Stefan Raab – Wie ein Titan des Fernsehens sein eigenes Denkmal zertrümmert

Einst Inbegriff kreativer TV-Macht, stolpert Stefan Raab 2025 durch ein Comeback, das schmerzlich offenlegt, wie weit Anspruch und Wirkung inzwischen auseinanderliegen.

Es gibt zahlreiche Auszeichnungen im weltweiten Mediengeschäft. Jan Böhmermann wurde vor drei Jahren zum „Playboy Mann des Jahres“ gekürt, Donald Trump erhielt Anfang Dezember den ersten FIFA-Friedenspreis, und Thomas Gottschalk wurde vor vier Jahrzehnten sogar als Pfeifenraucher des Jahres ausgezeichnet. Eine Persönlichkeit hingegen, die schon lange keine Trophäen mehr gesehen hat, ist der gelernte Metzgermeister Stefan Raab. Dabei ist sein Weg gut dokumentiert: Sein Einstieg bei VIVA mit «Vivasion» im Jahr 1993 wirkt heute wie eine Blaupause vieler späterer Arbeiten. Und obwohl Raab angeblich nicht auf das Feuilleton hört – wie sein Ex-Chef Daniel Rosemann einst bei einem Medienmagazin mit vier Buchstaben ausplauderte –, hätte er spätestens 2025 wieder Chancen auf den Titel „Medienpersönlichkeit des Jahres“. Wenn auch aus anderen Gründen.

Die frühen Episoden von «TV total» waren nicht nur Quotenhits, sondern kulturelle Ereignisse. Dienstags wurde bundesweit diskutiert, welche Fundstücke Stefan Raab aus seiner 60-minütigen Wundertüte gezogen hatte. Frech montierte Fernsehschnipsel, drei Studiogäste, Straßenaktionen wie das Raabigramm oder «Raab in Gefahr» – alles mit einem Timing, das selbst heute noch auf YouTube beeindruckt. Diese alten Folgen zeigen, wie frisch, wie mutig und wie präzise Raab einst gearbeitet hat.

Dann kam die Expansion: vier Sendungen pro Woche, dazu das Fiasko der «TV total»-Programmzeitschrift. Parallel blieb Raab der Musik treu – erst in der Show, später beim «Eurovision Song Contest». Es folgten Event-Marken wie die «WOK WM» und natürlich die legendäre Samstagabend-Waffe «Schlag den Raab». Doch spätestens der öffentlich ausgetragene Schlagabtausch mit dem Böhmermann-Team („Blamieren oder Kassieren“) zeigte erste Risse in der Fassade. Als Raab Anfang 2015 nach einer fulminanten New-York-Woche im Januar seinen Ruhestand im Herbst verkündete, wirkte das wie der einzig richtige Schritt. Und es wäre vermutlich besser gewesen, es dabei zu belassen.

Denn statt eines „Endes mit Schrecken“ liefert Raab bei RTL derzeit ein „Schrecken ohne Ende“. Hinter den Kulissen soll sein Engagement nicht – wie kommuniziert – 90 Millionen Euro kosten, sondern weit über 200 Millionen. Gleichzeitig kämpft Unterhaltungschefin Inka Leschek mit einem Programm, das an vielen Stellen wackelt. Noch vor Jahren hätte es einen fast dreistündigen Boxkampf zwischen Raab und Regina Halmich beim Kölner Sender gegeben. Immerhin hat Raab Entertainment vor dem Kampf eine Zusammenschnitt von Raabs Höhepunkten produziert, den man eines Tages mit wenigen Schnitten auch bei Raabs Ableben senden kann.

Hinzu kommt: Die Zuschauer durchschauten die Schwäche sofort. «Du gewinnst hier nicht die Million» war eine entkernte Variante von «Schlag den Raab». Viele Witze wirkten wie aus alten «TV total»-Restbeständen. Und mit der neuen «Stefan Raab Show» fährt er mittlerweile Quoten ein, die RTL nicht ansatzweise akzeptieren kann. Fast alle Mario-Barth-Wiederholungen liefen stärker. Trotzdem hält der Sender das Projekt künstlich am Leben – vielleicht aus Trotz, vielleicht aus Ratlosigkeit.

Das wirklich Bittere ist jedoch, dass Raab sein eigenes Vermächtnis beschädigt. Die Qualität seiner Sendungen wirkt stehengeblieben, Raab selbst erinnert inzwischen eher an einen älteren Onkel, der seinen Enkeln Minion-Emojis per WhatsApp schickt. Die einst gefürchtete Schlagfertigkeit ist verflogen, übrig bleiben One-Liner, die bei keiner anderen Show durchkommen würden. Selbst das rot-grüne «Reschke Fernsehen» holt zu später Stunde bessere Werte.

Dabei gäbe es Auswege. Raab müsste nicht permanent gegen «TV total» antreten – eine ironische Selbstblockade, die ProSieben nutzt, RTL aber schadet. Warum nicht das Modell «Nuhr im Ersten» als Vorbild nehmen? Warum nicht den späten Freitagabend vom ZDF ins Visier nehmen, wo «heute show» und «ZDF Magazin Royale» das Feld dominieren? Vielleicht liegt die Antwort in Raabs eigener Vergangenheit: Schon 2015 sendete er «TV total» nicht in HD, weil eine bessere Qualität mehr gekostet hätte – und weniger Gewinn bedeutet. Raab war immer ein Pragmatiker. Heute wirkt er wie jemand, der lieber eine hohe Marge hält, als ein sauberes, würdiges Spätwerk zu schaffen.

Statt mit Band im Studio zu stehen, fährt Raab in seiner RTL-Show lieber allein zu Burger King. Das ist nicht ironisch, nicht charmant, sondern ein Sinnbild der kreativen Entleerung. Und so rutscht Stefan Raab – einst der innovativste Kopf des deutschen Fernsehens – immer deutlicher in jene Gruppe großer Namen der 90er, die den richtigen Moment zum Abtreten verpasst haben. Neben Gottschalk und Harald Schmidt steht nun auch der frühere Metzgermeister: ein Titan von einst, der heute Gefahr läuft, das eigene Denkmal mit dem Vorschlaghammer selbst zu zertrümmern.

«Die Stefan Raab Show» ist mittwochs bei RTL zu sehen. Gegen Entgeld kann die Serie auch zeitversetzt bei RTL+ gesehen werden.
17.12.2025 12:24 Uhr Kurz-URL: qmde.de/167297
Fabian Riedner

super
schade


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