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Christian Werner: ‚Mich hat vor allem das Doppelleben von Lukas Geier sehr fasziniert‘

Am Samstagabend feiert die neue Serie mit «Blind ermittelt»-Star Philipp Hochmair im ORF Premiere. Regisseur Werner ist für seinen Spielfilm Feuer und Flamme.

Herr Werner, verraten Sie uns doch die Geschichte von «Der Geier – Die Tote mit dem falschen Leben», die am 7. September im ORF läuft und im Herbst noch im ZDF zu sehen sein wird.
Der ehemalige Kriminalkommissar Lukas Geier (Philipp Hochmair) hat sich in die Österreichischen Alpen, zurückgezogen, um einen Neuanfang zu wagen und sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken. Früher war er dafür zuständig, Menschen neue Identitäten zu verschaffen. Im Laufe seiner Karriere sind viele neue Identitäten entstanden. Nun ist es an ihm sich seine eigene neue Identität aufzubauen. Seine große Leidenschaft ist die Musik. Als er durch Zufall einen Welthit landet, wird er quasi über Nacht steinreich und kann den Neuanfang wagen, zu dem er sich sonst nie durchringen konnte. Doch dann wird eine Frau ermordet. Die Sachbearbeiterin einer Behörde wurde mit einem Stilett erstochen. Nun steht er gemeinsam mit Kommissarin Franziska Conte (Julia Koch) vor einem Rätsel. Die Geister der Vergangenheit holen ihn wieder ein und schon bald wird klar, dass sein eigenes Leben auf dem Leben steht.

Kurz gesagt: Schafft es Lukas Geier ein neues eigenes Leben aufzubauen und den Geistern seiner Vergangenheit zu entkommen?

Welche Aspekte der Romanvorlage "Tutto Bene" von Andrea di Stefano waren für Sie besonders ansprechend, um diesen Stoff zu verfilmen?
Die Produzentin Bernadette Schugg hat bereits eine längere Entwicklungszeit mit den beiden Journalisten und Autoren Andreas und Stephan Lebert verbracht, die auch die erste Drehbuchfassung auf Grundlage ihres Romans „Tutto Bene“ erstellt haben, die dann umfassend von Dirk Eisfeld bearbeitet wurde. Hier wurden bereits die meisten inhaltlichen Entscheidungen getroffen, bevor ich als Regisseur an Bord gekommen bin. Mir gefällt was Dirk Eisfeld dann dramaturgisch für ein fiktionales Drehbuch verdichtet hat. Dabei hat mich vor allem das Doppelleben der Hauptfigur Lukas Geier (Philipp Hochmair) sehr fasziniert. Kann er sich als ehemaliger verdeckter Ermittler, der fremde Biografien geschaffen hat, wirklich eine eigene neue Identität aufbauen. Kann er ein richtiges Leben im falschen finden? Letztlich holen ihn die Geister seiner Vergangenheit ein und er wird sie nicht mehr los, wie einen Albtraum, den man nicht mehr abschütteln kann. Das fand ich als Prämisse für eine Hauptfigur und eine neue Reihe sehr reizvoll und spannend.

Wie wurde die Balance zwischen den kriminalistischen Elementen und den persönlichen Geschichten der Charaktere erreicht?
Die erste Drehbuchfassung, die ich gelesen hatte, legte einen besonderen Fokus auf das Figurendrama, mit tiefgründigen Momenten wie den philosophischen Ausflügen des Lukas Geier in Weinläden und Lieblingspizzerien. Diese Elemente haben mich sehr angesprochen. Für das Krimiformat im ZDF am Montagabend wurde der Fokus dann stärker auf den „Whodunit“-Teil gelegt, was eine spannende Balance zwischen dem Kriminalfall und den persönlichen Geschichten der Charaktere geschaffen hat. Dabei war es mir wichtig, das Facettenreichtum der Figuren und ihre Beziehungen zueinander zu bewahren, wodurch das Figurendrama eine besondere Stärke des Films bleibt.

Die Hauptrolle des Lukas Geier wird von Philipp Hochmair verkörpert. Welche Qualifikationen zeichnen ihn für diese Rolle aus und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit ihm?
Ich liebe Philipp für seine Hingabe, mit der er sich in die Figuren hinein begibt und wie akribisch er sich vorbereitet. Das gibt ihm am Set die Freiheit seiner Intuition zu folgen. Bei der Arbeit geht es ihm immer um die Sache und er versucht immer das Beste für den Film und seine Mitspieler:innen zu erreichen. Für mich als Regisseur war das ein Geschenk. Philipp kann auch introvertiert sein, was man auf den ersten Blick nicht vermuten würde. Er hat eine ruhige und geheimnisvolle Seite, die man gut für die Hauptfigur nutzen kann. Lukas Geier gibt nie wirklich Preis, was er wirklich denkt: er darf nie zu privat werden, sich niemanden anvertrauen und muss ständig mehrere Optionen im Kopf haben. Vieles muss er mit sich selbst austragen. Das kann Philipp sehr gut ausdrücken. Philipp verleiht seiner Figur genau dieses Geheimnis und die Doppeldeutigkeit und ist dabei so charmant wie ein James Bond der österreichischen Alpen.

Die österreichischen Berge spielen eine signifikante Rolle im Film. Inwiefern wurde die Landschaft genutzt, um die Atmosphäre und Spannung zu steigern?
Der Geier (also, der Greifvogel) lebt in den Bergen und passt natürlich nicht ins Flachland. Das gilt auch für unsere Hauptfigur Lukas Geier, die sich zum Schutz in die Berge zurückzieht. Bad Gastein hat eine lange Geschichte als Kurort und ist bekannt für seine Heilwasser und den Radon-Heilstollen. Über die vergangenen 125 Jahre entstand eine morbide Mischung aus teilweise maroden Grandhotels und modernen Hotelbauten, die vom Graukogel und Kreuzkogel gerahmt werden. Das ist schon eine beeindruckende aber auch bedrückende Kulisse, die sich ideal für einen Krimi eignet.

Können Sie etwas über die Herausforderungen und Besonderheiten der Dreharbeiten in den Bergen erzählen?
Die Höhe ab 2000hm ist nicht für jeden leicht zu meistern. Es braucht eine gewisse Gewöhnung, vor allem wenn man mit der Gondel schnell die Höhenmeter überwindet. Ich erinnere mich an einen Drehtag, wo wir Vormittags mit der Lore 2km tief in den Heilstollen (also in den Berg) eingefahren sind, um bei +40 Grad und 90% Luftfeuchtigkeit eine Szene zu drehen, um dann am Nachmittag noch weitere Szene auf 2000m Höhe zu drehen. Am nächsten Tag standen nicht mehr alle vom Team am Set.

Wie erfolgte die Auswahl der weiteren Besetzung und welche Kriterien waren bei der Auswahl der Schauspieler von besonderer Relevanz?
Die Produzentin Bernadette Schugg (mit Klaus Graf und Livia Graf) hat diese Reihe für Philipp Hochmair entwickelt. Er war für die Rolle Lukas Geier gesetzt, was ich auch eine sehr gute Wahl finde. Dazu kam Julia Koch, die Bernadette im Krimi „Esel“ ganz fantastisch fand. Ich finde ihre sehr reduzierte Art zu spielen sehr reizvoll. Im Casting Prozess kamen noch tolle Spieler:innen dazu wie bspw. Patricia Aulitzky, die ich ich bei einem Theaterstück mit Philipp gemeinsam auf der Theater-Bühne erlebt hatte. Sie harmonierten da sehr gut und kennen sich, das hat sich auch gut auf den Film übertragen. Ganz glücklich bin ich auch über die Besetzung von Harald Windisch mit seiner Tochter. Ein ganz feiner und genauer Spieler. Dazu kamen in enger Abstimmung mit der Redaktion weitere tolle Spieler:innen: Jutta Speidel, Lukas Tutur, Arthur Klemt, Lise Risom Olsen und die wunderbare Dayan Koduya.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Drehbuchautoren Dirk Eisfeld, Andreas Lebert und Stephan Lebert und auf welche Weise wurde die Geschichte gemeinsam weiterentwickelt?
Andreas und Stephan Lebert, die ja auch die Romanvorlage geliefert haben, habe ich nie kennengelernt. Dirk wurde ein paar Monate vor Drehbeginn hinzugezogen, um das vorhandene Drehbuch in Richtung Krimi umzuarbeiten und seine dramaturgische Struktur zu schärfen. Mit ihm und der Produzentin war ich in verschiedenen Entwicklungsrunden in einem engen und produktiven Austausch.

Der Film thematisiert Zeugenschutzprogramme und neue Identitäten. Welche Recherchen haben Sie und Ihr Team dazu angestellt, um dieses Thema authentisch darzustellen?
Der Roman („Tutto bene“), als auch das Drehbuch, beruhen auf Recherchen, die von den Autoren, den Lebert-Brüdern angestellt wurden. Die polizeilichen und kriminalistischen Vorgänge sind meines Wissens gut recherchiert. Wie man sich allerdings gut vorstellen kann, ist der Zugang als auch die Bereitschaft mit verdeckten Ermittlern zu sprechen, schwierig. Ich habe mich auf die Genauigkeit der Recherche der beiden Zeitjournalisten verlassen. Im Sinne einer filmischen Erzählung, muss man komplexe Vorgänge bspw. einer polizeilichen Ermittlung vereinfachen, ohne sie zu verfälschen.

Inwiefern unterscheidet sich «Der Geier» von anderen Krimis und was macht diesen Film für das Publikum besonders sehenswert?
Die Reihe lebt von seinen Figuren und vor allem von ihren emotionalen, zwischenmenschlichen Konflikten, die über die gewöhnliche "Ermittler - Private“-Line hinausgeht. Der Zuschauende kann vor allem über die Hauptfigur Lukas Geier, als auch über die starken weiblichen Nebenfiguren, in die Geschichte eintauchen. Dabei steht nicht die Krimistruktur im Vordergrund, die man für das Format trotzdem braucht, sondern vielmehr das persönliches Dilemma, des Protagonisten, der sich immer wieder mit den Geistern seiner Vergangenheit auseinandersetzen muss.

Gibt es bestimmte Szenen oder Momente im Film, die Ihnen besonders am Herzen liegen oder auf die Sie besonders stolz sind?
Eigentlich habe ich keine wirkliche Lieblingsszene. Ich finde, dass der gesamte Film mit seiner Atmosphäre und dem Figurenensemble gut gelungen ist. Darauf bin ich stolz.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Der ORF strahlt die neue Reihe ab Samstag, den 7. Oktober 2024, aus. Das ZDF zeigt den Film am 16. September 2024.
13.09.2024 11:25 Uhr Kurz-URL: qmde.de/154391
Fabian Riedner

super
schade


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Tags

Der Geier

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