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‚Wir wollten die Migrationsthematik in Südspanien behandeln‘

Lukas Steinbrecher und Constantin Gross von VeyVey Films GmbH sprachen mit Quotenmeter über das Surfen und die Geschichten dahinter.

Am 7. August strahlt der WDR um 23.00 Uhr Ihre Dokumentation «Surf On, Europe!» aus. Warum haben Sie sich für diese ARD-Anstalt entschieden?
Wir hatten das Glück, mit «Surf On, Europe!» im Jahr 2018 in die Documentary Campus Masterschool aufgenommen zu werden, einem europäischen Entwicklungsprogramm für Dokumentarfilme. Das Programm endete damit, dass wir auf dem Dokumentarfilmfestival DOK Leipzig den Film u.a. vor diversen TV-Sendern gepitcht haben. Wir waren im Anschluss mit verschiedenen Sendern im Gespräch und der WDR hat direkt großes Interesse bekundet. Wir sitzen mit unserer Filmproduktionsfirma VeyVey Films ja auch in Köln und haben uns ziemlich schnell auf einen Kaffee getroffen, um die ersten Schritte zu besprechen. «Surf On, Europe!» ist übrigens schon ab dem 05. August in der ARD Mediathek zu finden.

Können Sie uns erläutern, was uns in Ihrem Film «Surf On, Europe!» erwartet?
Wir begleiten unsere drei surfenden Protagonist:innen über einen längeren Zeitraum, während sie vor verschiedenen sozialen oder politischen Hürden Herausforderungen stehen. Majid, ein Kitesurf-Lehrer in Tarifa, Spanien, sehnt sich nach seiner Familie, die aufgrund von Visabeschränkungen in Marokko feststeckt. Er bahnt sich seinen Weg durch den Dschungel der Bürokratie, um ihnen die Möglichkeiten eines europäischen Passes zu bieten. In Biarritz, Frankreich, stellt Margaux Geschlechterstereotypen in der heteronormativen Surfszene infrage. Genervt von sexistischen Klischees organisiert sie mit Freundinnen das erste LGBTQ-freundliche Surf-Festival Europas. Aufgewachsen im Nordirlandkonflikt, entkam Rosy den Unruhen in Derry durch das Surfen. Inmitten einer tief gespaltenen Gesellschaft sucht der Surfboard-Shaper nach Halt, während er sich selbstständig macht. «Surf On, Europe!» erforscht Europas Versprechen von Freiheit und die anhaltenden Herausforderungen, die es bedrohen.

Zahlreiche Dokumentationen werden heutzutage als Dreiteiler versendet, warum haben Sie sich für einen eineinhalbstündigen Film entschieden?
Die Geschichten von den drei sehr starken Charakteren werden parallel erzählt und treiben sich gegenseitig dramaturgisch voran. Dabei war es uns auch wichtig, einzelne Geschichten mal ruhen zu lassen und dem Publikum die Möglichkeit zu geben, bestimmte Ereignisse erstmal sacken zu lassen und die Bilder zu genießen. Gleichzeitig sollte die Botschaft des Films als Gesamtwerk wahrgenommen werden und nicht aufgeteilt auf drei kürzere Werke. «Surf On, Europe!» spielt in verschiedenen Ländern, letztendlich geht es aber um Europa als Ganzes.

Wie haben Sie die passenden Personen für Ihr Projekt gefunden und welche Rolle spielten dabei die besonderen lokalen Gegebenheiten in Südspanien, an der Grenze zwischen Irland und Nordirland sowie in Südfrankreich?
Wir hatten sehr genaue Vorstellungen von den Profilen der Charaktere. Zuerst wurde das Konzept entwickelt, es standen also schon Drehorte mit entsprechender Thematik fest. Dort haben wir in der Surfszene nach passenden Personen gesucht, während wir vor Ort waren;

In Südspanien prallen Welten aufeinander, wenn Touristen an den selben Stränden surfen gehen, an denen Geflüchtete in Booten aus Marokko ankommen und dabei ihr Leben riskieren. Also haben wir nach einer Person gesucht, die diese Welten inhaltlich miteinander verbinden kann.

Die Grenze zwischen Irland und Nordirland ist auch Jahrzehnte nach dem Nordirlandkonflikt ein Thema, das dort für Unruhen sorgt. Nach dem Brexit-Referendum war absehbar, dass politische Spannungen wieder aufleben können, in einer Gesellschaft, die auch Jahrzehnte danach noch immer tief gespalten ist. Wir wollten wissen, wie das für eine Person ist, die sowohl den Bürgerkrieg als auch den Friedensprozess miterlebt hat und für die das Surfen eine tragende Rolle gespielt hat. Wir haben mit vielen Leuten gesprochen und immer häufiger tauchte Rosys Name auf. Er war der perfekte Kandidat und wahrscheinlich auch der einzige auf der Insel.

Wir hatten Südfrankreich als Wiege des europäischen Surfens schon relativ früh ins Auge gefasst und mit vielen Einheimischen aus der Gegend gesprochen, teilweise sogar schon gedreht. Wir sind dann irgendwann bei der Recherche auf das Queen Classic Surf Festival aufmerksam geworden und haben Margaux kontaktiert, ob sie Interesse hätte, bei unserem Projekt mitzumachen.

Sie haben sechs Jahre für die Dokumentation gedreht. Wie wurde das Projekt finanziert?
Zuerst haben wir viel Zeit in das Projekt gesteckt, die nicht bezahlt wurde. Es war definitiv unser größtes Herzblutprojekt bisher, an dem wir viel lernen und wachsen konnten. Dass der WDR nach einiger Zeit als Koproduzent mit an Bord kam, war natürlich eine sehr wichtige finanzielle Unterstützung.

Beeindruckend sind vor allem die Aufnahmen im Meer. Können Sie uns verraten, wie diese Bilder entstehen?
Wir haben ein spezielles Unterwassergehäuse für unsere Kamera, mit dem wir raus aufs Meer schwimmen konnten. Tauchen muss man dabei nur für einen kurzen Moment, nämlich wenn man unter den Wellen durchtaucht, um zu den Wellen raus aufs Meer zu schwimmen. Oder wenn man von einer brechenden Welle unter Wasser gezogen wird und sich kurz so fühlt, als würde man von einer gigantischen Waschmaschine durchgeschleudert werden. Erfahrung im Surfen ist definitv hilfreich um zu wissen wie man sich positioniert und in der Brandung verhält.

«Surf On, Europe!» ist auch ein Liebesbrief an Europa. Wie können wir uns das vorstellen?
Wir sind in Köln groß geworden und zum Surfen mussten wir in andere Länder fahren. Dass wir uns frei bewegen können, ohne spürbare Grenzen, haben wir immer als selbstverständlich wahrgenommen. Wir sind damit aufgewachsen und kannten es nicht anders. Dann kam das Ergebnis vom Brexit-Referendum und parallel wurde der Rechtspopulismus in Europa immer stärker. Das Konzept Europa bröckelt immer weiter und wir machen uns oft zu wenig bewusst, was wir hier alles an Privilegien genießen.

Auch dahingehend, wie frei wir uns hier entfalten können im Vergleich zu anderen Orten auf der Welt. Das wollten wir greifbar machen, ohne trockene Schlagzeilen, sondern durch die Geschichten von unseren surfenden Protagonisten.

Zwischenzeitlich dreht sich die Dokumentation auch um Flüchtlinge.
Es war von Anfang an klar, dass wir die Migrationsthematik in Südspanien behandeln wollten. Wenn man am südlichsten Punkt Europas steht, sieht man bei klarer Sicht die Häuser in Marokko. Hier liegen nur 14 Kilometer Meer zwischen den beiden Kontinenten. Zum Zeitpunkt der Recherche sind die Fluchtrouten noch so verlaufen, dass in Südspanien täglich teils hunderte Geflüchtete angekommen sind.

Die Dokumentation «Surf On, Europe!» lief auf im deutschen Kino. Wie viele Zuschauer konnten Sie verzeichnen?
Die Kinotour läuft aktuell noch und die Zahlen wurden nicht vollständig ausgewertet. Wir sind auf jeden Fall sehr zufrieden damit, wie es bisher gelaufen ist, und konnten in den letzten Monaten aufgrund von ausverkauften Kinos einige Zusatztermine festmachen.

Sie waren für den Max Ophüls-Preis nominiert. Haben Sie sich gefreut?
Der Film hatte seine Premiere auf dem Filmfestival Max-Ophüls-Preis und lief dort im Wettbewerb Dokumentarfilm. Wir sind ziemlich glücklich darüber, dass «Surf On, Europe!» sowohl in der Surfszene als auch in der klassischen Dokumentarfilmszene seinen Platz gefunden hat und der Film für jede Altersgruppe funktioniert - ganz egal wie affin man für Wassersport ist.

«Surf On, Europe!» läuft am 7. August um 23.00 Uhr im WDR Fernsehen. Außerdeem ist der Film in der ARD Mediathek abrufbar.
05.08.2024 12:28 Uhr Kurz-URL: qmde.de/153583
Fabian Riedner

super
schade


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Surf On Europe!

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