Die Kino-Kritiker: «Ein Jackpot zum Sterben» – The Purge in komisch
Katie könnte keinen schöneren Tag erleben als diesen. Sie gewinnt den Jackpot der Lotterie von Kalifornien, der sie augenblicklich zur Milliardärin macht. Die Sache hat nur zwei Haken. Katie hat das Los gar nicht selbst gekauft. Außerdem ist sie laut kalifornischem Gesetz für die nächsten Stunden vogelfrei und wer sie umbringt, bekommt statt ihrer den Hauptgewinn.
Ein Jackpot zum Sterben
Ot: Jackpot!
Regie: Paul Feig
Drehbuch: Rob Yescombe
Produzenten: Joe Roth, Paul Feig, Laura Fischer, Jeff Kirschenbaum
Kamera: John Schwartzman
Schnitt: Brent White
Musik: Theodore Shapiro
Besetzung: Awkwafina, John Cena, Ayden Mayeri, Donald Elise Watkins, Simu Liu, Sam Ashgari
Zugegeben, man darf sich über die Handlung nicht zu viele Gedanken machen. «Ein Jackpot zum Sterben» ist zwar eine Art Comedy-Version von «The Purge», es gelingt der Story aber nie ganz zu erklären, warum Kalifornien dieses Gesetz verabschiedet hat. Ja, gleich zu Beginn des Filmes wird über eine Regierungskrise, Inflation und Wohlstandsverlust weiter Teile der Bevölkerung gesprochen - und keine Frage, die Lotterie ist ein gigantisches Ablenkungsmanöver. Die Tiefe aber, die vor allem der zweite «The Purge»-Film in sein Worldbuilding einbringt, von einer solchen Tiefe ist «Ein Jackpot zum Sterben» etwa 1000 Kilometer weit entfernt. Was dem Unterhaltungswert der Amazon-Eigenproduktion jedoch nicht abträglich ist.
Awkwafina ist Melissa McCarthy… Entschuldigung: Awkwafina ist Katie, eine Mittdreißigerin, die es in Hollywood noch einmal wissen will. Als Kind war sie so etwas wie ein Star – wenn man eine Spaghetti-Werbung als den Beginn einer Kinderschauspielstar-Karriere bezeichnen will. Zumindest war sie nicht unbekannt, hat mit Werbespots gutes Geld verdient und ganz talentlos war sie offenbar auch nicht. Dann ist ihr Vater jedoch mit all ihren Ersparnissen durchgebrannt und Katie kümmerte sich um ihre schwer kranke Mutter. Nach deren Tod kehrt sie also nach Hollywood mit ihren letzten 600 Dollar zurück, um es noch einmal zu versuchen. Was schon mit ihrer Ankunft nicht wirklich Funken fliegen lassen will. Ihr Zimmer ist eine Bruchbude, die Filmproduktion, für die sie vorsprechen soll, dürfte einen Film wie «Sharkdado» wie eine Hollywood-A-Produktion aussehen lassen. Das Glück meint es dennoch gut mit Katie, denn in ihrer Hose (sie ist nur geliehen, ihre Kleidung hatte eine Begegnung mit einem defekten Abwasserrohr) findet sie ein Lotterielos, das sie berührt. Über einen Chip werden ihre Fingerabdrücke übertragen, das Los auf sie personalisiert und einen Moment später ist sie die Gewinnerin von 3,6 Milliarden Dollar. Was bedeutet, es gibt fortan 3,6 Milliarden Gründe, Katie umzubringen. Unerwartet bekommt sie jedoch Hilfe von Noel, einem Ex-Soldaten, der sich darauf spezialisiert hat, Lotteriegewinner gegen 10 Prozent Beteiligung zu beschützen. Allerdings ist Noel ein eher simpel gestrickter Charakter und Katie ist kompliziert. So weiß sie nicht einmal, was es mit dieser Lotterie auf sich hat – hat sie doch in den letzten Jahren kaum Nachrichten geschaut (da sie diese depressiv machen). Außerdem versteht sie nicht, dass Noel sie nicht einfach umbringt! Dann hätte er doch 100 Prozent statt nur 10. Kann es sein, dass der etwas simple Kerl auch noch ehrlich ist?
«Ein Jackpot zum Sterben» lässt es vor allem im zweiten Akt der Inszenierung, ab dem Moment, in dem Katie gejagt wird, richtig krachen. In dieser Phase ist der Story kein Einfall zu absurd, um Katie in eine Gefahrensituation zu bringen – und sie ebenso absurd aus dieser Situation zu befreien. Während Awkwafina für den lauten, schallenden Humor zuständig ist, darf sich John Cena als der Held mit der weißen Weste präsentieren, der sogar den Bösen (und das sind so ziemlich alle Menschen, denen Katie begegnet) Gutes abzugewinnen vermag. Das Duo rockt die Handlung – auch wenn Awkwafinas Darstellung der Gejagten nicht nur manchmal an Melissa McCarthy erinnert. Zufall? Regisseur Paul Feig hat in den letzten 20 Jahren mehrfach mit Melissa McCarthy zusammengearbeitet. Zu ihren gemeinsamen Projekten gehören «Taffe Mädels» und «Ghostbusters» – jenes Remake, das bei den Fans der Reihe doch recht derbe durchgefallen ist. Bei all der Kritik wird allerdings ein Film vergessen: «Spy – Susan Cooper undercover». Vor allem in der härteren 16er-Version kann der Film überzeugen – als Agentenfilm und Agentilmparodie. Feig kann also durchaus Action inszenieren. In «Ein Jackpot zum Sterben» allerdings kommt er beim Inszenieren eben dieser Actionszenen immer dann ins Schwimmen, wenn es zum harten Körpereinsatz rund um Hauptdarstellerin Awkwafina kommt. Dass sie in den harten Szenen von einem Double vertreten wird, ist leider nicht zu übersehen. Anders sieht dies in den Szenen aus, in denen John Cena im Mittelpunkt steht, der souverän den Actionhelden gibt und sichtbar mit Spaß während der Dreharbeiten bei der Sache gewesen ist.
Mit fortschreitender Laufzeit spürt man dem Film allerdings an, dass der Story die Puste ausgeht. Ein weiterer Handlungsstrang muss dementsprechend aufgebaut werden, in dem eine Agentur im Fokus steht, die sich darauf spezialisiert hat, Lottogewinner zu beschützen – in einem weitaus größerem Rahmen als Noel dies als Freiberufler tun kann. Die Geschichte der Agentur würde genug Stoff für eine eigene Filmhandlung hergeben – daher wirkt sie ziemlich rudimentär in ihrer Inszenierung. Sie bietet gerade den Stoff, den der Film braucht, um über die Runden zu kommen, sie kann aber eben auch nicht verheimlichen, dass ihr Potenzial gerade einmal angekratzt wird.
Trotz seiner Schwächen ist die Amazon-Eigenproduktion unterm Strich ein wirklich unterhaltsamer Happen für zwischendurch. Es ist schwierig zu sagen, ob der Film jemals mehr sein sollte als eine Streamingproduktion. Ein Film für die große Leinwand steckt in dem Actionspektakel auf jeden Fall drin. Es wird nur nie in Gänze losgelassen.
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14.10.2024 12:44 Uhr
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Christian Lukas
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