Eine Studie zeigt, dass die Einführung von werbebasierten Abos zusammen mit dem Vorgehen gegen Account-Sharing lukrativ ist. Doch ein Beispiel zeigt schon jetzt, dass auch dieses Wachstum an eine Grenze stößt.
Eine von der Unternehmensberatung „Simon-Kucher“ durchgeführte Studie zeigt, dass in Deutschland jeder Nutzer im Schnitt für 2,7 Streaming-Abonnements zahlt. Im Vorjahr belief sich dieser Wert noch auf 2,1 Abos. Nicht nur Abo-Anzahl ist gestiegen auch das monatliche Budget pro Abo war ansteigend. So legt man pro Abo im Schnitt 16 Euro (+6 Euro) hin, allerdings fiel das Gesamtvolumen von 25 auf 23 Euro. Das Gesamtbudget lässt somit nur ein Abo dieser Preisklasse zu, dennoch zeigt sich eine fast schon paradoxe Entwicklung.
„Wir sehen dabei eine starke Verschiebung von kostenlosen Online-Diensten hin zu Bezahl-Abos“, erklärt Lisa Jäger, Partnerin und Global Head of Technology, Media & Telco bei „Simon-Kucher“. Verzeichneten Plattformen wie Amazon Freevee im letzten Jahr noch einen starken Nutzungszuwachs, ist dieser Trend aktuell eher rückläufig. Umso gefragter sind dagegen Abonnements, die dank Werbung etwas günstiger geraten. Mehr als jeder fünfte Deutsche (22%) hat ein Streaming-Abo mit Werbung. Bei den größten Playern im Markt, den US-Streamern Disney+ und Netflix äußert sich das wie folgt: Bei Disney+ sind es 14 Prozent und bei Netflix 20 Prozent, die sich aktiv für das Werbe-Abo entscheiden.
„Besonders bei Netflix nehmen die Werbeabos aber rasant zu", so Jäger. Im Vergleich zu 2023 hat sich die Anzahl verdreifacht. „Der Streaming-Riese legt eine erhebliche Entwicklung hin – auch getrieben durch den Preisdruck bei den Usern.“ Aber grundsätzlich gilt: Die Inflation habe User an höhere Preise gewöhnt, wie Jäger beobachtete.
Amazon hat einen Vorteil
Bei Hauptkonkurrent Amazon Prime Video stellt sich die Rechnung ein wenig anders auf. Dort wurden die User jüngst auf eine Werbe-Abo umgestellt, Werbefreiheit muss gezielt für einen Aufpreis erworben werden. Ganze 77 Prozent der Kunden nutzen diese Option. Damit ist der Anteil (23%) von werbebasierten und damit günstigeren Abos unter den drei Playern zwar am größten, doch Abos sind für Amazon bekanntlich nicht die einzige Einnahme-Quelle. „Viele sehen das Streaming-Angebot von Amazon aber als Goodie zum Versandservice in der Prime-Mitgliedschaft. Vor diesem Hintergrund wirkt der Aufschlag (2,99 Euro pro Monat mehr,
Anmerkung der Redaktion) für das Werbefrei Add-On günstig. Preispsychologisch clever gemacht!", urteilt Jäger, die den Anteil an werbefreien Abo vor diesem Hintergrund als „beachtlich“ bewertet.
Dass sich der Trend hin zum werbebasierten Streaming fortsetzt, ist aber nicht in Stein gemeißelt. Viele Anbieter befänden sich noch in einer Test-Phase. Zwar wuchs der TV-Werbemarkt im Juni in Deutschland erneut an (+5% im Vergleich zu Juni 2023) an, doch laut Jäger gehe die Rechnung die entgangenen Umsätze durch weniger teure, werbefreies Abos durch Werbeeinnahmen zu kompensieren nicht immer auf. Auf globaler Ebene kannibalisiert sich Netflix mit dem Werbeabo sogar zunehmend. So zeigte die Streaming-Studie, dass die Zahl der User, die von einem teureren Netflix-Abo zum günstigeren Werbe-Abo wechselten, von 42 Prozent auf 46 Prozent stieg. Bei Disney+ sank sie hingegen stark von 52 auf 36 Prozent.
Weitere Entwicklung bleibt abzuwarten
Auf regionaler Ebene könnten die Ergebnisse jedoch ganz anders ausfallen. „Das Werbepaket von Disney+ ist in Deutschland noch zu jung, um verlässliche Aussagen zu treffen“, erklärt Sophia Felgner, Director bei Simon-Kucher. „Während es auf globaler Ebene zahlreiche Neukunden lockt, könnte Disney+ in Deutschland ein ähnliches Schicksal wie Netflix blühen.“ So verzeichnet das 2022 eingeführte Netflix-Werbe-Abo zwar immer mehr User, aber auch eine noch höhere Kannibalisierungsrate als auf internationaler Ebene. Grund für Netflix‘ Wachstum war das Vorgehen gegen das Account-Sharing. Sharing-Restriktionen haben den Anteil der Account-Mitnutzer bereits auf 20 Prozent sinken lassen. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der User, die bei Restriktionen nicht mehr Abos von Bekannten mitnutzen können, zeigen sich bereit, selbst ein Abo abzuschließen, sodass sich Werbe-Abos als ein ideales Einstiegsprodukt anboten. Und Netflix hat noch ein Ass im Ärmel: Zusätzlichen Anreiz bietet ein Gaming-Paket: 36 Prozent der U40-Jährigen würden bei integrierten Spiele-Optionen eher ein Abo abschließen.
Der Streaming-Markt bleibt gerade in Zeiten höherer Lebenshaltungskosten umkämpft. Mithilfe der werbebasierten Abos haben es die US-Streamer bereits geschafft haben, Wachstumsschwächen auszugleichen. Es ist aber weiterhin Bewegung drin und vermeintliche Randaspekte wie ein Gaming-Paket kann ein hilfreicher Anreiz sein. Spannend dürfte auch die Entwicklung von Disney+ sein. Der mit vielen familienfreundlichen Inhalten gespickte Dienst könnte sein relativ niedriges Niveau an Abos mit Werbung halten, könnten manche Familien darauf setzten, ihren Kindern möglichst keine Werbung vorzusetzen.
Die repräsentative Simon-Kucher Streaming Study 2024 wurde im April und Mai 2024 von Simon-Kucher in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Marktforschungsinstitut Walr durchgeführt. 12.163 Konsumenten in zwölf Ländern weltweit wurden unter anderem zu Streaming-Verhalten, Inhaltspräferenzen und Zahlungsbereitschaft befragt. Im Text wurde auf die Ergebnisse in Deutschland eingegangen.
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