täter. Kein Mensch wird als Mörder geboren; mich interessiert vor allem, wie es überhaupt so weit kommen kann. Spannung entsteht dann, wenn wir die psychologischen Wege der Figuren nachvollziehen können. Und echte emotionale Wahrhaftigkeit gelingt nur, wenn wir ihnen so nah wie möglich kommen und das Publikum mitfühlen kann.
Viele Szenen leben von der Ruhe und vom Blick auf kleine Gesten – fast schon anti-thrillerhaft. War das eine bewusste Abkehr vom Genretypischen?
Ja, das war mir sehr wichtig. Ich wollte ganz bewusst keinen klassischen Thriller erzählen, das mache ich eigentlich selten. Mich faszinieren ruhige, grafisch klare Bilder, die fast wie Gemälde wirken. Diese Ruhe eröffnet einen anderen Zugang zur Geschichte und zu den Figuren und erlaubt es, die Spannung subtiler, aber dafür nachhaltiger entstehen zu lassen.
Mit Linde Prelog, Jutta Fastian und Fritz Karl vereinen Sie sehr unterschiedliche Schauspielgenerationen. Wie haben Sie das Ensemble geführt, um eine gemeinsame Tonalität zu erreichen?
Der gesamte Cast war großartig. Der Casting-Prozess ist mir immer besonders wichtig, weil es entscheidend ist, die richtigen Schauspielerinnen und Schauspieler für die jeweiligen Figuren zu finden. Das Schöne an diesem Ensemble ist, dass wir verschiedene Generationen in einem Film zusammenbringen. Und tatsächlich kann man von jungen Schauspielerinnen genauso viel lernen wie von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen. Diese Mischung bereichert den gemeinsamen Ton des Films enorm alle bringen ihre eigene Energie ein, und genau daraus entsteht eine stimmige, gemeinsame Sprache.
Der Landkrimi erzählt nicht nur von Verbrechen, sondern auch vom Altwerden, von Einsamkeit und sozialer Kälte. Wie politisch darf oder soll ein Krimi im Fernsehen heute sein?
Ich finde es wichtig, dass auch Thriller politisch sein dürfen, sogar müssen. Sie sollten genau dorthin zeigen, wo es weh tut, und Aufmerksamkeit für Themen schaffen, die im Alltag oft übersehen werden. Natürlich erzählen wir fiktive Geschichten, aber sie funktionieren nur, wenn sie authentisch sind und etwas über unsere Realität erzählen. Als Filmemacher wollen wir einerseits unterhalten, aber wir haben auch eine Verantwortung: Wir können Fragen stellen, Denkanstöße geben und das Publikum vielleicht ein Stück weit wachrütteln. Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer nach dem Film sensibler dafür werden, wie es Menschen in ihrem Umfeld geht Menschen, die man im Alltag leicht übersieht, dann ist das für mich das Schönste.
Kärnten wird hier nicht als idyllische Postkartenlandschaft, sondern als beklemmender Ort gezeigt. War Ihnen dieser Kontrast wichtig, um die Atmosphäre zu brechen?
Dieser Kontrast war für mich essenziell. Ich bin ein sehr visueller Filmemacher, und Atmosphäre hat für mich eine ganz besondere Bedeutung. Von Anfang an war klar, dass wir die Geschichte nicht in einer idyllischen Postkartenlandschaft verorten wollten, sondern in einem Kärnten, das eine gewisse Beklemmung in sich trägt. Genau diese Spannung zwischen Schönheit und Kälte, zwischen Weite und Einsamkeit, war mir wichtig sie prägt die Stimmung des Films und unterstützt die Erzählung auf einer tiefen, emotionalen Ebene.
Der Film wurde beim Deutschen FernsehKrimi-Festival gleich doppelt ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Anerkennung – gerade für einen Film, der so leise und unspektakulär erzählt?
Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass wir gleich zwei Preise gewinnen vor allem, weil die Konkurrenz wirklich starke Filme ins Rennen geschickt hat. Umso mehr ehrt es mich, dass gerade unser kleiner österreichischer Film ausgezeichnet wurde. Das bestärkt mich darin, dass sich Mut und Leidenschaft auszahlen und dass eine leise, detailreiche Erzählweise genauso Wirkung entfalten kann wie ein lauter, spektakulärer Ansatz. Besonders freut mich, dass die vielen kleinen Gesten und sorgfältigen Details gewürdigt wurden. Und dass Linde gewonnen hat, macht mich natürlich ganz besonders glücklich.
Sie haben mit «Das schaurige Haus» auch im fantastischen Genre gearbeitet. Welche Freiheiten oder Grenzen erleben Sie im Krimiformat – und wohin zieht es Sie als Regisseur künftig?
Für mich beginnt alles bei den Figuren und ihren Geschichten. Wenn diese stimmen, kann man fast alles erzählen – und das sollte man auch. Ich tue mir schwer, klare Grenzen zwischen Genres zu ziehen, weil ich gerne mit ihnen spiele. Vielleicht ist es sogar eine meiner Stärken, humorvolle, augenzwinkernde Momente mit sehr emotionalen Szenen zu verbinden. Entscheidend ist am Ende immer das Buch: Ohne ein starkes Drehbuch ist es schwer, einen wirklich besonderen Film zu machen. Kurz gesagt: Man sollte sich alle Freiheiten nehmen, die eine Geschichte braucht. Es gibt kein richtig oder falsch solange der Film authentisch bleibt und etwas in den Zuschauerinnen und Zuschauern auslöst.
Vielen Dank für Ihre Arbeit!
«Bis in die Seele ist mir kalt» ist am Samstag, den 27. Dezember, um 21.45 Uhr im ZDF zu sehen. Im Stream ist der Film bereits seit 20. Dezember 2025.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel