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‚Ich will mit all meinen Geschichten berühren und unterhalten‘

Autor Uli Brée und Regisseur Dirk Kummer sprechen im Quotenmeter-Interview über ihren Spielfilm «Engel mit beschränkter Haftung», der am Mittwoch im Ersten läuft.

Wie kam es zur Idee, die Geschichte eines müden Schutzengels, der eine letzte Chance bekommt, zu erzählen?
Uli Brée: Die Idee kursierte schon lange in meinem Kopf herum. Ich wollte aber keinen kitschigen Weihnachtsfilm erzählen, sondern eher über einen älteren Mann, der von Beruf Engel ist und sich nach der Pension sehnt. Ein Lied des deutschen Liedermachers H.R. Kunze war der Auslöser: „Engel werden alt, mein Freund.“

Dirk Kummer: Alle Filme, bei denen Uli Brée und ich zusammenarbeiten, entstehen auf ihre eigene, den Geschichten entsprechende Art. Manchmal steht die Hauptfigur am Anfang, manchmal eine konkrete Schauspielerin oder Schauspieler. Für Harald Krassnitzer musste es etwas Besonderes sein: Ein Schutzengel passt da hervorragend.

Der Film scheint viele Fragen rund um Schuld, Verantwortung und Vergebung aufzugreifen. Was war Ihre Absicht bei der Darstellung dieser Themen, insbesondere im Kontext eines Engels, der versagt hat?
Uli Brée: Ganz einfach: Engel sind auch nur Menschen.

Dirk Kummer: Das Leben stellt ja die Fragen nach Verantwortung jeden Tag und wir kennen sie in- und auswendig. Engel können diesen Teil unserer Auseinandersetzung viel mutiger reflektieren. Sie können Ereignisse radikaler und komischer beeinflussen als wir. Falls wir daran glauben.

Was hat Harald Krassnitzer aus Ihrer Sicht zur Rolle des desillusionierten Schutzengels beigetragen?
Dirk Kummer: Harald Krassnitzer ist für einen Regisseur wie mich eine Herausforderung und Segen zugleich. Bei ihm geht es immer um die Verfeinerung der Szenen. Er ist jemand, der sich von der ersten Minute am Set dem Herstellungsprozess unterordnet und mit einer unglaublichen Fantasie anreichert. Dabei kommt die Spielfreude nie zu kurz. Harald hat den „Oskar“-Schutzengel mit so viel Herzblut erfüllt, dass ich mir keinen anderen hätte vorstellen können.

Uli Brée: Ihn habe ich beim Schreiben vor mir gesehen. Seine Seele bringt die richtige Voraussetzung für einen desillusionierten Engel. Auch wenn der Harry nicht aufhört zu kämpfen, im Gegensatz zu unserem alten Engel.

Wie haben Sie die Beziehung zwischen Oskar und Mira entwickelt?
Uli Brée: Ich wollte eine generationenübergreifende Buddy-Geschichte erzählen. Lemon & Matthau, Leon der Profi & Mathilda. Ein grantiger alter Mann und eine rotzfreche junge Frau.

Der Film spielt in der kriminellen Szene Wiens. Wie haben Sie diese Umgebung in den Film integriert und welche Rolle spielt für Sie für die Handlung?
Dirk Kummer: Wir erzählen sein ziemlich verkommenes, korruptes Wien. Es sind nicht nur die kleinen Gauner. Auch international agierende „Schweinehunde" kommen vor. In diesem Spannungsfeld ist es für die Schutzengel-Brigaden natürlich kompliziert, zu handeln. Die Frage taucht immer wieder auf: Wer verdient überhaupt einen Schutzengel?

Uli Brée: Um die Welt retten zu können, muss sie schlecht sein.

Was macht Maresi Riegner zu einer idealen Partnerin für Oskar?
Dirk Kummer: Ich kannte Maresi Riegner vorher nicht persönlich. Ihre Arbeiten am Burgtheater und ihre preisgekrönten Filme haben mich fasziniert. Eine Schauspielerin, die eine große Zerbrechlichkeit und gleichzeitig kraftvolle Individualität hat - das ist selten in ihrem Alter. Das Zarte und das Kaputte spielt sie so unaufgeregt. Harald und Maresi waren von Anfang an eine sehr aufgeladene Kombination, ein Paar, das nichts auslässt und bei dem der Konfliktpegel nie abreißt.

Schutzengel und das Übernatürliche bieten viele Möglichkeiten für visuelle Effekte. Wie haben Sie diesen Aspekt im Film umgesetzt, ohne von der emotionalen Tiefe der Geschichte abzulenken?
Uli Brée: Die Effekte sind alle sehr charmant gehalten. Sie steigen in ein Auto ein und auf der anderen Seite wieder aus und sind ganz woanders.

Dirk Kummer: Jede Art von Effekten ist furchtbar, wenn sie die Geschichte torpedieren. Man darf sie nicht bemerken, sonst ist man draußen. Ich hatte bei «Engel mit beschränkter Haftung» zum ersten Mal zwei Kameramänner, die als gleichwertiges Kamera-Duo schon öfter zusammengearbeitet haben: Alex Pürringer und Joe Berger. Die beiden sind aus Wien und gaben dem Film einen Look, der absolut meinen Vorstellungen entspricht. Wir arbeiten seitdem immer wieder zusammen.

Der Film thematisiert eine Abstimmung über Leben und Tod sowie moralische Dilemmata. Welche Botschaft wollten Sie in Bezug auf diese moralischen Fragestellungen vermitteln?
Uli Brée: Sind wir alle gleich oder ein wenig gleicher? Ist jedes Menschenleben rettenswert oder nicht? Und wer setzt die Maßstäbe fest?

Dirk Kummer: Ich bin kein Freund von Filmen, die eine Botschaft aufdrücken wollen. Das funktioniert nicht. Die Geschichte ist die Botschaft. Leben und Tod sind sich so nah, dass wir es schwer verstehen können, wenn ein Leben zu Ende geht. Egal ob mit oder ohne Schutzengel. Oskar und seine Familie hat für eine glückliche Zukunft gekämpft und ist gescheitert. Dass Oskar diese Familienbande auch noch als Engel weiterverfolgt, ist tröstlich. Wir wünschen uns diese Fähigkeit natürlich auch. Wobei es für den Tod keinen Trost gibt.

Sie beide haben schon mehrmals zusammengearbeitet. Wie gestaltet sich die kreative Zusammenarbeit bei einem Projekt wie diesem?
Dirk Kummer: Ulis Geschichten sind für mich Herausforderungen, die bis zum Ende einer Produktion spannend bleiben. Da die Charaktere voller Überraschungen sind, geht unser gesamtes Team gemeinsam mit den Schauspielern einem sehr lebendigen Drehalltag nach. Kamera, Kostüm, Ausstattung sind fast immer dieselben Personen, die sich im Laufe der Jahre über eine kreative Arbeitsbasis definieren. Derzeit arbeiten Uli Brée und ich an unserem sechsten Film, den ersten gab es vor sechs Jahren. Um so eine Effektivität hinzukriegen, braucht es vor allem Vertrauen. Wir haben oft ganz unterschiedliche Positionen und es macht Spaß, sich auf den anderen einzulassen. Daraus entsteht dann wieder etwas Neues und die Schauspieler mögen unsere Kombination.

Uli Brée: Ich kann Dirks Antwort nur zustimmen. Im Laufe der Jahre hat sich eine schöne Symbiose ergeben. Dirk lässt sich in meine Geschichten fallen wie in ein Trampolin und durch den Schwung, den er dadurch bekommt, beginnt er zu fliegen…

Was erhoffen Sie sich von den Zuschauern? Welche Emotionen und Reflexionen soll der Film beim Publikum auslösen, besonders in der Weihnachtszeit, in der er ausgestrahlt wird?
Uli Brée: Ich will mit all meinen Geschichten berühren und unterhalten. Und wenn es dich berührt, dann bewegt es auch deinen Verstand und dein Herz. Und diese Energie bewegt dann vielleicht wieder etwas. Mehr kann ein Autor nicht erwarten.

Dirk Kummer: Ehrlich gesagt sehe ich die Nähe von Weihnachtszeit und Schutzengeln gar nicht. Wenn wir die „Spezies“ Engel ernsthaft analysieren, haben die Weihnachtsengel mit den Schutzengeln so viel gemeinsam wie der Osterhase mit Karfreitag. Oder wie es Oskars Engel-Chefin im Film beigebracht wird: „Weisst du, was der Unterschied zwischen einem Schutzengel und einem Schutzbrief ist? Wir schützen vorher - der Automobilclub nachher…“

Danke für Ihre Zeit!

«Engel mit beschränkter Haftung» ist am Mittwoch, den 4. Dezember 2024, um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
02.12.2024 12:04 Uhr Kurz-URL: qmde.de/156911
Fabian Riedner

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Engel mit beschränkter Haftung

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