In Mittelpunkt der neuen Serie «Made in Germany» stehen sechs junge Kinder von Migranten. Regisseurin Recke erzählt über die Produktion in Berlin.
Frau Recke, «Made in Germany» erzählt die Geschichten junger Berliner mit Migrationshintergrund. Was war Ihre Hauptmotivation, an diesem Projekt als Co-Regisseurin und Co-Autorin mitzuwirken?
Ich wollte den Versuch wagen, einen liebevollen Blick auf Erfahrungswelten zu inszenieren, die oft eher mit verstärktem Fokus auf problematische, gewaltvolle Aspekte beleuchtet werden.
«Made in Germany» legt großen Wert auf Authentizität. Wie haben Sie und das Team sichergestellt, dass die Geschichten und Charaktere so nah wie möglich an der Lebensrealität der Protagonisten bleiben?
Ich glaube, alle Beteiligten haben sich große Mühe gegeben, die eigene Imagination, vielleicht auch über den ersten eigenen Einschätzungsimpuls hinaus, stärker zu befragen. In den inhaltlichen Diskussionen, in denen es ja immer um ein Gleichgewicht zwischen dem Erzählen aus einer subjektiven Perspektive und der Nachvollziehbarkeit für ein breites Publikum geht, argumentiert man ja entlang der eigenen Vorstellungskraft. Diese zu erweitern, haben sich viele in unserem Prozess zugemutet.
Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie darin, Geschichten der zweiten Migrantengeneration in Deutschland zu erzählen, insbesondere in einem Medium wie Fernsehen?
Ich sehe es als Chance für die deutsche Fernsehlandschaft auf die Höhe der Zeit zu kommen. Eine Herausforderung sehe ich darin, dass meines Erachtens das Publikum auf Macher:innenseite noch zu oft in seiner Fähigkeit unterschätzt wird, sich sowohl inhaltlich als auch ästhetisch Ungewohntem hinzugeben.
«Made in Germany» verwendet das Anthologie-Format, mit jeder Episode aus der Perspektive eines anderen Charakters. Was war der Grundgedanke hinter dieser Struktur, und wie beeinflusst sie die Erzählweise?
Es geht darum, den vielfältigen ausdifferenzierten Lebensweisen zeitgenössischer Biografien in den sich überschneidenden Gemeinschaften Raum zu geben und der kollektiven Leichtfertigkeit, alle Phänomene mit dem Suffix „Migra“ anfangen unter einer oberflächlichen Idee zu vereinfachen.
In «Made in Germany» sind nur drei der sechs Hauptrollen mit professionellen Schauspieler besetzt, der Rest wurde über Community-Castings gefunden. Wie hat sich dieser Ansatz auf die Authentizität und das Gesamterlebnis der Serie ausgewirkt?
Es macht die Serie zu einem Projekt, in dem viele Debüts stattfinden, vielleicht fühlt sich dadurch alles etwas riskanter und fragiler an? In jedem Fall ist es aber auch ein wichtiger Hinweis darauf, dass es noch viel mehr Zugänge in die Film- und Fernsehbranche für nicht-weiße Künster:innen geschaffen werden müssen. Es gibt sozusagen einen Fachkräftemangel.
Würden Sie dieses Konzept künftig beibehalten?
In meinen Augen hat jedes Projekt seine ganz eigenen Anforderungen. Deshalb behalte ich grundsätzlich bestimmte Verfahrensweisen nie nur aus Prinzip bei.
Die Serie thematisiert die Identitätsfindung junger Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, aber gleichzeitig biografisch anders geprägt wurden. Welche zentralen Konflikte und Themen wollten Sie mit der Serie besonders hervorheben?
Ich möchte eigentlich weniger Konflikte und mehr die sprachliche, soziale und psychologische Virtuosität, die diese Menschen alltäglich an den Tag legen, hervorheben. Ich bin immer wieder tief beeindruckt davon, wie kreativ, hoffnungsvoll und engagiert Menschen mit internationalen, von politischen Konfigurationen zerklüfteten Biografien das Leben gestalten.
Wie haben Sie als Co-Regisseurin und Co-Autorin die Balance zwischen persönlichen, emotionalen Geschichten und der Darstellung größerer gesellschaftlicher Themen gefunden? Konnten Sie sich im Team schnell einen gemeinsamen Nenner finden?
Dass ich mit meiner Ko-Autorin Naomi Bechert sofort eine gemeinsame Sprache und einen intimen Gesprächsraum gefunden habe, hat mir das sehr erleichtert. Dadurch, dass die Figuren und ihre Fragen ein ganzes Stück jünger als ich selbst sind, hat mir oft auch ein Auntie-hafter Blick auf sie, der ja auch einen gewissen Abstand braucht, geholfen.
Wie wichtig war es für Sie, dass auch hinter der Kamera ein postmigrantisches Team arbeitet? Welche Unterschiede haben Sie dadurch in der Arbeitsweise oder im Endprodukt festgestellt?
Das war bei «Made in Germany» gar nicht so durchgängig der Fall. Deshalb kann ich die Frage so nicht beantworten.
«Made in Germany» startet in der ARD Mediathek. Was erhoffen Sie sich von der Reaktion des Publikums, und welche Wirkung soll die Serie in der deutschen Gesellschaft haben?
Ich hoffe einfach, dass das Publikum sich freut, sich wiederfindet und unterhalten wird. Und ja, anhand von Filmfiguren und der Storyline von fiktionalen Geschichten kann man so manchen Konflikt in Freundschaft und Familie vielleicht besser besprechen als so ganz nah am eigenen Selbst. Das wäre doch was.
Danke für Ihre Zeit!
Die sechsteilige Serie «Made in Germany» ist ab Freitag, den 4. Oktober 2024, in der ARD Mediathek. Am 11. Oktober sendet One die Episoden ab 22.30 Uhr.
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