«Twilight of the Gods» – die Götterdämmerung Zack Snyders?
Nach der Auslöschung von Jotumheim schwört Sigrid, die Tochter des Riesenkönigs, Rache zu nehmen. Der aber, an dem sie Rache nehmen will, ist niemand anderes als Thor, der Gott des Donners. Das kann Sigrid von ihrem Vorhaben jedoch nicht abhalten.
Twilight of the Gods
USA/Frankreich 2024
Showrunner: Zack Snyder, Jay Oliva
Idee: Jay Oliva mit Zack Snyder und Eric Carrasco
Kamera: Andrew Tamandl, David Hartman, Jay Oliva, Tim Divar, Zack Snyder
Musik: Hans Zimmer, Omer Benyamin, Steven Doar
Schnitt: Jay Oliva, Tim Divar, Zack Snyder
Regisseure: Andrew Tamandl, David Hartman, Jay Oliva, Tim Divar, Zack Snyder
US-Stimmen: Sylvia Hoeks, Stuart Martin, Paterson Joseph, Pilou Asbæk, Rahul Kohli, Peter Stormare
Man liebt Zack Snyder. Oder man hasst ihn. Eine differenzierte Auseinandersetzung findet selten statt. Für seine Fans ist er ein cineastischer Magier des Pathos und der Heroik, der das Publikum herausfordert. Snyders Kino ist ein Kino des Körpers. Maskulinität und Feminität werden von ihm nicht einfach in Bilder projiziert. Snyder erschafft Gemälde, in denen er den Körper zu etwas Göttlichem erhöht. Seine Kritiker derweil werfen ihm vor, er würde sich nicht für seine Geschichten interessieren und lediglich hübsche Bilder abliefern. Nachdem vor allem der zweite Teil von «Rebel Moon» einiges an Kritik einstecken musste (auch von Fans) und sein geplantes Zombieversum («Army of the Dead») von Netflix zu den Akten gelegt wurde, hat «Twilight of the Gods» nur wenig Beachtung erfahren. Dabei bietet die von Snyder konzipierte und produzierte Adult-Animationsserie eigentlich alles, was zumindest seine Fans lieben: Ein Kino der Körperlichkeit, gepaart mit ungezügelter Gewalt.
Da ist also König Leif, der seine Sigrid heiraten will, die als Tochter einer menschlichen Frau zwar menschlich wirkt – ihr Vater aber ist der König der Riesen. Wird Leif von den Riesen zunächst kritisch beäugt, nehmen sie ihn doch als einen der ihren an. Der Mann ist stark, er hat Mumm, er liebt Sigrid. Sigrids Vater gibt der Hochzeit daher seinen Segen. Doch während der Hochzeit meldet sich ein unangekündigter Gast an: Thor. Zusammen mit seinem Bruder Baldr befindet er sich auf der Suche nach Loki. Warum? Das bleibt zunächst offen. Es ist allerdings mehr als offensichtlich, dass die beiden ein Hühnchen miteinander zu rupfen haben. Allerdings bleibt es nicht bei einem Huhn. Thor fragt die Riesen, ob sie Loki gesehen haben oder gar verstecken. Diese verneinen, was der Wahrheit entspricht. Das jedoch interessiert Thor nur peripher. Blind vor Wut entschließt er sich, Jotunheim als etwaigen Rückzugsort für Loki unattraktiv zu machen – und begeht ein Massaker, bei dem sämtliche Riesen seinem Amoklauf zum Opfer fallen. Als Baldr Sigrid und Leif entdeckt, die als einzige das Massaker überlebt haben, behält er diese Beobachtung für sich und erklärt Thor, dass das Werk vollbracht sei.
So schwört Sigrid Rache und erhält Unterstützung von Loki, der nicht ganz unschuldig an dem Massaker ist – sehr wohl nämlich hat er sich in ihrem Dorf versteckt: in Gestalt einer Echse. Die Sache ist die: Einen Gott tritt man nicht einfach gegenüber und tötet ihn. Das hat Sigrid selbst erleben „dürfen“. Thor hat die Riesen vernichtet, erfahrene, starke Krieger ohne Furcht. Sigrid benötigt zunächst ein gottötendes Eisen, das von dem Zwerg Andvari geschmiedet wird, und sie braucht eine schlagkräftige Truppe von Kriegern, die nicht zögern, ihr Leben zu geben, wenn dies verlangt wird. Dies und einige weitere „Zutaten“ sind nötig, um ihre Rache Wirklichkeit werden zu lassen.
Reduzierte Bildsprache
«Twilight of the Gods» setzt auf eine reduzierte Bildsprache. Obschon Snyders Handschrift klar zu erkennen ist, ist die Bildgestaltung auf das Wesentliche beschränkt. Klare Farben, klare Schattierungen, klare Formen. Die Laufzeit der einzelnen Episoden von stets knapp einer halben Stunde zwingt darüber hinaus zu einer konzentrierten Erzählung – die allerdings genau den gleichen Fehler begeht wie «Rebel Moon»: Statt die Handlung voranzutreiben, erzählt die Serie zunächst die Geschichte einer Findung. Nach dem Massaker und dem Aufbruch ins Reich der Rache muss Sigrid eine Truppe von Soldaten, Zwergen und anderen Freiwilligen zusammenstellen, die bereit sind, sich auf einen Kampf mit den Göttern einzulassen. Man zieht also durchs Nordland, trifft hier und da ein paar Gestalten, die nützlich sein könnten. Und Sex, ja, den gibt es auch alle Nase lang. Man braucht Sitzfleisch, um die Serie nicht vorab abzubrechen. Wer dieses aufbringt, wird dann allerdings auch belohnt! Denn ja, das Tempo steigert sich im Verlauf der Spielzeit bis zum großen (dann 42-minütigen) Finale. Sind erst einmal alle Figuren etabliert, findet die Geschichte endlich Zeit, auch so etwas wie Tiefe zu kreieren und Widerspruch. Zum Beispiel entwickeln sich Konflikte zwischen Sigrid und Leif, die so nicht unbedingt vorhersehbar sind – und die keinesfalls nur in die Geschichte eingebracht werden, um etwas Drama zu behaupten. Nein, die Konflikte gehen tief, offenbaren tiefgreifende, unterschiedliche Vorstellungen von Ehre, Verantwortung und der Art des Kampfes. Während Leif zunächst als loyaler Krieger erscheint, der sich den traditionellen Werten verpflichtet fühlt, zeigt Sigrid eine radikale, unversöhnliche Entschlossenheit, die in ihrem Wunsch nach Rache verankert ist, dem sich alles unterzuordnen hat – auch Leif. Und diese Konflikte sind tatsächlich nicht weniger spannend als der dann rechte derbe einsetzende Rachefeldzug.
Fazit: «Twilight of the Gods» bietet eine Menge Action und überraschend gut durchdachte Figuren. Allerdings braucht sie Zeit, sogar recht viel Zeit, um ihr Potenzial entfalten zu können.
Seit 19. September 2024 bei Netflix.
30.11.2024 12:20 Uhr
Kurz-URL: qmde.de/156866
Christian Lukas
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