In der neuen Netflix-Serie gerät ein Medienstar auf Abwege...
Netflix hat mit «The Madness» eine dieser Serien vorgelegt, die einen von der ersten Minute an fesseln und gleichzeitig mit einem leichten Kopfschütteln zurücklassen. Colman Domingo, zuletzt gefeiert für seine intensive Darstellung im Teen-Drama-Format «Euphoria», tritt hier als Muncie Daniels auf – ein Mann, der eigentlich nur, bevor bald seine große Fernsehkarriere die nächste Stufe erreicht, in die Abgeschiedenheit der Poconos fliehen will, um dort vor dem nahenden Ruhm noch einen Roman zu schreiben. Plötzlich findet er sich jedoch im Zentrum eines brutalen Mordfalls wieder.
Aber ist dieser Mord wirklich das Herzstück der Serie, oder geht es doch um etwas Größeres, Tieferes? Die Antwort, so scheint es, liegt irgendwo zwischen einem narrativen Hochseilakt und einer eher verhaltenen Kopie genretypischer Versatzstücke.
Die erste Folge beginnt standesgemäß fesselnd: Muncie, ein Politmedienstar, entschleunigt für einige Zeit sein Leben, genießt die Ruhe des Waldes. Doch als er nahezu buchstäblich über eine Leiche stolpert, wird diese Ruhe zur unerbittlichen Enge. Schon die Kameraarbeit in dieser Sequenz ist ein erstes Highlight der Serie – detailreich, fast hautnah spürbar bringt sie uns die vertrackten Emotionen der Hauptfigur nahe. Man ist mittendrin, atmet den Wald, während Muncie realisiert, dass sein bisheriges Leben nun ein anderes ist.
Und hier beginnt direkt, was man entweder als geniales Spiel mit der Wahrnehmung oder als unnötig kompliziertes Verwirrspiel beschreiben könnte – je nach Zuschauerklientel oder aktueller Tagesform. Muncie, der jahrelang die Wahrheitsverdrehungen in den Medien analysiert und bestimmt auch mitgespielt hat, sieht sich nun selbst im Fadenkreuz. Die Serie stellt dabei keine ganz unklugen Fragen: Wer erzählt die Wahrheit, wenn alle Beteiligten eigene Agenden verfolgen? Was beeinflusst, ja: was ist eigentlich unsere Realität, und was passiert, wenn diese Realität zur Lüge wird? Diese Themen sind natürlich spätestens seit Anbeginn der Fake-News-Ära hochaktuell und könnten, geschickt mit Leben gefüllt, konsequent den Nerv der Zeit treffen – viele dieser Ansätze finden auch über die erste Folge von «The Madness» hinaus großen Widerhall.
Selbstverständlich tut es dem Format ungeheuer gut, dass Colman Domingo ab der ersten Minute eine starke Performance abliefert, die schon für sich Grund genug wäre, diese Serie zu schauen. Sein Muncie ist kein Held im klassischen Sinne, sondern ein gebrochener Mann, der mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet. Doch trotz Domingos Brillanz wirkt das Format stellenweise zu gewollt tiefgründig. Der Versuch, die Hauptfigur als Symbol für unsere moderne Medienrealität zu etablieren, gerät bisweilen etwas ins Stolpern, weil die Nebenfiguren oft zu eindimensional bleiben. Nicht nur die erste Episode glänzt dabei aber durch ihre Spannung, wenn sie auch nicht wenige Momente aufweist, die deutlich zu reißerisch wirken. Nichtsdestotrotz entsteht daraus über weite Strecken ein kluger Thriller, der mit aktuellen Themen spielt, ohne dabei belehrend zu wirken.
Die Serie «The Madness» wird bei Netflix ausgestrahlt.
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