Der Mastermind von «Élite» und «Feria», Carlos Montero, hat ein Medical-Drama für Netflix entwickelt. Die neue Serie dreht sich um Politik und das Krankenhaus dient nur als Kulisse einer Soap.
Das neue Medical-Drama von Netflix startet vielversprechend. Biel de Felipe (Manu Rios) liegt im Bereitschaftszimmer des fiktiven Hospital Joaquín Sorolla in der Stadt Valencia. Enrique 'Quique' (Xoán Fórneas) weckt seinen Assistenzarztkollegen auf, er blickt auf die Uhr und stürmt durch das Krankenhaus in einen Operationssaal. Das Krankenhaus ist voller Menschen, zahlreiche Zettel an der Wand sprechen von Streik. Eine Schar von Ärzten, die die Zuschauer später noch kennen lernen werden, steht im Operationsaal. Biel blickt immer wieder auf die Uhr, schließlich kommt es zum Eklat. Die Uhr schlägt auf Mitternacht, weshalb ein Teil der Ärzte und Krankenpfleger den Operationsaal verlässt.
Nach rund vier Minuten kommt der Vorspann, die Handlung setzt zwei Monate früher ein. Zu sehen ist der sportliche und attraktive Biel, der durch eine Straße durch Valencia joggt. Es ist eine der wenigen Szenen, die wirklich außerhalb eines Studios in einem echten Teil der Stadt gedreht wurden. Sämtliche weitere Szenen wurden im Studio oder vor generischen Bauwerken inszeniert. Obwohl die Crew in Madrid und Valencia drehte, wirkt die Serie absolut neutral. Würde nicht die Politik der autonomen valencianischen Gemeinschaft eine Rolle spielen, könnte das Format an jedem Platz der Erde spielen. Das ist sehr schade, schließlich hat die drittgrößte Stadt am Mittelmeer wirklich sehenswerte Bauwerke, die überhaupt nicht ins Auge fallen.
Im Chaos der Notaufnahme trifft der Assistenzarzt Felipe relativ schnell auf Patricia Segura (Najwa Nimri), die Präsidentin der Generalitat Valencinia und damit die wichtigste Frau von Valencia. Bei einem Autounfall stellt Felipe, ein Freund der Familie, fest, dass sie wohl einen Knoten in der Brust hat. Er konsultiert schnell seinen Chefarzt Néstor Moa (Borja Luna), der zu den besten Onkologen in Spanien gehört. Seine Frau ist vor geraumer Zeit an Krebs erkrankt und erlag dieser Krankheit. Er und die Präsidentin geraten immer wieder zwecks der Behandlung aneinander. Die Präsidentin Patricia Segura will sich eigentlich in einer schicken Privatklinik behandeln lassen, doch der ist der Fall zu heikel. Gleichzeitig möchte die Partei die Kliniken im Großraum Valencia privatisieren lassen, was zu weiteren Problemen im Gesundheitswesen führen könnte.
In dem von «Élite»- und «Feria»-Erfinder Carlos Montero kreierten Krankenhaus möchte man nicht freiwillig landen. Die Ärzte sind völlig überfordert, in der Notaufnahme stehen dutzende Notfallbetten einfach nur aneinander. Wirkliche Hilfe bekommen die Menschen nur in absoluten Notfällen, mit der deutschen Notfall-Ambulanz ist dieses Chaos überhaupt nicht zu vergleichen. Rodrigo "Rodri" Donoso (Víctor Sáinz) versucht gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Er heitert die Netzwelt mit fröhlichen Videos aus dem Internet auf. Doch die Mutter einer Patientin macht ihm zu schaffen, denn sie fühlt sich bei jeder ärztlichen Frage sofort angegriffen, mault den deutlich jüngeren Arzt an und verlässt schließlich mit dem Kind die Notaufnahme wieder.
Die leitende Gynäkologin Leo Santapau (Ana Rayo) und die Assistentsärztin May (Marwa Bakhat) untersuchen Joana (Candela Pradas), die bei der Polizei eine Vergewaltigung angibt. Santapau frisiert den Bericht, nachdem weder DNA-Spuren noch Spuren an dem Opfer festgestellt wurden. Das Problem: Der Täter soll ihr Sohn gewesen sein, der von der Polizei direkt abgeholt und in Untersuchungshaft gebracht wird. Die Storyline der Polizei ist unglaubwürdig, da der beschuldigte Hugo (Álex Medina) ohne Befragung abgeführt wird.
Gleichzeitig landet der Sohn Óscar (Rafa Verdugo) der leitendenden Allgemeinchirurgin Pilar Amaro (Aitana Sánchet-Gijón) aufgrund einer Überdosis in der Notaufnahme, der eine Affäre mit Quique hat. Bei einer wichtigen Operation mit Hugo wird die Allgemeinchirurgin Jésica Donoso (Blanca Suárez) aus einer anderen Operation gerufen, sodass der Assistenzarzt Hugo, der gleichzeitig auch ihr Bruder ist, allein ein Kind versorgen soll. Aus diesem Grund wird ein Generalstreik gestartet, um die Patienten besser zu versorgen.
Das Skript ist mehr eine Seifenoper, weil sämtliche Hauptfiguren eine Beziehung untereinander haben. Die Chirurgin Jésica ist noch nicht lange mit dem Klinikleiter Lluís Bonet zusammen, der wiederrum mit Leo verheiratet war. Gleichzeitig entwickeln Biel und Jésica eine Affäre. Darüber hinaus haben die Notfallärztin Rocío Fuster (Macarena de Rueda) und May eine Affäre, die praktizierende Muslima ist dazu noch schwanger.
Das Skript von «Atemlos» ist unsauber verfasst. Chirurgen hüpfen nicht den halben Tag in der Notaufnahme herum und Assistenzärzte entscheiden nicht über Operationen. Gleichzeitig sind die Ärzte verantwortungslos und feiern vor den Diensten und nehmen Drogen. Ohnehin ist die Zahl der Drogenkonsumenten in der Valencia-Serie sehr hoch. Gleichzeitig spielen andere Krankheiten kaum eine Rolle. Es gibt auch keine Entwicklung der Figuren, vielmehr stehen Politik, Justiz und Beziehungen an erster Stelle. Nach dem Tod eines nahestehenden Menschen hält eine Figur um die Hand einer anderen Person an – und ist dann beleidigt, dass die Person nicht so wirklich darauf reagiert. Carlos Montero hat in «Atemlos» überwiegend empathielose Menschen geschaffen, die alle nur auf ihren Vorteil aus sind.
Auch die Storylines sind zum Teil haarsträubend, wie bei einer typischen Medical-Drama-Katastrophenfolge als die Stadt von starken Gewittern heimgesucht wird. Passend zur Laufzeit der Episode nach Minute 35 hört der Sturm einfach auf und alle sind wieder bester Dinge. Auch alle Patienten sind dann wieder tipptopp. Damit Netflix die Serie verlängert, wurde noch in der letzten Minute ein nicht nachvollziehbarer Cliffhanger eingebaut. Bei «Atemlos» stehen die Nackenhaare nicht zu berge, weil die Serie so spannend ist, sondern weil die Serie zum Teil einfach verschrieben wurde.
«Atemlos» ist seit 30. August 2024 bei Netflix verfügbar.
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