‚Unser Star ist das Ensemble – und die Liebe zwischen Miss Sophie und James‘

Aus elf Minuten Fernsehgeschichte werden vier Stunden Serienerzählung: Mit «Miss Sophie – Same Procedure As Every Year» wagt sich Tommy Wosch an ein Prequel zu «Dinner for One» – und verwandelt den Silvesterklassiker in eine romantische Krimikomödie mit großem Ensemble.

Herr Wosch, Sie erzählen in «Miss Sophie – Same Procedure As Every Year» die Vorgeschichte zu einem der berühmtesten Sketche der Fernsehgeschichte. Wie kam es zu der Idee, ausgerechnet Dinner for One als Ausgangspunkt für eine Serie zu nehmen?
Losgegangen ist alles mit einem verspäteten Zug. Mein überaus geschätzter Kollege Markus Brunnemann musste deswegen ein bisschen Zeit totschlagen, streunert durch eine Bahnhofsbuchhandlung und findet ein kleines Buch, in dem ein Prequel zu «Dinner for One» erzählt wird. Nennen wir diese Geschichte das Prequel zum Prequel von Miss Sophie.

Der Sketch dauert nur elf Minuten, Ihre Serie hat vier Stunden Erzählzeit. Wie haben Sie den Mythos um Miss Sophie und Butler James in eine eigene, tragfähige Geschichte übersetzt?
Was das anbelangt, hat das Ursprungsbuch genauso wenig geholfen wie der Sketch selbst. An beiden Werken ist doch relativ wenig Fleisch dran. Was aber geholfen hat, war ein tolles Kreativteam, mit dem ich zusammen entwickelt habe: Viola-Franziska Bloess, Julia Franke und natürlich mein Freund und langjähriger Autorenpartner Dominik Moser. Von Anfang an war uns klar, dass es eine Liebesgeschichte zwischen Miss Sophie und James sein muss. Da man als Fan des Sketches sicherlich ein komisches Werk erwartet, war also auch das Genre damit definiert: Romantic Comedy. Bei der Findung der Männerfiguren habe ich mich tatsächlich auch von dem Klang der Namen leiten lassen: Pommeroy, Pommeroy, Pommeroy … was ist das wohl für ein Mann? Was für ein Mensch könnte sich hinter dem Namen Winterbottom verbergen? Kleiner Tipp: Es ist ein Mensch, der Frederick Lau sehr ähnlich sieht.

In Ihrer Version ist Miss Sophie jung, selbstbewusst und in einer Krise. Wollten Sie mit der Serie auch ein Stück weibliche Emanzipationsgeschichte erzählen – oder eher ein augenzwinkerndes Spiel mit Traditionen?
Ich habe den Sketch so gedeutet, dass sich da eine selbstbewusste Frau mit fünf Männern in einem Raum befindet und sie diese Männer auf ihre ganz spezielle Art und Weise dominiert. Den einen Mann – James – dominiert sie qua Standesrecht, vielleicht auch, weil er sie liebt, mal sehen, aber die anderen Männer dominiert und domptiert sie durch ihre besondere Kraft und Magie. Insofern war der Stoff sofort emanzipatorisch, ohne dass Miss Sophie dieses Wort in den Mund nehmen würde.

Sie haben die Geschichte in ein kriminalistisches Gewand gepackt: Ein Mord, fünf Bewerber, ein Butler, eine heimliche Liebe. Was reizt Sie an dieser Mischung aus Krimi, Komödie und Romanze?
Erstmal gar nichts, weil so ein Genremix schwer zu erzählen und später auch schwer zu vermarkten ist. Aber irgendwann war die Idee mit dem Mord einfach da und wollte nicht mehr gehen. Stellen Sie sich das wie ein ungeplantes Kind vor. Jahre später sitzt das Kind gut gelaunt am Frühstückstisch, und die Eltern wissen: „Das hat uns noch gefehlt.“

Alicia von Rittberg und Kostja Ullmann übernehmen die Hauptrollen. Wie haben Sie das Casting erlebt, und was macht die Chemie zwischen den beiden aus?
Dieses Casting war sicherlich das intensivste und größte Casting, das ich jemals losgetreten habe. Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch mal ganz herzlich für mehr als hundert eingeschickte E-Castings bedanken. Ganz grundsätzlich schenken uns die SchauspielerInnen bei diesen Castings viel Vertrauen. Danke und danke! Kostja war eigentlich von Anfang an ein heißer Kandidat als James. Gerade was RomCom anbelangt, gibt es wenige, die ihm das Wasser reichen können. Alicia ist ein großer Glücksfall für dieses Projekt, aber auch für mich als Autor: Genau so habe ich mir unsere Miss Sophie vorgestellt. Dass die beiden dann auch als Paar so überragend funktionieren würden, kann ich mir nur mit der Magie erklären, die über diesem ganzen Projekt schwebt.

Mit Moritz Bleibtreu, Frederick Lau, Christoph Schechinger und Jacob Matschenz ist das Ensemble hochkarätig besetzt. Wie haben Sie diesen Mix aus Comedy-Timing und britischem Tonfall hinbekommen?
Naja, das geht ja noch endlos weiter: Wotan Wilke Möhring, Ulrich Noethen, Denis Moschitto, Tom Beck, Michael Kessler, Britta Hammelstein, Max von Pufendorf, Alexander Schubert, Barbara Meier. Wir haben ausschließlich jede Rolle gecastet und ohne irgendwelche Kompromisse mit unseren Traumpartnern besetzt. Die Devise war von Anfang an klar: Unser Star ist unser Ensemble. Die von Ihnen angesprochene Mischung ist für mich vor allem eine Mischung aus absolut glaubhaften Schauspielausnahmekönnern auf der einen Seite und Comedy-Spezialisten auf der anderen Seite. Daraus ein homogenes Ensemble zu formen, ist grundsätzlich auch immer eine große Herausforderung für die Regie. Danke, Markus und Daniel!

Die Serie spielt im frühen 20. Jahrhundert – aber wirkt in ihrer Ironie und Modernität sehr heutig. Wie wichtig war Ihnen, dass sich das Publikum von heute darin wiederfindet?
Vielen Dank für das schöne Lob! Mir ging es darum, die DNA des Sketches zu finden, um mit dieser DNA ein Stück entstehen zu lassen, das heute auch unabhängig vom Sketch seine Berechtigung hat. Da haben ein paar postkulturelle Verweise geholfen, aber vor allem natürlich unser großartiger Cast und unsere Regie. Isabel von Forster hat ein unglaublich tolles Szenenbild entworfen – bildgewaltig, farbenfroh und dennoch stilvoll. René Richter hat das toll fotografiert. Im Endeffekt steckt da halt auch ganz viel Leidenschaft und Detailarbeit drin.

«Dinner for One» ist in Deutschland Kult – aber international kaum bekannt. Wie stark wollten Sie sich auf den deutschen Humor beziehen und wo haben Sie bewusst neue Töne gesetzt?
Wir haben die Serie zusammen mit Amazon für den deutschsprachigen Raum entwickelt. Ich kann jetzt aber nicht wirklich behaupten, dass wir uns auf deutschen Humor beziehen. Ehrlich gesagt wüsste ich auch gar nicht, wo ich da suchen sollte. Der Humor ergibt sich eigentlich recht organisch aus den Figuren, und die sind – abgesehen von Admiral von Schneider – nicht deutsch.

Warum hat gerade Amazon bei der Serie zugeschlagen und nicht etwa der Norddeutsche Rundfunk?
Ich denke, das hat viel mit Petra Hengge zu tun. Sie ist zuständig für die deutsche Fiktion bei Prime Video und unter anderem für den Welterfolg von «Maxton Hall» verantwortlich. Petra und ich haben schon oft, gut und erfolgreich zusammengearbeitet. Gerade bei diesem Projekt war ich in der Verkaufsphase auf eine große Menge Vorstellungskraft und Anschub-Vertrauen angewiesen. Petra und auch Philip Pratt haben mir dieses Vertrauen entgegengebracht. Ich drücke uns allen die Daumen, dass dieses Vertrauen berechtigt war und wir Erfolg haben.

Sie sind nicht nur Produzent, sondern auch Co-Autor. Wie sehr steckt Ihr eigener Humor in «Miss Sophie – Same Procedure As Every Year»?
Auch hier muss ich nochmal auf Petra verweisen, die mir, was Humor anbelangt, sehr viel Raum lässt und mit mir zusammen extrem hart an der richtigen Mischung aus Drama und Humor gearbeitet hat. Was meinen Humor anbelangt, bin ich bei «Miss Sophie» voll auf meine Kosten gekommen. Ich konnte mich schon als Kind totlachen über Männer, die mehr behaupten, als sie wirklich können, Männer, die einen geradezu tragischen Druck verspüren, den Druck, stark zu sein, der Beste zu sein. Dieser Druck führt Männer in den Sumpf, aufs Glatteis, in den Treibsand, und da wartet dann die Comedy.

Wenn Sie an den Satz „The same procedure as every year“ denken. Könnte die Serie ebenso Kultstatus bekommen?
Naja, so ein bisschen zum Träumen bringt mich ihre Frage schon. Natürlich fände ich es toll, wenn unsere Serie irgendwann mal zum deutschen Silvesterritual gehören würde, aber… nö, kein Aber, man wird ja wohl noch träumen dürfen.

Hoffen wir das Beste!

«Miss Sophie» ist seit 22. Dezember bei Amazon Prime Video zum Abruf bereit.
22.12.2025 12:41 Uhr Kurz-URL: qmde.de/167396
Fabian Riedner

super
schade


Artikel teilen


Tags

Dinner for One Maxton Hall Miss Sophie

◄   zurück zur Startseite   ◄
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Qtalk-Forum » zur Desktop-Version

Impressum  |  Datenschutz und Nutzungshinweis  |  Cookie-Einstellungen  |  Newsletter