Der Autor von «Nord bei Nordwest» spricht im Quotenmeter-Interview über die Krimi-Reihe, die von Holger Karsten Schmidt entworfen wurde. Holle mache es Spaß, die Figuren auszubauen und den Mikrokosmos auszubauen.
„Haare? Hartmann!“ erzählt die Geschichte einer Friseurin mit dunkler Vergangenheit. Was hat Sie an dieser Idee besonders gereizt, und wie sind Sie auf die Figur Grit Hartmann gekommen?
Es bereitet mir nach wie vor großen Spaß, den von Holger Karsten Schmidt entworfenen Schwanitzer Mikrokosmos mit schräg-tragischen Figuren zu bestücken. Eine Friseurin, die einst Profikillerin war und nun nebenberuflich Verstorbenen die Haare schön macht, war da einfach eine naheliegende Wahl. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir für die Rolle Julika Jenkins gewinnen konnten. Ihre Grit Hartmann könnte man sich wunderbar bei einer Partie Canasta mit den von mir ebenso geliebten Figuren aus vorherigen Filmen von «Nord bei Nordwest», Frau Irmler (Rosa Enskat) und Frau Knutzen (Marion Kracht), vorstellen.
Im „Nolden-Haus“ verarbeiten Sie eine „Gespenstergeschichte“ über ungleiche Frauen und ihre mörderische Vergangenheit. Wie haben Sie die Balance zwischen Krimi und Mystery gefunden?
Auch die Entwicklung von „Das Nolden-Haus“ hat mir viel Freude gemacht. Der Reiz und gleichzeitig die Schwierigkeit war hier in der Tat, die genretypischen Versatzstücke einer Gespenstergeschichte in Einklang mit einem sowohl spannenden als am Ende auch plausiblen Krimi zu bringen. Ob uns dabei eine gute Balance gelungen ist, mögen die Zuschauerinnen und Zuschauer entscheiden.
Die Reihe «Nord bei Nordwest» erlaubt viele unterschiedliche Genres und Tonfälle. Wie entscheiden Sie, ob ein Stoff eher humorvoll oder düster erzählt wird?
Bereits die erste Idee trägt den Tonfall meist in sich. Eine Geschichte über eine russische Agentin, wie wir sie beispielsweise in der Folge „Natalja“ erzählen, bringt naturgemäß eine dunklere Note hervor als eine Folge, in der es um die Nöte und Sorgen eines besonderen Menschen wie dem „Andy von nebenan“ geht. Aber genau diese Bandbreite ist es, die «Nord bei Nordwest» in meinen Augen so lebendig und unberechenbar macht.
Was war für Sie die größte Herausforderung bei der Entwicklung dieser beiden neuen Filme?
Immer die nächste leere Drehbuchseite. Und bei zwei Filmen auf einmal kamen da schon eine Menge zusammen. Also, Augen auf bei der Berufswahl! Aber im Ernst: Zwei Filme mit so vielen Beteiligten auf die Beine zu stellen, ist immer herausfordernd. Da wir uns aber alle gut kennen und schätzen, ist die Arbeit an diesem Format etwas sehr Wertvolles für mich.
Sie haben inzwischen elf Filme für «Nord bei Nordwest» geschrieben. Wie schaffen Sie es, der Reihe immer wieder frische Ideen hinzuzufügen?
Das fällt mir bisher zum Glück nicht schwer. Ich kehre immer wieder gern nach Schwanitz zurück. Es ist jedes Mal ein bisschen wie nach Hause kommen.
Sie erwähnten, dass Sie beim „Gedankenspaziergang“ durch Schwanitz Ideen finden. Haben Sie dabei eine Art Ritual oder bevorzugte Inspirationsquellen?
Nein, meine Ideen entstehen am Computer genauso wie beim Fahrradfahren oder unter der sprichwörtlichen Dusche. Ich habe allerdings ein Ritual, wenn ich mal festhänge. Ich geh‘ dann ein paar Runden in dem Park gegenüber von meinem Büro spazieren. Da das durchaus ab und zu mal vorkommt, und ich nicht ausschließen kann, dass ich dabei manchmal leise vor mich hinmurmle, halten mich die Menschen dort vermutlich für ein bisschen merkwürdig. Falls das hier also einer von ihnen lesen sollte: Vor mir muss man keine Angst haben. Ich bringe zwar ab und zu Leute um, aber nur fürs Fernsehen!
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Regisseur Felix Herzogenrath und Kameramann Lars Liebold? Inwiefern beeinflussen Ihre Drehbücher die visuelle Umsetzung der Filme?
Mit Felix verbindet mich eine besondere Geschichte, da er der Regisseur meines ersten Buches für die Reihe gewesen ist. Auch mit Lars habe ich mittlerweile schon sechs Filme in ganz unterschiedlichen Konstellationen gemacht. Ihre jeweilige Bildsprache machen die beiden miteinander aus, insofern müsste die Frage eigentlich an sie gehen. Ich kann jedoch sagen, dass ich ihre filmischen Interpretationen meiner Bücher bisher ausnahmslos sehr gern mochte, und dass ein Großteil meiner liebsten Filme auf ihr Konto geht.
In „Haare? Hartmann!“ geht es um eine Friseurin mit einer düsteren Vergangenheit. Was fasziniert Sie an Figuren, die moralisch ambivalent sind?
Grit Hartmann ist eine professionelle Mörderin, insofern empfinde ich sie gar nicht als ambivalent. Interessant finde ich an ihr, dass sie in ihrer verzerrten Wahrnehmung gar nicht begreift, was sie eigentlich tut – oder es so konsequent mit dem Blick auf das für sie Wichtige und Schöne verdrängt, dass es keine Rolle mehr spielt. Da geht es ihr ähnlich wie der oben bereits erwähnten Frau Irmler, deren Leitsatz beim Töten war: „Ich muss jetzt erst einmal an mich denken.“ Das ist in meinen Augen komisch und tragisch zugleich. Und viel mehr kann ich mir für eine Figur nicht wünschen.
Die Themen Schuld und Vergangenheitsbewältigung ziehen sich durch beide Filme. Welche Bedeutung haben diese Themen für Sie in Ihrer Arbeit?
Offenbar eine große. Nach dunklen Flecken sucht man in meiner eigenen Biografie allerdings vergebens. Ich fühle ich mich bei «Nord bei Nordwest» auch nicht so sehr den Themen, sondern mehr den Figuren gegenüber verpflichtet. Universelle Krimi-Motive wie Schuld, Gier, Rache oder Eifersucht werden für mich also dann interessant, wenn ich sie mit einem Friseursalon, einer Heckenschere oder einem hilfsbereiten Riesen mit dem Gemüt eines Kindes kombinieren kann.
Was bedeutet es für Sie persönlich, so viele verschiedene Geschichten und Genres innerhalb einer einzigen Krimireihe erzählen zu können? Gibt es etwas, das Sie in der Reihe noch ausprobieren möchten?
Das bedeutet mir sehr viel und ich bin sehr dankbar für das, was mir diese Reihe, und all die Menschen, die an ihr mitwirken, ermöglicht haben. Wir haben gerade in Hamburg unser zehnjähriges Bestehen gefeiert. Von mir aus können wir uns alle gern in weiteren zehn Jahren an gleicher Stelle wiedersehen. An mir soll es nicht liegen!
Danke für Ihre Zeit!
Die neue Staffel von «Nord bei Nordwest» ist ab 2. Januar im Ersten zu sehen. Alle Filme sind bereits seit 30. Dezember 2024 in der ARD Mediathek./i>
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