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Uli Fritz: ‚Die Quoten steigen bei den Bergetappen‘
Fritz ist SR-Sportchef und ARD-Teamchef Tour de France, der im Quotenmeter-Interview über die Rehabilitation über den Radsport spricht.
Hallo Herr Fritz, im vergangenen Jahr erreichte die Tour de France noch mehr Zuschauer als in den Vorjahren im Ersten. Hat Sie der Reichweiten-Anstieg gefreut?/b>
Ja, selbstverständlich. Das zeigt uns, dass die Tour auch ohne die ganz großen Erfolge deutscher Fahrer funktioniert. Das Ereignis an sich ist faszinierend, der Kampf um den Toursieg ist spannender geworden, die Bilder werden von Jahr zu Jahr besser. Radfahren ist in. Vor allem hat es mich gefreut, dass wir bei den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern, auch dank unseres höheren Engagements in den sozialen Medien, deutlich dazugewonnen haben.
In diesem Jahr beginnt die Radrundfahrt in Italien und endet mit der Strecke von Monaco nach Nizza. Haben die Verantwortlichen eine schöne Strecke zusammen gestellt?
In der Tat. Eine weltberühmte Stadt wie Florenz als Startort, das wird ein Bilderspekakel gleich zu Beginn. Am vierten Tag geht es schon mal über die Alpen, Schotterstraßen stehen auf dem Programm, die Auvergne, die Pyrenäen, die Südalpen und am Ende eben das genannte Finale mit einem Zeitfahren von Monaco nach Nizza. Die Tourplaner wollen gegen die Konkurrenz aus Euro und Olympia, beide im Herzen Europas, bestehen.
Wir haben die Analyse gemacht: Die Fans lieben die Berg-Etappen. Von 21. Etappen sind nur sieben Tage mit Bergen dabei. Könnte das die Reichweiten schmälern?
Das ist immer so. Die Quoten steigen bei den Bergetappen. Aber schon Tag 1 über den Appenin bietet fast 4.000 Höhenmeter, die Etappe in der Auvergne ist superschwer; dazu Zeitfahren und eine gefürchtete Etappe über mehr als 30 Kilometer Schotter, auch das verspricht Spannung und dann eben auch Publikumsinteresse.
In diesem Jahr haben wir „den“ besonderen Sportsommer. Wenn die Gruppenphase der Europameisterschaft vorbei ist, fährt die Tour. Sind Sie mit der Planung der Organisationen zufrieden?
Es gab keine andere Wahl. Schon die zweite Tourwoche tritt nur noch gegen Halbfinalspiele und Finale der Euro an. Dann ist noch ein bisschen Luft bis zu den Olympischen Spielen. Diese Terminballung gibt es alle paar Jahre.
Zuletzt gab es im Radsport bei der Giro d’Italia 2024 Aufregung, dass man bei Wintertemperaturen fahren sollte. Konnten Sie den Missmut nachvollziehen? Schließlich wurde der Umbrailpass (2498 Meter) kurzfristig aus dem Programm genommen.
Der Giro findet im Mai statt. Da liegt eben in den Bergen manchmal noch Schnee. Das ist nichts Neues. Immer wieder gab es Jahre, in denen die Fahrer auf Schnee fahren mussten. Und selbst bei der Tour wurde 2019 die Etappe nach Tignes annuliert, nach Schneesturm und Erdrutschen. Bei meiner ersten Tour 1996 fielen in Val d’Isere Anfang Juli über Nacht 20 Zentimeter Neuschnee, am nächsten Tag konnten sie nicht über den Iseran fahren. Bei einer Freiluftsportart kann das passieren. Da ist dann eben ein Plan B gefragt.
Um Paris macht die Tour de France in diesem Jahr einen Bogen. Macht diese Entscheidung Sinn, wenn nur kurz danach die Olympischen Sommerspiele starten?
Das war eine klare Ansage der französischen Polizei, die nicht fünf Tage vor der Eröffnungsfeier der Spiele noch das Finale der Tour in Paris stemmen kann. Alternativlos.
Mitte August überträgt Das Erste auch die Tour de Femmes im Ersten. Glauben Sie, dass die Reichweiten ebenfalls stimmen werden?
Alles braucht seine Zeit. Der Tour de Femmes sollte man deshalb noch ein bisschen Vorschuss gewähren. Frauensport boomt, der Radsport auch. Lassen wir uns positiv überraschen.
Die dritte Tour dauert nur eine Woche. Hätten Sie sich auf mehr Etappen gefreut?
Auch hier gilt: Kommt Zeit, kommen Etappen. 2025 wird es schon eine mehr sein. Ganz offen gesagt: In diesem Sportsommer ist so viel los, dass die sieben Tage ausreichen. Denn in der Woche drauf steht ja noch die Deutschlandtour mit dem Finale in Saarbrücken auf dem Programm.
Der Radsport hat sich nach den Dopingfällen quotenmäßig erholt. Wie hat er dies geschafft?
Der Sturz des Radsports war tief. Daraus wurden einige Lehren gezogen. Eine Generation junger Fahrer wie Marcel Kittel, John Degenkolb oder Tony Martin ging an die Öffentlichkeit und distanzierte sich von den schwarzen Tagen des Radsports. In keiner anderen Sportart wurde dann so viel kontrolliert wie bei den Radprofis. Das ist keine Garantie für nichts, aber die Anstrengungen wurden offenbar anerkannt. Und die Erkenntnis war gewachsen, dass der Radsport beileibe nicht allein ein Dopingproblem hatte. Die Grundfaszination dieser Sportart mit ihren Bildern und Geschichten trat wieder in den Vordergrund.
Herr Fritz, viele Radsport-Fans fahren vor allem die Bergtouren selbst ab. Haben Sie sich schon einmal daran versucht?
Da ich eher der Typ „kräftiger Sprinter“ bin, unser Hund nicht ans Radfahren gewöhnt ist und zudem vor allem die Radwege entlang der Saar eher als Flachetappen einzustufen sind, habe ich die Herausforderung Alpe d’Huez oder Mont Ventoux noch nicht gewagt. Als Rentner dereinst sehe ich hier noch Potential, würde aber zunächst mit dem Dollberg im Naturpark Saar-Hunsrück beginnen. 😉
Vielen Dank für Ihre Zeit!
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