Anja Kling spricht im Interview über emotionale Loyalitätskonflikte, die Wucht familiärer Erwartungen – und warum gerade das Fest der Liebe der perfekte Moment für ein Drama ist.
Frau Kling, «Dahlmanns letzte Bescherung» ist kein klassischer Weihnachtsfilm, sondern ein waschechter Familienkrimi. Was hat Sie an dieser Geschichte gereizt?
Zunächst hat mich das wirklich starke Drehbuch von Magnus Vattrodt überzeugt. Dann kam ein Ensemble, bestehend aus durchweg großartigen Schauspielern, dazu und Isabel Braak als junge, feinfühlige und in jeder Hinsicht hervorragende Regisseurin, hat dem ganzen dann noch die Krone aufgesetzt. Die Geschichte spielt durchgängig in einem niederösterreichischen Jagdschloss, so eine Art Murder-Mystery-Kammerspiel und bedient sich verschiedener Genres. Ein bisschen Thriller, ein bisschen Horror und ein bisschen Komödie ist es auch. Alles hat mich also gereizt und ich bin sehr froh, Teil dieses Films zu sein.
Ihre Figur Therese steht zwischen Loyalität, Enttäuschung und Wut – wie sind Sie an diesen emotional vielschichtigen Charakter herangegangen?
Ich habe versucht, Therese nicht einfach als wütend oder enttäuscht darzustellen, sondern zu verstehen, wo das herkommt. Wie fühlt es sich an, wenn man in der eigenen Familie das Gefühl hat, immer ein bisschen weniger wichtig zu sein und doch eigentlich nur gesehen und geliebt werden will? Im Grunde trägt Therese das kindliche Bedürfnis nach Anerkennung und Liebe in sich, das nie gestillt wurde und gleichzeitig kämpft sie um Abgrenzung und Autonomie. Ich fand es spannend, diese Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit zu zeigen, das hat Therese für mich sehr menschlich gemacht.
Die Familie Dahlmann versammelt sich zum Fest, doch statt Frieden gibt’s Verdächtigungen. Warum eignet sich gerade Weihnachten so gut für ein Drama über familiäre Spannungen?
Weihnachten - das Fest der Liebe, der Harmonie, des Zusammenhalts. So wünschen wir uns das alle in unseren Familien. Aber diese Erwartung legt dann oft den Finger auf das, was eben eventuell
Nicht stimmt. Wenn dann alte Verletzungen oder unausgesprochene Konflikte da sind, kommen sie in so einer aufgeladenen Stimmung und in dem eigentlichen Wunsch nach Harmonie, noch viel stärker hoch. Ich finde, das macht Weihnachten zu einem perfekten Schauplatz für ein Drama.
Sie spielen an der Seite von Heino Ferch, Jürgen Vogel und Ulrike C. Tscharre – wie war die Zusammenarbeit in diesem Ensemble, das ja fast wie eine filmische Großfamilie wirkt?
Wir waren eine unfassbar tolle Truppe, wir alle zusammen-ohne Ausnahme. Dazu hat sicher auch unsere ungewöhnliche Wohnsituation beigetragen. Ganz nah an unserem Motiv gab es ein Hotel, dass zu dieser Jahreszeit eigentlich nicht geöffnet hat. Dort waren wir alle untergebracht, aber es gab weder ein Restaurant oder sonst irgendwelchen Service. Auch im Umkreis war nichts für uns fußläufig erreichbar. Deshalb hat die Produktion in einer Art gemeinsamen Aufenthaltsraum einen großen Kühlschrank für uns mit allem was man braucht gefüllt. Es gab eine Mikrowelle, leckere, gekühlte Getränke, Salate und Suppen etc. So saßen wir Abend für Abend bei Kerzenschein beieinander, haben tolle Gespräche geführt, miteinander diskutiert und viel gelacht. Morgens haben wir in diesem Raum dann manchmal zusammen Sport gemacht, bevor wir ans Set gegangen sind. Das hatte was von einer Klassenfahrt und hat uns als Film-Familie extrem zusammengeschweißt. Ich habe diese Zeit geliebt.
Der Film ist sowohl Krimi als auch Familiendrama – und hat dazu noch eine festliche Kulisse. Wie gelingt es, zwischen Spannung, Gefühl und Weihnachtsstimmung die richtige Balance zu finden?
Ich glaube, die Balance entsteht, wenn man nicht versucht, alles gleichzeitig zu bedienen. Wenn man in den Emotionen ehrlich bleibt, kommt die Spannung von selbst. Und die Weihnachtsstimmung ist dann der schöne, manchmal trügerische Rahmen drumherum.
«Dahlmanns letzte Bescherung» spielt fast komplett in einer eingeschlossenen Villa – war dieses Kammerspielhafte eine besondere Herausforderung am Set?
Natürlich ist das Kammerspielhafte eine besondere Herausforderung, einfach weil man ständig in denselben Räumen ist. Da gibt es kein Entkommen, weder für die Figuren noch für uns Schauspieler oder das Team. Das kann anstrengend sein, aber es schafft auch eine unglaubliche Intensität. Um so schöner war es, dass wir uns alle so sehr mochten und uns keine persönlichen Spannungen im Weg standen.
Sie selbst haben einmal gesagt, dass Weihnachten für Sie vor allem gemeinsames Beisammensein bedeutet. Wie unterscheiden sich Ihre eigenen Feiertage von denen der Dahlmanns?
Auch wir haben in unserer Familie schon das ein oder andere Weihnachtsfest erlebt, an dem die so sehr erhoffte Harmonie in Diskussion und Streitigkeit kippte. Aber wir haben immer einen Weg heraus gefunden. Am Ende bleiben wir eine sich sehr liebende Familie, die stets versucht, allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir genießen einfach unsere gemeinsame Zeit, essen und reden viel und ersparen uns Verdächtigungen und Anschuldigungen, indem wir niemandem ein Messer in den Rücken stecken.
(lacht)
Was hat Sie an der Regiearbeit von Isabel Braak besonders beeindruckt? Sie gilt ja als jemand, die starken Frauenfiguren viel Raum gibt.
Isabel hat mich in vielerlei Hinsicht zutiefst beeindruckt. Sie weiß sehr genau, was sie will, bleibt trotz Zeitdruck immer in ihrer Ruhe und Kraft und nimmt sich genügend Zeit, mit jedem einzelnen Schauspieler Haltung und Charakter intensiv zu erarbeiten. Ihre Vorstellungen von einzelnen Szenen und dem Gesamtwerk waren wohl durchdacht und gaben mir die Sicherheit, mich fallen lassen zu können, ihr voll und ganz zu vertrauen. Dazu ist sie auch noch ein super sympathischer, kluger und fröhlicher Mensch, ein absoluter Teamplayer. Ich habe die Zusammenarbeit mit Isabel sehr genossen.
Und ganz zum Schluss: Wenn Sie die Wahl hätten – lieber ein harmonisches oder ein dramatisch-festliches Weihnachtsfest wie bei den Dahlmanns?
Seit September drehe ich wieder in Österreich und wieder für das ZDF. «Downgrade» ist der Arbeitstitel der 6-teiligen Serie mit Ulrich Tukur, Moritz Bleibtreu, Julia Willecke u.v.a. Wenn ich dann Weihnachten endlich wieder zu Hause bin und meine Familie bei mir habe, wünsche ich mir ausschließlich Harmonie, Ruhe und Frohsinn. Ich hoffe sehr, dass das gelingt.
Danke für Ihre Zeit!
«Dahlmanns letzte Bescherung» ist am Montag, den 22. Dezember, im ZDF zu sehen. Der Film kann bereits seit 15. November gestreamt werden.
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