Das Quotengericht mit einer programmstrategische Analyse mit Blick auf Quoten, Zielgruppen und Marktmechaniken.
«TV total» bleibt für ProSieben am Dienstagabend ein Stabilitätsanker – aber die Frage, was danach laufen soll, ist nach wie vor nicht nachhaltig beantwortet. Ein Blick auf die AGF-Zahlen der vergangenen zwei Jahre zeigt: Der Slot nach 21.15 Uhr ist ein Sorgenkind, aber
«Experte für alles» sticht im direkten Vergleich der Nachbarformate inzwischen klar heraus. Zunächst der Fixpunkt: «TV total» bringt im Schnitt rund 1,13 Millionen Zuschauer und etwa 4,6 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum. In der klassischen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen sind es im Mittel 0,61 Millionen bei gut 12 Prozent Marktanteil. Damit ist die Show zwar längst kein Blockbuster mehr, aber immer noch eine der wenigen konstant zweistelligen Marken im ProSieben-Portfolio.
Die Probleme beginnen direkt danach. Bis Ende 2023 versuchte ProSieben «Zervakis & Opdenhövel. Live.» als Info-Anker zu etablieren. Im Schnitt kam das Magazin nach «TV total» aber nur auf schlechte Werte. In Relation zu «TV total» blieb weniger als 40 Prozent des Publikums dran – ein deutliches Signal, dass der Bruch vom Late-Night-Humor zur informationslastigen Sendung für viele zu hart war.
Im Winter 2023/24 folgten diverse Show-Experimente: Best-ofs von «Duell um die Welt» oder «Schlag den Star» und personalisierte «Joko & Klaas gegen ProSieben»-Zusammenschnitte. Die nackten Zahlen lesen sich ernüchternd: Gesamtmarktanteile zwischen zwei und knapp drei Prozent, in der Zielgruppe meist zwischen vier und neun Prozent. Vor allem die Reichweiten brachen teils drastisch ein – auf 0,27 bis 0,45 Millionen Zuschauer – und lagen damit deutlich unter der Marke, die «TV total» um 20.15 Uhr vorlegt. Inhaltlich mögen die Marken stark sein, als unmittelbare Anschlussware zur Late Night funktionieren die Wiederholungsstrecken aber nur bedingt.
Ein erster Hoffnungsschimmer war im Frühjahr 2024
«Rent a Comedian». Die vier ausgewerteten Folgen holten im Schnitt knapp 0,60 Millionen Zuschauer und 2,5 Prozent Marktanteil, bei den 14- bis 49-Jährigen etwa 0,36 Millionen und gut 6,5 Prozent. Damit blieb rund die Hälfte des «TV total»-Publikums dran – ein ordentlicher, aber kein überragender Wert. Deutlich dynamischer startete
«Bratwurst & Baklava – Die Show». Über zwölf Folgen hinweg kam das Format nach «TV total» auf durchschnittlich 0,63 Millionen Zuschauer und knapp drei Prozent Marktanteil, in der Zielgruppe waren es etwa 0,35 Millionen und fast acht Prozent. Hier blieben im Schnitt rund 55 Prozent der jungen Zuschauer im Programm – ein merklicher Fortschritt gegenüber den Magazin- und Best-of-Phasen.
Der lange Lauf von
«Die Quatsch Comedy Show» ab Frühjahr 2024 zeigte dagegen, wie schwierig der Slot bleibt. 24 Einsätze hinter «TV total» brachten im Schnitt nur 0,55 Millionen Zuschauer und 2,5 Prozent Gesamtmarktanteil. In der Zielgruppe standen etwa 0,30 Millionen und rund 6,5 Prozent zu Buche. Damit verlor ProSieben im Schnitt die Hälfte der jungen «TV total»-Fans noch vor 21.30 Uhr. Einzelne Ausreißer nach oben gab es, insgesamt aber blieb «Quatsch» klar unter dem Potenzial, das der Vorlauf eigentlich eröffnet.
Mit dem Wechsel von «TV total» auf den Dienstag rückte ProSieben im Frühjahr 2025 noch einmal das Factual-Comedy-Format
«Fake News – Alles erstunken und erlogen» ins Scharnier. Über neun ausgestrahlte Folgen hinweg kam die Sendung auf im Schnitt rund 0,56 Millionen Zuschauer sowie 2,5 Prozent Marktanteil insgesamt. In der Zielgruppe holte «Fake News» rund 0,31 Millionen 14- bis 49-Jährige und knapp sieben Prozent, was ungefähr der Hälfte der «TV total»-Power entspricht. Stabil, aber kein Befreiungsschlag.
Erst mit
«Experte für alles» deutet sich ein echter passender Partner für «TV total» an. Seit April 2025 läuft die Show regelmäßig im Anschluss und kommt in der Bilanz der 19 bisherigen Einsätze auf durchschnittlich knapp 0,50 Millionen Zuschauer und rund 2,5 Prozent Marktanteil insgesamt. Entscheidend ist aber der Blick in die Zielgruppe: Im Mittel erreicht «Experte für alles» etwa 0,32 Millionen 14- bis 49-Jährige und gut 8,5 Prozent Marktanteil. Damit bleiben im Schnitt über 60 Prozent des jungen «TV total»-Publikums im Programm – ein deutlich besserer Wert als bei allen anderen getesteten Formaten. Zugleich positioniert sich die Mischung aus Studio-Comedy und Service-Themen auch in der Außenwahrnehmung erfolgreich, so taucht «Experte für alles» etwa in der Kategorie Beste Comedy/Late Night beim Deutschen Fernsehpreis 2025 auf.
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Noch einen Tick stärker, allerdings auf sehr kleiner Datenbasis, wirkt der «TV total Stand-up Club». Die drei ausgewerteten Folgen kommen im Schnitt auf rund 0,67 Millionen Zuschauer und gut 3,4 Prozent Marktanteil. In der Zielgruppe stehen etwa 0,32 Millionen und knapp neun Prozent zu Buche, die Retention liegt also ähnlich hoch wie bei «Experte für alles». Inhaltlich dockt das Format logisch an den Raab-Kosmos an und wirkt wie eine organische Verlängerung des «TV total»-Universums – genau das, was sich viele Zuschauer offenbar wünschen.
Was lässt sich daraus ableiten? Wer reine Masse sucht, findet sie nach 21.15 Uhr aktuell nirgends. Kein Format schafft es, auch nur annähernd an die 1,1-Millionen-Marke des Lead-ins heranzukommen. In der werberelevanten Zielgruppe allerdings kristallisiert sich ein Bild heraus: Comedy- und Personality-Formate, die tonal und inhaltlich nah an «TV total» bleiben, halten das Publikum am besten. «Experte für alles» und der «TV total Stand-up Club» sind hier klar vorne, «Bratwurst & Baklava» liegt im zweiten Feld, während Magazinversuche, Best-ofs und klassische Comedys wie «Die Quatsch Comedy Show» deutlich schwächer performen.
Für ProSieben bedeutet das: Die Antwort auf die Frage „Was soll nach «TV total» laufen?“ liegt weniger in ständig neuen Experimenten, sondern in einer konsequenten Markenfamilie. Eine feste Doppelstunde mit «TV total» und «Experte für alles», flankiert von gelegentlichen «TV total»-Spin-offs wie dem Stand-up-Club, dürfte aus Quotensicht derzeit das geringste Risiko und die beste Chance bieten, die ohnehin knappe Comedy-Fangemeinde auch nach 21.15 Uhr im Programm zu halten. Dafür hat sich auch ProSieben entschieden und sendet ab Januar acht neue Folgen.
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