Seit vielen Jahren produziert Reinhardt mit seinem Team die Serie «Unter Uns». Im Interview verrät er seinen Arbeitsalltag, die Beliebtheit der neuen Figuren und Storylines, die nicht auf seinen Geschmack treffen.
Hallo Herr Reinhardt! Sie produzieren derzeit «Unter uns» und «Alles was zählt». Habe Sie nicht schon mit einer täglichen Serie genug um die Ohren?
Guido Reinhardt: Genug um die Ohren habe ich eigentlich nur, wenn ich privat genervt oder gestresst bin und auch das kommt eher selten vor. Im Rahmen meiner Arbeit gab es immer schon die Verantwortung für mehrere Projekte gleichzeitig. Unabhängig davon, ob es tägliche oder wöchentliche Serien oder Einzelstücke sind: Alle Formate bekommen je nach Priorität immer die notwendige Aufmerksamkeit. Was dabei für mich entscheidend ist, mit wem und mit welchen Teams ich daran arbeiten kann. Die Mannschaft spielt das Spiel, nicht der Trainer.
Peter Gallert ist Ihr Chefautor, weitere zehn Autoren schreiben die täglichen Storys. Wie viel Guido Reinhardt steckt in «Unter uns»?
Guido Reinhardt: Kerstin Meixner ist die großartige Chefautorin seit Juni dieses Jahres, Peter Gallert und ich haben sie für diese Aufgabe über ein Jahr vorbereitet und Peter hat dann das Autoren-Team an sie im Sommer übergeben. Peter und ich arbeiten mittlerweile gemeinsam an beiden Serien in Köln, «Unter uns» und «Alles was zählt». Hier hat Peter die Funktion des Dramaturgen und ist auch mit beiden Teams und mit beiden Chefautorinnen im engen Austausch. Er unterstützt sie bei der Teamaufstellung bis hin zu den Vorbereitungen unserer Geschichten, die wir in Zukunft erzählen wollen. Darüber stimmen wir uns gemeinsam im Vorfeld ab. Das heißt konkret, ich stecke mit dem Team die äußeren erzählerischen Leitplanken ab, an denen wir uns dann mit den Charakteren und Geschichten entlang bewegen wollen.
Würden Sie uns verraten, ob Sie täglich im Autoren-Büro sitzen oder doch ein Produzent sind, der dankend die Storylines seiner Autoren annimmt?
Guido Reinhardt: Meine Aufgaben sind sehr vielschichtig, daher wäre es tatsächlich Unsinn täglich im Autor: innen-Büro zu sitzen. Da sitzen genau die Menschen, die es braucht, um die Geschichten zu schreiben die wir erzählen wollen. Mein Büro liegt aber genau gegenüber, so dass ich mitbekomme, wenn gerade viel diskutiert oder auch gerne viel gelacht wird. Dann stecke ich sehr gerne neugierig den Kopf hinein, um zu fragen, was der Anlass war.
In 30 Jahren «Unter uns» hat sich viel verändert. Was waren die entscheidenden Veränderungen, um das Format so lange fit zu halten?
Guido Reinhardt: Es gibt nicht
die entscheidenden Veränderungen. Es muss ständige Veränderungen geben. Der laufende Prozess der Veränderung ist der Schlüssel für langlaufende Serien. Hier sind die Menschen vor und hinter der Kamera entscheidend, da sie diese Prozesse kreativ begleiten, und schlussendlich umsetzen und leben. Nicht weil sie müssen, sondern, weil wir es als Team so wollen.
Wir beide wissen, dass «Game of Thrones» wohl eine super Serie ist. Mich fixt Fantasy allerdings nicht an. Gibt es auch Entscheidungen, die Sie fällen müssen, mit denen Sie persönlich weniger Gefallen finden?
Guido Reinhardt: Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil sich hier das Beispiel auf ein Genre bezieht. Tägliche Serien bilden zwischenmenschliche Emotionen ab, das geht von einem Drama über komödiantische Momente bis zu starken romantischen Versprechen. Manchmal sind auch Krimi-Elemente ein Treiber für die Geschichten. Wenn wir dieses Genre gewollt oder ungewollt verlassen, müssen wir es erkennen und gegebenenfalls korrigieren. Das alles findet unabhängig von meinem persönlichen Gefallen oder Geschmack statt.
Wie wichtig sind die zahlreichen crossmedialen Kooperationen im Hause RTL und Bertelsmann? Zum Beispiel gab es eine «Shopping Queen»-Woche bei VOX oder Promo-Interviews für RTL-Magazine. Gehen diese Aktionen ebenfalls über Ihren Schreibtisch?
Claudia Danne: Die crossmedialen Kooperationen innerhalb des RTL- und Bertelsmann-Kosmos‘ sind für den Erfolg von «Unter uns» von enormer Bedeutung. Sie ermöglichen uns, Synergien zwischen den Marken zu nutzen und unsere Reichweite signifikant zu steigern. Beispielsweise erreichen wir mit Sonderaktionen wie der «Shopping Queen»-Woche auf VOX neue Zuschauergruppen, die sich vielleicht zuvor nicht für «Unter uns» interessiert haben, aber durch den Querverweis neugierig werden. Promo-Interviews in RTL-Magazinen wie «Punkt 12» bringen die Serie in einen anderen Kontext und sorgen für zusätzliche Aufmerksamkeit bei bestehenden und potenziellen Zuschauer:innen. Durch diese crossmedialen Maßnahmen stärken wir nicht nur die Marke «Unter uns», sondern auch den gesamten Konzern. Die enge Zusammenarbeit innerhalb von RTL und Bertelsmann zeigt, wie effektiv eine solche Strategie ist, um Inhalte über Plattformen und Zielgruppen hinweg zu vernetzen und langfristig erfolgreich zu bleiben. Diese Zusammenarbeit wird dann über die Produktion «Unter uns» und die RTL-Redaktion koordiniert.
«Unter uns» läuft bei RTL Passion, bei RTL und auf RTL+. Wie wichtig sind diese Bausteine für ein erfolgreiches Produkt?
Claudia Danne: Jeder dieser Bausteine hat eine eigene Funktion und Zielgruppe, die uns hilft, die Serie einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Diese drei Säulen ergänzen sich perfekt und ermöglichen es uns, «Unter uns» nicht nur relevant zu halten, sondern auch neue Zuschauergruppen zu erschließen. Wir setzen auf diese Vielfalt, um eine möglichst hohe Reichweite und Zuschauerbindung zu erreichen – und damit den langfristigen Erfolg der Serie zu sichern.
Für die Jubiläumswoche haben Sie Margot Weigel in die Schillerallee geholt. Wer übernimmt die Rolle der verstorbenen Christine Maybach?
Claudia Danne: Das war mit Abstand unser größtes Highlight während unserer Jubiläumswochen. Die Rolle Margot Weigel hat Angela H. Fischer übernommen. Dabei war es für den „Faceswap“ wichtig, dass die Gesichtsform der Schauspielerin ähnliche Züge wie Christiane Maybach hatte. Dies haben wir im Vorfeld anhand von Showreels bei einigen Schauspielerinnen getestet und bei Angela war das Ergebnis sehr beeindruckend. Angela hat durch ihr Spiel und ihre Mimik in Teilen schon sehr an die Aura und Energie von Christiane erinnert. Das war schon ein magischer Moment, als wir die ersten Clips sichten konnten. Als dann noch über Respeecher die Stimme von Christiane Maybach dazu kam, war das Ergebnis perfekt.
Mit künstlicher Intelligenz wollen Sie Frau Maybach zurück in die Serie holen. Hat das gut funktioniert?
Claudia Danne: Im Rahmen des "Margot-Specials" wurde zusätzlich zur Stimmsimulation ein innovativer Gesichtsaustausch-Prozess umgesetzt, bei dem klassische Postproduktionstechniken mit modernster KI-Technologie kombiniert wurden, um möglichst nah an Margot Weigels Figur von damals heranzukommen. Die technische Umsetzung ist unserer Meinung nach sehr gut gelungen und wir haben durch Social Media auch positives Feedback von unseren Zuschauer:innen bekommen. Ich selbst bin seit 1997 bei «Unter uns» und kannte Christiane Maybach noch live vom Set. Dass ihre Rolle Margot Weigel nun zum 30-jährigen Jubiläum wieder bei «Unter uns» zu sehen ist, hätte sie definitiv gefeiert – eine Ikone ist back!
Apropos künstliche Intelligenz: Werden Computer künftig erfolgreiche Storylines schreiben können?
Guido Reinhardt: Die Kurzform auf diese Frage ist ein sehr klares Nein! Die Langversion hierzu würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Dennoch als eine kleine Anmerkung dazu, können wir bestätigen, dass z.B. bei der Figurenentwicklung und bei dem Aufschreiben der Geschichten bereits Computer seit 1994, also seit Beginn der Serie, zum Einsatz kommen. Was die Anwendung von KI hierbei entscheidend verändern wird, ist die Tatsache, dass unsere Autor:innen-Teams sich hierbei gerne unterstützen lassen. Das heißt, sie nutzen die KI, in diesem Falle spezielle Chat-Bots, wie ein Werkzeug für ihre Arbeit. Wiederum in der Kurzform: Mensch nutzt Maschine und nicht umgekehrt.
In diesem Jahr haben Sie Metehan Demiröz und Özge Delioglan als Geschwister-Paar in die Serie geholt. Sind die Zuschauer mit Baris und Esma zufrieden?
Guido Reinhardt: Wir testen gemeinsam mit unserem Sender RTL die Reaktionen unserer Zuschauer:innen auf Geschichten und Figuren und somit auch auf die jeweiligen Besetzungen. Dies steht in diesem Falle noch aus. Aber dennoch schauen wir uns ja in den letzten Wochen im Rahmen unseres Produktionsprozesses die fertigen Folgen im Team gemeinsam an. Hier ist unser Eindruck sehr, sehr positiv und wir freuen uns tatsächlich bei jeder Szene über den Familien-Zuwachs in der Schillerallee. Meistens teilen die Zuschauenden unseren ersten Eindruck. In der Regel braucht es aber zwei bis drei Monate bis die Zuschauer:innen generell “die Neuen” akzeptieren und mögen. Das ist wie bei einer richtigen Familie, in der plötzlich neue Familienmitglieder auftauchen, diese werden natürlich zunächst kritisch betrachtet, ob sie denn auch zu den anderen passen, um dann im weiteren Verlauf festzustellen wie nett und cool die eigentlich sind… Es bleibt also spannend.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Unter Uns» ist werktags bei RTL zu sehen. Die Serie kann selbstverständlich bei RTL+ gestreamt werden.
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