Der Weihnachtsmann ist ein fescher Jung, das muss man wirklich sagen. Von einem Bauchansatz ist wenig zu sehen, eigentlich ist er sogar ein richtiger Hingucker. Bis er geküsst wird, vergehen allerdings 90 – durchaus unterhaltsame – Minuten.
Ich habe den Weihnachtsmann geküsst
- BESETZUNG: Henriette Richter-Röhl, Leonard Lansink, Birge Schade, Marie Anne Fliegel, Sarah Alles-Shakarami, Lani Kalea Maurischat, Björn Harras, Eugen Bauder, Niklas Osterloh
- REGIE und BUCH: Alex Schmidt
- KAMERA: Timo Moritz
- MONTAGE: Tatjana Schöps, Michael Timmers
- MUSIK: Marian Lux
Ach ja, der Weihnachtsfilm. In den letzten Jahren hat sich ein regelrechter Kult um die amerikanischen Hallmark-Weihnachtsfilme entwickelt. Das klassische Szenario: Die Großstädterin kehrt in ihr Heimatkaff zurück, will eigentlich so schnell wie möglich wieder weg, trifft dann aber den netten Kerl (meist einen bodenständigen Handwerker), zunächst fliegen die Fetzen, doch am Ende siegt die Liebe. Es ist schließlich Weihnachten!
«Ich habe den Weihnachtsmann geküsst» orientiert sich durchaus an dieser inzwischen dutzendfach verfilmten Hallmark-Formel. Hier heißt die Großstädterin Laura, die wie jedes Jahr ihrer kleinen Tochter Miri zuliebe über die Feiertage zu ihrer Familie ins idyllische Bad Seefeld fährt. Dieses Bad Seefeld ist die typische deutsche Kleinstadt: nette Einfamilienhäuser, ein halbwegs funktionierendes Sozialleben und Familien, deren oberflächliches Glück so stark strahlt, dass es den Weihnachtsbaum auch ohne Kerzen zum Leuchten bringt. Daheim erwartet Laura das übliche Chaos: Ihre Mutter Vera begrüßt sie mit spitzen Kommentaren (Laura ist halt die mit dem eigenen Kopf), ihr Vater Rainer verliert sich in der Gartenbeleuchtung, und ihre ansonsten so perfekte Schwester Lizzie drückt ihr sofort ihre Zwillinge in die Arme, um sich selbst endlich mal eine Pause zu gönnen.
Doch dieses Mal kommen neue Herausforderungen hinzu: Ihr Ex-Freund Lutz taucht plötzlich auf, heimlich von ihrer Mutter eingeladen, um die beiden wieder zusammenzubringen. Außerdem hat Lizzie einen Kollegen ihres Mannes im Gepäck – angeblich ein ideales „Weihnachtsgeschenk“ für Laura. Und als wäre das nicht genug, trifft Laura Fin, einen alten Schulfreund, mit dem sie eine schwierige Vergangenheit verbindet. Der einzige Lichtblick ist Oma Sophie, die in ihrer eigenen Welt lebt, aber mit ihrer liebenswürdigen Art immer wieder für Momente der Wärme sorgt.
Nach einem Heiligabend, der minutiös nach Familientradition abläuft – ja, nach jenem Heiligabend, an dem andere Filme ihr Happy End finden – überrascht der Film mit einem unerwarteten Bruch. Laura verbringt den späten Abend mit Oma Sophie, doch der nächste Morgen bringt ein großes Chaos: Das Haus ist verwüstet, überall laufen Gänse herum, und Oma Sophie ist verschwunden. Gleichzeitig kursieren im Ort Gerüchte, Laura hätte mit ihrer Oma die Nacht in einer Bar durchgezecht – doch sie kann sich an nichts erinnern.
«Ich habe den Weihnachtsmann geküsst» ist auf eine fast schon beruhigende Weise altmodisch. Der Film verbindet die Welt der Hallmark-Weihnachtsfilme mit einem Hauch von Bridget Jones, ohne Laura dabei in die Rolle der tollpatschigen Chaotin zu drängen. Laura ist keine einfache Person, doch sie hat die Sympathien auf ihrer Seite. Sie lebt in Köln, hat ihr eigenes Geschäft, und eigentlich könnte alles gut sein – wäre da nicht ihr größtes Hindernis: sie selbst.
Was anfangs wie ein Klischee wirkt – die schwierigen Eltern, der kontrollierende Vater – wandelt sich, je mehr die Zuschauer über Laura erfahren. Anders als in den amerikanischen Vorbildern, bei denen die Protagonistinnen oft distanziert und unterkühlt wirken, ist Laura von Beginn an nahbar. Ihre Ecken und Kanten zeigen sich erst nach und nach und geben der Geschichte die nötige Tiefe, um echtes Interesse an ihrer Entwicklung zu wecken.
Natürlich steuert alles auf ein Happy End zu – es ist schließlich eine Weihnachtskomödie über sympathische Menschen in einem netten kleinen Städtchen. Hier wird niemand am Ende mit der Kettensäge aktiv. Doch «Ich habe den Weihnachtsmann geküsst» bietet durch seine unerwarteten Reibungsflächen mehr Input, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Sicher wird der Film kein Klassiker, über den noch Generationen von Weihnachtsfilmfans sprechen werden. Doch innerhalb seines eigenen Subgenres, wenn man Weihnachtskomödien als ein solches bezeichnen möchte, bietet er das, was von einem Film wie ihm erwartet wird: eine charmante Geschichte für die Weihnachtszeit mit ein wenig Irrungen und Wirrungen des Herzens. Dass die Figuren hier und da die Klischees sprengen und sogar ein bisschen Charakterfutter bieten, darf als Bonus betrachtet werden. Ansonsten hüllt die Geschichte jene, die einen Film wie diesen zur Weihnachtszeit sehen möchten, 90 Minuten in eine kuschelige Wolldecke, die nicht nur warmhält, sondern auch das Herz ein bisschen aufpolstert – wie ein Sofakissen, das endlich mal wieder in Form gebracht wird. In einer Welt, die oft so kompliziert und stressig ist wie die Bedienungsanleitung eines schwedischen Möbelstücks, liefert dieser Film eine Pause, in der man einfach durchatmen kann, mit genau der richtigen Mischung aus Herz, Humor und einer Prise Chaos, um am Ende sagen zu können: „Ach ja, Weihnachten ist doch irgendwie ganz okay.“
Am Sonntag, 8. Dezember 2024, 20.15 Uhr, ZDF.
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