Josimelonie: ‘Ich habe Hoffnung!‘

In «Against All Gods – Göttlich gute Freunde» begegnet Josimelonie Menschen, deren Glaubenswelten kaum unterschiedlicher sein könnten – vom Osterreiten bis zum Koranunterricht, vom Henna-Abend bis zum Schweigeretreat. Die Atheistin und Transfrau spricht offen über Verletzlichkeit, Vorurteile, Nähe – und darüber, warum sie trotz aller Spannungen mit mehr Zuversicht aus diesem Projekt herausgeht.

Josimelonie, Sie haben in der ursprünglichen «37°Leben»-Reihe mit ganz unterschiedlichen Menschen unter einem Dach gelebt. Was hat Sie dazu bewegt, jetzt noch einmal auf diese WG und die damaligen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner zurückzublicken?
Die Teilnehme bei «Against All Gods» hat mich emotional sehr bewegt und dieses Projekt ist mir sehr ans Herz gewachsen. Nicht nur die Diskussionen rund ums Thema Religion, sondern der Moment, wo man merkt, dass Wertevorstellungen auseinandergehen mit Menschen, die einem in kurzer Zeit viel Bedeuten. Ich war einfach interessiert, wie sich Religion lebt - nicht nur, wenn man drüber spricht, sondern insbesondere, wenn man sie erlebt. Die Frage an mich selbst: wie viel weiß ich eigentlich über das Thema und wo liegen eigene Vorurteile.

Die neue Reihe führt Sie in fünf verschiedene Glaubenswelten – vom Koranunterricht bis zum buddhistischen Schweigeretreat. Gab es einen Moment, der Sie besonders emotional berührt oder überrascht hat?
Besonders emotional für mich war mein Gespräch mit Sagita bei ihrem hinduistischen Henna-Abend kurz vor ihrer Hochzeit. Wir hatten in der Glaubens-WG einen sehr schweren Moment, wo sie das T-Wort (Diskriminierendes Wort für Trans-Menschen) benutzt hat. Und im Laufe der Woche habe ich gespürt, dass sie ein reines Herz hat und selbst sehr mit der Aussage rund um Geschlechteridentitäten mit ihrer Religion hadert. So haben wir über Selbstbestimmung gesprochen und auch sie hat mich gefragt, wie es bei mir und der Liebe aussieht. Das Thema ist sehr schwer für mich und trotz des lauten Raumes habe ich die Lautstärke vergessen und wir sind sehr emotional abgetaucht.

Sie selbst bezeichnen sich als Atheistin. Wie schwer oder leicht war es für Sie, sich auf spirituelle oder religiöse Rituale einzulassen, die Ihnen eigentlich fernstehen?
Am Anfang meiner Erfahrungen mit dem anderen Gläubigen war es für mich schwer, weil ich kein Verständnis für den Glauben und insbesondere die Rollenbilder in dem Glauben und der Religion aufbringen konnte. Aber ich musste mir auch eingestehen, dass ich einiges über Religion lernen kann. Ich bin und werde zwar nicht gläubig, aber bspw. der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl von Religion haben mich zum Teil sehr berührt.

Machen Sie einen Unterschied zwischen Gläubigen und Astro-Fans?
Nein, weil es am Ende beides etwas ist, dass man nicht beweisen kann. Religionen sind gesellschaftlich akzeptiert und folgt klaren Regeln und Vorgaben. Astro-Fans folgen am Ende dem gleichen: der Hoffnung, dass es mehr auf dieser Welt gibt und unser jetzt nicht alles ist und von etwas Himmlischen beeinflusst ist. Ich denke nur bei Astro ist das Geschäft noch gefährlicher, weil mit dem Wunsch der Menschen gespielt wird, durch welches viel Marketing betrieben wird und sich jeder Hobby-Astrologe in die Kommunikation mit Menschen begeben kann und ein Geschäft machen kann. Da ist Religion doch etwas gesitteter.

In Ihrer Begegnung mit Gloria beim Osterreiten oder beim Pessachfest mit Lars schwingt oft auch Humor mit. Wie wichtig ist Leichtigkeit, wenn man über so ernste Themen wie Glauben und Identität spricht?
Ich denke es ist sehr wichtig, weil wir am Ende alle die Wahrheit nicht kennen. Humor ist etwas, was uns schwere Themen einfach zugänglich macht. Dabei sollte Humor niemals missbraucht werden um Menschen zu verletzten, sondern man sollte immer darauf achten, dass man hierbei respektvoll bleibt.

Als Transfrau und Atheistin treffen Sie in der Reihe auf Menschen mit sehr traditionellen Weltbildern. Gab es Situationen, in denen Sie sich verletzlich oder unwohl gefühlt haben?
Ja, bspw. gab es bei «Göttlich gute Freunde» ein Gespräch mit einem Imam nachdem Koranunterricht, bei welchem sehr deutlich klar wurde, dass Menschen außerhalb der Normvorstellung von Sexualität und Identität, also queere Menschen, nicht als normal mitbedacht werden, sondern als „Sünde“ (Wortlaut des Imam) angesehen werden. Das hat weh getan.

Der Titel «Göttlich gute Freunde» spielt auf das Spannungsverhältnis zwischen Nähe und Differenz an. Was bedeutet für Sie Freundschaft über Glaubensgrenzen hinweg?
Differenz tut weh, wenn wir den Menschen nah sind. Und es tut weh sich diesen Differenzen zu stellen. Und gleichzeitig bereichert es unsere Gesellschaft. Es hat gedauert, bis ich die anderen Teilnehmende des Formats so an mich ranlassen konnte, mit ihnen Situationen aus meinem Leben teilen wollte und wir auf eine tiefere Ebene sind. So haben wir viel ausgehalten und gemerkt: puh. Hier kommen wir auf keinen Nenner. Und gleichzeitig die Frage. Müssen wir immer einer Meinung sein?

In den drei Folgen geht es nicht nur um Religion, sondern auch um Toleranz und Zugehörigkeit. Welche Erkenntnis haben Sie persönlich aus diesen Begegnungen mitgenommen?
Ich persönlich habe mitgenommen, dass vielseitige Erfahrungen und Lebensweisen super spannend und bereichernd für eine Freundschaft und das eigene Leben sein können. Ich habe neue Blickwinkel aufs Leben festgestellt und gelernt, dass der Glaube für viele Menschen etwas Schönes ist und nicht negativ empfunden wird. Ich habe auch gelernt, dass die Rituale helfen und sich nicht einschränkend anfühlen. Ich denke wir sollten alle viel offener sein und lernen, dass die Vielseitig so wichtig ist und sehr bereichernd ist.

Sie sprechen sehr offen über Ihre Identität und Ihren Weg. Wie reagieren religiöse Menschen in Ihrem Umfeld heute auf Sie – hat sich da über die Jahre etwas verändert?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich viele queere religiöse Menschen an mich gewendet haben und sich für meinen Einsatz bedankt haben. Sie haben mir von Diskriminierung in der Religion berichtet und das sie gerne Glauben, aber die Institution dahinter nicht vertreten, sondern Religion modern leben und ihr queres Leben anerkennen. Ich habe auch von vielen Strömungen der Religionen erfahren, wie der queere Gottesdienst in Köln, welchen ich selbst besucht habe. Dieser war total berührend. Ich denke es gibt viele Menschen, die nicht der Ansicht der Religion in jedem Punkt teilen, aber sich nicht immer trauen gegen ihre Religion zu sprechen. Ich habe Hoffnung!

«Against All Gods» zeigt, dass Dialog auch in einer polarisierten Gesellschaft möglich ist. Was wünschen Sie sich, dass Zuschauerinnen und Zuschauer aus dieser Reihe mitnehmen?
Ich wünsche mir, dass die Menschen lernen, dass wir trotz aller Unterschiede ein gemeinsames Miteinander lernen können. Das wir uns in Meinungen und Ansichten unterscheiden, aber dennoch mit Respekt begegnen können. Das wir unsere Gefühle teilen dürfen und nur so zu einem gemeinsamen Nenner finden können.

Wenn Sie selbst eine spirituelle oder philosophische Lehre für Ihr Leben formulieren müssten – wie würde sie lauten.
Jeder Mensch sollte gleichbehandelt werden. Diskriminierung und Rassismus dürfen hiervon kein Teil sein.

«Against All Gods – Göttlich gute Freunde» startet am 12. Dezember in der ZDFmediathek. Die lineare Ausstrahlung erfolgt am 14., 21. und 28. Dezember jeweils um 09.03 Uhr.
09.12.2025 12:10 Uhr Kurz-URL: qmde.de/166939
Fabian Riedner

super
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37°Leben Against All Gods Göttlich gute Freunde

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