In der zweiten Folge von «Die Spaltung der Welt» wird Mandoki Hedwid Höss. Die Schauspielerin spricht im Interview über die Genauigkeit der Drehbücher.
Hallo Frau Mandoki! Was erwartet uns in der zweiten Folge von «Die Spaltung der Welt»?
Die Folge heißt „Garten an der Mauer“. Wir lernen Hedwig Höss, ihren Mann Rudolf und deren Alltag in Auschwitz kennen. Sie leben zusammen mit ihren Kindern in völliger Selbstverständlichkeit Mauer an Mauer mit dem Massenvernichtungslager, was bei den Dreharbeiten, da wir am Originalwohnhaus der Familie Höss in Auschwitz gedreht haben, große Fassungslosigkeit bei uns allen ausgelöst hat. ‚Die Banalität des Bösen‘ wäre wahrscheinlich auch ein passender Titel für die zweite Folge gewesen.
Wie haben Sie sich auf die Rolle der Hedwig Höß vorbereitet, einer historischen Figur, die so eng mit den Gräueltaten des Nationalsozialismus verbunden ist?
Gerade bei historischen Rollen versuche ich mich immer sehr in die Zeit einzuarbeiten. Um einen Menschen aus einer anderen Zeit zum Leben zu erwecken, hilft es mir, so viel wie möglich zu wissen, sowohl über das politische, gesellschaftliche als auch das alltägliche Leben. In diesem Fall lag mein Fokus neben den Briefen und Aussagen bei den Nürnberger Prozessen über Hedwig und Rudolf Höss vor allem auf der Erziehung im dritten Reich, um zu verstehen, was Hedwig geprägt hat, aber auch wie sie ihre Kinder erzogen hat und was ihr Selbstverständnis als Mutter war. Auch mit ihren politischen Überzeugungen und ihrer Biografie habe ich mich ausführlich beschäftigt. Diese intensive Vorbereitung war dann in Auschwitz sehr wichtig, um dort, trotz meiner privaten Betroffenheit, handlungsfähig zu bleiben und in die Rolle eintauchen zu können.
Hedwig Höß versucht, in Auschwitz ein "Paradies" für ihre Kinder zu schaffen, während direkt daneben Menschen leiden und sterben. Wie haben Sie diese emotionale Diskrepanz in Ihrer Darstellung umgesetzt?
Ich spiele ja keine emotionale Diskrepanz. Ich spiele eine Frau, die der festen Überzeugung ist auf der richtigen Seite zu stehen, etwas Wichtiges zu leisten und eine gute Mutter zu sein. Für sie gibt es Menschen, die nach ihrer Vorstellung nicht lebenswert sind. Hedwig Höss spürte bis zu ihrem Tod keine Diskrepanz. Für sie war die Zeit in Ausschwitz die schönste Zeit ihres Lebens. Die Herausforderung bei dieser Rolle lag für mich aber natürlich genau darin: sich mit der abartigen Gedankenwelt von Hedwig Höss zu beschäftigten und darauf einzulassen, meine persönlichen Gefühle dazu aber außenvorzulassen.
Die Beziehung zwischen Hedwig und Rudolf Höß scheint von gemeinsamen Idealen geprägt zu sein. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen den beiden Figuren beschreiben?
Vieles, was man über sie weiß, weiß man aus den Briefen und den Aussagen der Nürnberger Prozesse. Rudolf Höss hat Hedwig einen Abschiedsbrief geschrieben, der aufschlussreich war, und man weiß auch, dass beide Affären mit Insassen hatten. Unsere Regisseurin Olga und ich haben die Figuren basierend auf diesen Informationen entwickelt. Man erkennt eine erstaunlich moderne Beziehung, fast auf Augenhöhe. Das ist dem geschuldet, dass Hedwig meiner Meinung nach die Stärkere und überzeugtere Täterin war. Er war ein schwacher Mensch ohne Charakter oder Haltung zum Befehlsempfänger erzogen, sie war überzeugt und bis zum Schluss Nationalsozialistin.
Inwieweit hat die historische Genauigkeit Ihre Interpretation der Rolle beeinflusst, und gab es Momente, in denen Sie sich Freiheiten bei der Darstellung genommen haben?
Was historische Ereignisse wie zum Beispiel Jahreszahlen anbelangt, absolut genau, und die Drehbücher basieren auf allem, was man an Informationen und Material über das Paar zusammentragen konnte. Dennoch sind manche der Szenen Fiktion. Es könnte solche Situationen und Dialoge zwischen dem Ehepaar Höss gegeben haben, aber sicher wissen wir es nicht.
Die Serie beleuchtet verschiedene historische Figuren und Schauplätze. Was glauben Sie, macht die Geschichte von Hedwig Höß besonders bedeutend für das heutige Publikum?
Wir sehen selten das Dritte Reich aus der Perspektive einer Mutter, die kein Opfer, sondern Täterin ist.
Es kommt hinzu, dass sie mit ihren Kindern in Auschwitz lebt, und das Sterben und Morden für notwendig erachtet. Das ist an Abartigkeiten und Perversionen nicht zu überbieten, und schwer in Einklang zu bringen mit ihrer Rolle als Mutter, oder mit dem Menschsein grundsätzlich. Dass das Böse sich auch in unscheinbarer, alltäglicher Form zeigen kann, und wozu der Mensch fähig ist, ist leider ein wichtiges Mahnmal für die Gegenwart, denke ich.
Wie sind Sie mit der Herausforderung umgegangen, eine Figur darzustellen, die historisch gesehen eine Täterin ist, aber in der Serie auch als Mutter und Ehefrau gezeigt wird?
Meine Aufgabe ist die Gedanken, Gefühle, Handlungen und Überzeugungen dieser Frau gemeinsam mit meiner Regisseurin zu entwickeln und dann zum Leben zu erwecken, einen kompletten Menschen zu entwerfen. Sie selbst dachte von sich und ihrer Haltung nichts Böses, sondern viel mehr das Gegenteil.
Die Herausforderung lag darin, dass der Ort und all die Information, die man hatte, sehr belastend für mich als Privatperson und Schauspielerin waren. Damit umzugehen war nicht immer leicht.
Die Villa, in der Hedwig lebte, war auf grausame Weise durch Habseligkeiten der Häftlinge ausgestattet. Wie war es für Sie, sich in diese Realität hineinzuversetzen?
Wie oben beschrieben, ist das Teil meiner Arbeit. Hedwig empfindet nicht, dass das abartig ist. In ihrer Gedankenwelt stehen ihr diese Dinge zu. Meine private Haltung ist eine andere, das ist klar, und das war emotional herausfordernd. Als wir vor Drehbeginn zum ersten Mal dort waren, war ich sehr bewegt und das Gelände zu betreten, war nie leicht. Wiederum darf sich das nicht im Spiel zeigen, da das für Hedwig anders ist als für Lara. Privat habe ich das Grundstück nach unserem ersten Besuch nie wieder betreten, nur noch in der Rolle.
Hedwig Höß wurde nach dem Krieg nicht juristisch belangt, obwohl sie eine zentrale Rolle im Leben ihres Mannes spielte. Wie haben Sie diesen Aspekt der Ungerechtigkeit in Ihrer Rolle verarbeitet?
Das ist in erster Linie Aufgabe des Drehbuches. Als Schauspielerin spiele ich zu keinem Zeitpunkt den moralischen Kommentar zu einer Figur oder meine private Haltung. Dass sie juristisch nicht belangt werden wird, weiß sie zum Zeitpunkt unserer Geschichte nicht. Dass sie wie viele andere Täterinnen und Täter in der BRD unbehelligt weiter leben konnte, ist für mich abstoßend und absolut nicht nachvollziehbar.
Was war für Sie die emotional anspruchsvollste Szene in der Serie, und wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Nachdem ihre Welt zusammengebrochen ist, ist die Figur eine andere: Das Verhör mit den Engländern, der Verrat an ihrem Mann und der Abschied sind Szenen, in denen man der Figur emotional sehr nah kommt. Darin lag auch eine Herausforderung, sie gebrochen und emotional zu zeigen, ohne ihr menschenverachtendes Gedankenkorsett zu verlassen.
Die Serie verknüpft mehrere historische Figuren und Ereignisse. Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach die Geschichte von Hedwig Höß im größeren Kontext des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts?
Das Böse kann auch eine Mutter von fünf Kindern sein. Allgemein finde ich, sind wir in der Auseinandersetzung mit dem Thema Frauen im dritten Reich noch nicht sehr weit. Interessant ist diese Frau für mich vor dem Aspekt, dass sie kein Opfer war und ihr viele Eigenschaften fehlen, die man Frauen grundsätzlich erstmal zu sprechen würde. Eine progressive feministische Aufarbeitung des dritten Reiches muss auch beinhalten, uns mit den Täterinnen auseinanderzusetzen.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Die Spaltung der Welt: 1939-1962» ist ab 31. Oktober in der arte Mediathek und in der ARD Mediathek zu sehen. Arte strahlt jeweils drei Episoden am 5. und 6. November um 20.15 Uhr aus, Das Erste zeigt die Episoden eins und zwei am 11. November ab 22.50 Uhr.
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