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Die Kritiker: «Das Jugendgericht»

Story:
Bademeister Sven Reimer entdeckt bei seinem morgendlichen Rundgang durchs Freibad eine schwerverletzte Person auf dem Fünf-Meter-Turm – die 17-jährige Mara Lerch. Die Ermittler Lorenz und Breuer werden umgehend an den Tatort gerufen. Die 17-jährige lag halbnackt auf dem Sprungturm, außerdem war ihr Bikini eingerissen. Schnell ergeben die Ermittlungen, dass Mara oft Streit mit ihm Freund Olli hatte. War er der Täter? Aber auch eine zweite Spur verfolgen die Ermittler: Sven Reimer gibt an, das Opfer sei von einem unheimlichen Spanner verfolgt worden: Pascal Gabler – ein etwas untersetzter Antiheld. Dieser bestreitet, Mara je angefasst zu haben, schließlich wollte er sie doch immer nur anschauen. Doch alle Versuche, die Schuld von sich zu weisen, scheitern. Staatsanwalt Posch klagt den jungen Mann an und schon sieht er sich Jugendrichterin Kirsten Erl gegenüber sitzen.

Darsteller:
Staatsanwalt: Christopher Posch
Rechtsanwältin: Alexandra Hagen
Richterin: Kirsten Erl
Sabine Brandauer ist Rechtsanwältin Eva von Bach
Manfred Nutsch ist Gerichtsmediziner Dr. Johann Gräter
Andrea Suwa ist Hauptkommissarin Kim Diekmann
Polat Dal ist Hauptkommissar Deniz Yakin

Kritik:
Frischer Wind weht beim «Jugendgericht» ab dem 21. August. Doch wie es beim Wind nun mal so ist, wirklich frisch ist er nie, schließlich war die kühle Brise irgendwo andernorts auch schon mal zu spüren. Die Mischung aus Court- und Ermittlersendung an sich ist zwar neu, dennoch sind die beiden Bestandteile schon länger im Fernsehen zu sehen. In der ersten halben Stunde dreht sich alles um die Ermittlungen der Polizei, um das Vernehmen von Zeugen und um die Festnahme der Täter – erst dann kommt Richterin Erl ins Spiel, die den Fall wie gewohnt verhandelt.

Ab kommenden Montag wird sich die Serie wesentlich stärker um Staatsanwalt Posch drehen, der sowohl inhaltlich als auch schauspielerisch überzeugt. Ob sich die Rolle des leicht aggressiven HB-Männchens allerdings über längere Zeit durchziehen lässt, wird sich noch zeigen. Während Rechtsanwältin Hagen und Richterin Erl einen gewohnt souveränen Job machen, bleiben die neuen Ermittler eher unscheinbar. Lorenz und Breuer sind aber nur zwei von insgesamt sechs neuen Polizeibeamten, die künftig am Nachmittag ermitteln werden.

Neu beim «Jugendgericht» sind ab dem 21. August außerdem Rechtsmediziner Dr. Johann Gräter, unterstützt von zwei Kriminaltechnikern und Psychologin Dr. Sophia Wagner, was für eine gelungene Abwechslung sorgt. Für den Relaunch des Formates hat die Produktionsfirma filmpool zahlreiche neue Locations gebaut: So entstanden in diesem Jahr das Polizeipräsidium, Gefängniszellen, die Gerichtsmedizin usw.)

Technisch überzeugt der Relaunch – vorbei sind die Zeiten von „Wackel-Kamera“ und schlechter Belichtung, wie man es in den Kindertagen dieser Formate noch gewohnt war. Rein optisch muss sich das Jugendgericht also keineswegs vor Ermittlerformaten wie «K 11» oder «Niedrig & Kuhnt» verstecken. Das einzige Problem solcher Formate stellen allerdings weiterhin die Laienschauspieler dar. Auch wenn diese sich noch so viel Mühe geben, merkt der Zuschauer schon nach den ersten Sekunden, dass es eben keine Profis sind. Wer schlecht gespielte Tränenausbrüche aber ohne mit der Wimper zu zucken hinnimmt, hat sicherlich seine Freude an ihnen.

Der interessierte Zuschauer wird sich nach der Ausstrahlung auch die Frage stellen, warum es nicht möglich gewesen ist, Beleidigungen und Provokationen gänzlich aus der Gerichtsverhandlung herauszulassen. Wer einen echten Gerichtssaal von innen kennt, weiß, dass Angeklagte in der Regel alles andere als Vorlaut sind. Auch im Relaunch der Sendung darf also wieder geschimpft und geschrieen werden – ganz in der Tradition der Talkshow-Formate eben. Im ersten Teil der Sendung, dem Ermittlungsteil, bleibt der Zuschauer davon aber Gott sei Dank verschont, es sei denn, Staatsanwalt Posch fährt für kurze Zeit auf der dominanten Schiene.

Positiv anzumerken ist, dass es durchaus gelingt, mehr Spannung aufzubauen als bisher, da den Autoren andere Mittel zur Verfügung stehen als bislang im Gerichtssaal. Federführend für diese positive Wandlung ist vor allem die erste halbe Stunde des Formates, die in der Tat einen großen Schritt nach vorne macht.

Alles in allem ist das neue «Jugendgericht» ein willkommenes Programm für einen verregneten Fernsehnachmittag, aber mit Sicherheit kein „Must See TV“. Ohnehin sind die sogenannten „Fiction Light“-Formate schwer zu bewerten, weil sie logischerweise relativ kostengünstig produziert werden. Somit ist klar, dass die Produktionen gegen „echte“ Krimis ganz klar den Kürzeren ziehen. Nimmt man also die sonstigen „Fiction Light“-Programme als Maßstab, setzt sich das neue «Jugendgericht» mit «Lenßen & Partner» zusammen sicherlich an die Spitze.

Völlig verfehlt wäre es aber, zu erwarten, dass RTL nun ein deutsches «Law & Order» für den Nachmittag produziert. «Das Jugendgericht» ist ab sofort eine Mischung aus Courtshow und «Niedrig & Kuhnt» - nicht mehr und nicht weniger.

Neue Folgen des «Jugendgerichts» zeigt RTL ab Montag, 21. August, werktags um 16.00 Uhr.
18.08.2006 14:10 Uhr Kurz-URL: qmde.de/16026
Manuel Weis

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Jugendgericht

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