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«Kaos»: Netflix macht das Kaos perfekt

Bei Netflix sind die Götter los. Entstand daraus auch eine göttliche Serie?

Wenn Netflix eine Serie veröffentlicht, die griechische Mythologie mit einer Prise Humor und einer ordentlichen Portion Wahnsinn vermischt, kann man eigentlich sicher sein, dass es zumindest nicht langweilig werden wird. «Kaos», die neueste Produktion des Streaming-Giganten aus dem amerikanischen Los Gatos, ist dabei genau das: ein flippiges, aber zugleich überraschend tiefgründiges Abenteuer, das sich mit den Launen der Götter beschäftigt – und dabei ziemlich viel Spaß macht.

Die Prämisse könnte kaum absurder sein: Zeus, gespielt von niemand Geringerem als Jeff Goldblum, entdeckt eine kleine Falte auf seiner Stirn. Für den allmächtigen Gott ist das nichts weniger als eine Katastrophe, die das Ende seiner Herrschaft und möglicherweise sogar das Ende der Welt einläuten dürfte. Paranoia und Wut überkommen ihn, und schon bald richtet sich sein Zorn gegen alles und jeden, das irgendwie in dieses göttliche Durcheinander verwickelt sein dürfte. Goldblum ist als Zeus eine Offenbarung – seine exzentrische Darstellung des Göttervaters, der irgendwo zwischen Allmacht und Midlife-Crisis schwankt, bringt die nötige Portion Absurdität in die Serie. Man merkt, dass er die Rolle mit sichtlichem Vergnügen spielt und es liebt, den nervösen und zugleich gefährlichen Zeus zum Leben zu erwecken.

Doch «Kaos» wäre nicht halb so unterhaltsam, wenn es sich nur auf Goldblum verlassen würde. Der Rest des Ensembles ist nicht minder stark besetzt: Janet McTeer als Hera ist sowohl majestätisch als auch erschreckend, während Cliff Curtis einen vergnüglich grummelnden Poseidon abgibt. David Thewlis als Hades ist düster und faszinierend zugleich, und die Darsteller der menschlichen Figuren, darunter Killian Scott als Orpheus und Aurora Perrineau als Riddy (Eurydike), bringen bald die notwendige Erdung in das himmlische Durcheinander.

Die Serie brilliert indes besonders dann, wenn sie sich traut, die Mythen, die wir alle kennen, zu dekonstruieren und neu zu interpretieren. Das Drehbuch hält sich nicht sklavisch an die antiken Vorlagen, sondern erlaubt es sich durchwegs, munter herumzuexperimentieren. So ist Medusa, gespielt von der wunderbaren Debi Mazar, nicht nur das Opfer eines göttlichen Fluchs, sondern eine vielschichtige Figur, die sich ihren Platz in der Götterwelt mit Biss erkämpft.

Das eigentliche Highlight von «Kaos» ist jedoch die durchwegs gelungene Mischung aus Humor und Drama. Die Serie nimmt sich selbst nicht allzu ernst, wodurch sie erfrischend leicht und gleichzeitig tiefgründig ausfällt. Dabei gelingt es den Autoren und Regisseuren, Themen wie Macht, Identität und das Schicksal auf spielerische Weise zu behandeln, ohne in die typischen Klischees abzudriften. Die Dialoge sind oft bissig und clever, was dem ganzen Spektakel eine zusätzliche Ebene verleiht.

Natürlich ist «Kaos» nicht perfekt – schließlich wurde die Serie nicht von den Göttern höchstpersönlich produziert. Manchmal verliert sich die Handlung in all dem bunten Treiben und reißt zu viele Nebenbaustellen auf. Aber nennen wir es einfach einen ebenso vergnüglichen Teil ihres Charmes – denn wie der Titel schon sagt, ist das Chaos hier Programm. So entstand ein wilder Ritt durch die griechische Götterwelt in einer Serie, die beweist, dass auch inmitten von Göttern und Mythen Platz für Humor und Menschlichkeit ist.

Die Serie «Kaos» ist ab dem 29. August im Portfolio von Netflix enthalten.
27.08.2024 11:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/154273
Oliver Alexander

super
schade

86 %
14 %

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Kaos

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