Am vergangenen Freitag schied Rudi Carrell aus dem Leben. Der gebürtige Holländer war einer der größten Entertainer Deutschlands. Am Ende siegte der Lungenkrebs über ihn. Die Krebserkrankung verwunderte den Entertainer aber nicht; er habe stets gewusst, dass es sich irgendwann bemerkbar machen werde, am Tag bis zu drei Schachteln „Lord Extra“ geraucht zu haben. „Hätte ich schon längst haben müssen“, meinte er in seinem letzten Interview.
Fernsehpremiere in Deutschland feierte Kesselaar im Jahr 1965: Radio Bremen strahlte zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal seine «Rudi Carrell Show» aus. Und so nahm Carrells Karriere ihren Lauf: Schnell stieg er in den Showolymp auf und fand sich neben populären Moderatoren wie Hans-Joachim Kulenkampff wieder. Kurzum: Ein neuer Star für die Samstagabend-Show war geboren. So wurde die «Rudi Carrell Show» 1974 durch «Am laufenden Band» ersetzt. Die Spielidee war einfach: Ein Kandidat, ein Laufband und ganz viele Gegenstände. Das Förderband transportierte alle an dem Mitspieler vorbei. Jeden Gegenstand, an den sich der Kandidat am Ende noch erinnerte, durfte dieser fortan sein Eigen nennen. Die Show war ein voller Erfolg, erreichte in ihrer besten Zeit Einschaltquoten von bis zu 64 Prozent.
Seine Autobiografie „Gib mir mein Fahrrad wieder“ erschien 1979; 1981 ging «Rudi kann’s nicht lassen» auf Sendung. Im gleichen Jahr startete auch die Radio-Bremen Sendung «Rudis Tagesshow», eine Persiflage der Nachrichtensendung «Tagesschau». Ab 1984 lief «Die verflixte Sieben», eine Show, die an den Erfolg des laufenden Bandes anknüpfen sollte, es aber nicht wirklich tat. Jeder Kandidat erhielt und tauschte während der Sendung sieben symbolische Gegenstände. Jeder Gegenstand stand verschlüsselt für einen Gewinn oder eine Niete. Ziel war es, am Schluss das zurückbehaltene, vermeintlich wertvollste Symbol gegen einen Gewinn - der eben auch eine Niete sein konnte - einzutauschen. Zum geflügelten Wort entwickelte sich dabei der in jeder Folge mehrfach vorkommende Ausspruch „Das wäre Ihr Preis gewesen!“ Das Konzept der Sendung war klar komplizierter als seine ehemalige Sendung «Am laufenden Band».
Auch mit über 60 steckte Rudi Carrell noch voller Ideen: So startete 1987 die von vielen an kultig angesehene Kuppel-Show «Herzblatt». „Flirten ist ein wahnsinniges Thema – warum haben wir das eigentlich nicht?“, dachte sich Carrell, als er im britischen Fernsehen zufällig eine Flirtshow sah. Das Konzept ging schnell auf: Millionen Menschen lachten mit dem Niederländer und den – oftmals einfallslosen – Sprüchen der Kandidaten. Sechs weitere Moderatoren folgten ihm, doch kaum einer von ihnen brachte nur annähernd den Charme Carrells mit. Kurz vor seinem Tod wurde «Herzblatt» schließlich eingestellt.
Im gleichen Jahr, in dem die Kuppelshow ins Fernsehen kam, sorgte Carrell jedoch für noch größeres Aufsehen – sogar weltweit. Am 15. Februar 1987 zeigte er in seiner «Tagesshow» wie Ayatollah Khomeini in Damenunterwäsche wühlte: Zuerst wurde Khomeini mit nach unten ausgestreckten Händen gezeigt, im nächsten Schnitt waren Hände zu sehen, die in einen mit BHs und sonstigen Dessous gefüllten Korb griffen. Dieser 6-sekündige "Gag" war für Carrell folgenschwer, denn binnen weniger Tage waren die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran schwer gestört. Deutsche Diplomaten wurden ausgewiesen und das Goethe-Institut sogar geschlossen. Selbst viele Flüge nach Teheran wurden abgesagt. Am Ende musste sich Carrell öffentlich entschuldigen.
1996 landete Carrell schließlich einen wahren Glücksgriff: Als Produzent und Teil des Stammtisches von «7 Tage – 7 Köpfe» erreichte er Woche für Woche oft weit mehr als sechs Millionen Zuschauer. Doch nach sechs Jahren zog er sich hinter die Kamera zurück, nur bei besonderen Anlässen zeigte er sich vor der Kamera. Ein bewegender Moment war sicherlich die letzte Folge, die im Dezember 2005 ausgestrahlt wurde: Wortlos schüttete der von schwerer Krankheit gezeichnete Entertainer seinem Kollegen Harald Schmidt ein Glas Wasser über die Hose.
Seinen letzten Fernsehauftritt hatte Rudi Carrell im Februar, als er die „Goldene Kamera“ für sein Lebenswerk - bereits deutlich geschwächt – entgegen nahm. „Ich glaube, man hat bei der «Goldenen Kamera» gemerkt, dass ich sehr dankbar bin. Ich habe mein Leben genießen dürfen“, so Carrell. „Wäre ich in Holland geblieben, wäre ich vielleicht Intendant eines Fernsehkanals geworden. Wie langweilig! Deutschland hat mir zehnmal mehr gegeben, als ich mir je erhofft habe. Ich verdanke diesem wunderbaren Land mein Leben.“
Seinen Humor verlor Rudi Carrell bis zu seinem Tod am vergangenen Freitag nicht: „Ich habe zu meinen Kindern gesagt, dass ich keine öffentliche Beerdigung will. Aus Angst vor den »Jacob Sisters«! Mit ihren komischen Pudeln zerstören sie doch jede Atmosphäre. Die sind auch bei Moshammer aufgetaucht!“ Die Deutschen werden Rudi Carrell so in Erinnerung behalten, wie er es sich immer wünschte: Als einen Mann, der sie gut unterhalten hat.
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