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Vergessene Serien: «Department S» & «Jason King»

Das britische Fernsehen kann auf eine lange Tradition hochwertig produzierter TV-Serien zurückblicken. «Department S» setzte früh auf Schauwerte und eine erstaunliche Diversität, «Jason King» setzte die Serie fort. Ob sie heute noch ihr Publikum finden?

Department S

  • Großbritannien 1969/70
  • Produzent: Monty Berman
  • Kamera. Frank Watts, Brian Elvin,
  • Produktionsgesellschaft: ITC
  • Musik: Edwin Astley
  • Idee: Dennis Spooner, Monty Berman
  • Darsteller: Joel Fabiani, Rosemary Nicols, Peter Wyngarde, Dennis Alaba Peters
  • Die Serie wurde auf 35mm Filmmaterial gedreht, 4:3
Der Blick der Gegenwart richtet sich bezüglich der bereits gewürdigten Qualität britischer TV-Produktionen stets auf die BBC. BBC-Serien sind eine Marke für sich, ein Qualitätssiegel, an dem sich Serienmacher weltweit heute orientieren. Seinen über Jahrzehnte gewachsenen guten Ruf verdankt das britische Serienfernsehen der BBC allerdings vor allem seinen exzellent geschriebenen und gespielten Produktionen und nicht unbedingt ihrer bildhaften Umsetzung. Aus Kostengründen nämlich produzierte die BBC bis Anfang der 1990er Jahre Serien primär auf Magnetband. Zumindest gilt dies für die Studioszenen. Außendrehs entstanden auf 16mm-Filmmaterial. Tatsächlich waren BBC-Serien Bühnenserien. Man drehte mit einer wenig agilen Kamera auf einer gut ausgeleuchteten Bühne. Filmisch betrachtet ist das im Grunde genommen enttäuschend, ja billig. Ohne seine narrativen Qualitäten würde dieses Fernsehen heute vermutlich nur noch in Kuriositätenkabinetten Aufmerksamkeit erlangen.

Das privatrechtlich organisierte Fernsehen, ITV, ging einen anderen Weg. Da ITV ursprünglich als Sendernetzwerk gegründet worden ist, in dem Anfang der 1960er Jahre etwa ein Dutzend Regionalsender eigene Programme produzierten, konnte dieses Netzwerk nur gegen die BBC bestehen, indem man in der Serienproduktion kooperierte und Schauwerte erschuf, die die BBC nicht bieten konnte, beziehungsweise nicht bieten wollte. An diesem Punkt kommt die Produktionsgesellschaft ITC Entertainment ins Spiel. ITC hat sich in den frühen 50er Jahren um eine Lizenz für die privaten Sendelizenzen beworben, ist aber bei der Vergabe nicht berücksichtigt worden. Dennoch bekam ITC Entertainment seinen TV-Moment – als Serienentwickler und Produzent für die Sender des ITV-Sendernetzwerkes. Und bei ITC erkannte man etwas, was selbst die Amerikaner nicht verstanden: Der TV-Serienmarkt ist ein globaler! Natürlich verkaufen die Amerikaner seit den 1950er Jahren ihre Serien weltweit. Produziert aber wurden US-Serien bis in die Neuzeit hinein für den amerikanischen Markt. Eine Serie musste in den USA funktionieren. Floppte sie dort, wurde sie abgesetzt. Der internationale Lizenzverkauf war eher ein Beibrot, eine nette Dividende, die aber nicht im Fokus stand. Der TV-Serienmarkt der Frühzeit des Fernsehens (die 1950er/1960er) war generell ein nationaler. Man produzierte für das Publikum vor den heimischen TV-Empfangsgeräten. Da das Fernsehspiel, ob Film oder Serie, als schnöder Abkömmling des Kinos galt, produzierte man letztlich überall vergleichsweise kostengünstig – wenn man das Wort billig vermeiden möchte. Schauwerte suchte man weitestgehend vergeblich.

Die Kooperation ITV/ITC erweist sich in diesem Zusammenhang als ein Glücksfall, denn ITV brauchte Serienfutter, das sich inszenatorisch/visuell von der BBC abhob, ITC wiederum war bereit dieses Serienfutter zu liefern, wissend, dass das ITV-Netzwerk nur einen Teil der Budgets tragen würde. Über eine Tochtergesellschaft holte sich ITV dann sein Geld durch den internationalen Lizenzverkauf, wobei dies an erster Stelle bedeutete, die eigenen Serien in die USA zu verkaufen. Das erklärt, warum in von ITC produzierten Serien der Zeit immer wieder Amerikaner in Hauptrollen zu sehen sind – sie waren ein Zugeständnis ans US-Publikum.

Auch Joel Fabiani ist Amerikaner. Der 1936 geborene Kalifornier kam nach Großbritannien, um dort die Hauptrolle von «Department S» zu spielen. Fabiani ist Stewart Sullivan, ein Agent einer streng geheimen, von Paris aus agierenden Interpol-Spezialeinheit, die dann zum Zuge kommt, wenn andere Polizeikräfte nicht mehr weiter wissen. Das Department agiert nicht selten am Rande der Legalität (und manchmal auch darüber hinaus). Sullivan, ein ehemaliger FBI-Agent, bleibt dabei ein Unbekannter. Woher er stammt, was ihn antreibt, es bleibt ein Geheimnis, und das funktioniert selbst heute noch ganz anständig. Im Grunde ist Sullivan ein Mann ohne Vergangenheit, ein Profi, der vor Körpereinsatz nicht zurückschreckt. Ihm zur Seite steht Annabelle Hurst (Rosemary Nichols). Und an diesem Punkt wird die Geschichte interessant und – überraschend modern. Annabelle ist eine Computer-Analysten. Auch wenn sich im Verlauf der Serie natürlich eine kleine Romanze zwischen den beiden Hauptfiguren anbahnt und – es ist 1969 – Annabelle durchaus auf Stewarts männliches Auftreten abfährt: Im Team agieren die beiden auf Augenhöhe.

Die Fälle der Serie sind höchst unterschiedlich und bewegen sich meist in Sphären, die sich Richtung Spionage bewegen. Da ist etwa das Verschwinden eines Wissenschaftlers und die Ermordung seines Financiers, der offenbar gezielt ermordet worden ist; eine Mordserie in der Londoner U-Bahn betrifft offenbar direkt den Kommunikationsdraht zwischen dem britischen Premierminister und dem US-Präsidenten - und ein Koch, der ohne Gedächtnis in der Wüste entdeckt wird, scheint irgendwie mit dem amerikanischen Raumfahrtprogramm in Verbindung zu stehen. All diese Geschichten wirken selbst aus heutiger Sicht noch – flott. Natürlich haben sich Sehgewohnheiten verändert, natürlich wirkt die Action oft etwas unbewegt und die Drehbücher tun oft intelligenter als sie in Wahrheit sind. Aber – trotz ihres Alters macht «Department S» auch heute noch Spaß, wenn man sich eben von den Ansprüchen an eine Serie der Gegenwart verabschiedet. Die Geschichten sind schnell erzählt, die Spielortwechsel sorgen für Tempo, die Abwechslung aus Action und Humor lässt nie wirklich Langeweile aufkommen. Ganz nebenbei hat die Serie mit Sir Curtis Seretse eine faszinierende Figur erschaffen, die es so im britischen zuvor noch nie zu sehen gab. Sir Curtis ist der Chef der Einheit. Er allein trägt die Verantwortung, nur ihm ist Stewart Sullivan gegenüber Rechenschaft schuldig. Sir Curtis ist die graue Eminenz, die gleichzeitig seinen Leuten den Rücken freihält. Vor allem aber engagierten die Macher für diese Rolle den aus Gambia stammenden Schauspieler Dennis Alaba Peters. Das gilt für die britische TV-Geschichte als Meilenstein.

Jason King

Großbritannien 1971/72
Produzent: Monty Burman
Kamera: Diverse
Produktionsgesellschaft: :IT
Musik: Laurie Johnson
Idee: Dennis Spooner, Monty Berman
Darsteller: Peter Wyngarde, Anne Sharp, Ronald Lacey, Dennis Price
Die Serie wurde auf 16mm Filmmaterial gedreht, 4:3
Dass «Department S» nur zwei Staffeln vergönnt sein sollten, ist ihrem, aufpassen, Erfolg zu verdanken. Oder besser gesagt, einem Namen, der hier noch gar nicht genannt worden ist: Peter Wyngarde. Peter Wyngarde, im Januar 2018 verstorben, ist «Jason King». King ist ein Autor, ein Hedonist, ein Nonkonformist, ein Spötter, der schöne Frauen liebt, der ein gutes Leben lebt und der bei den Fällen eigentlich nur mitmacht, um sie später in Abenteuerromanen zu verarbeiten, mit denen er ordentlich Geld verdient. Obwohl Jason King ursprünglich als amüsanter Sidekick konzipiert worden ist, war Peter Wyngarde schon bald der Star der Serie. Seine extravaganten Outfits galten 1969 als Höhepunkt der Haute Couture der Londoner Swinging Sixtees, überall in Europa (und darüber hinaus) ließen sich Männer Wyngardes Bart wachsen. Wyngarde war die Stilikone des Jahrzehnt-Wechsels auf den britischen Inseln schlechthin. Mit den Klamotten heute auf einer 70er-Party? Man wäre heute der bewunderte Mittelpunkt. Und ja, die Serie mag 1969 gestartet sein, aber Wyngardes Stil wurde für die folgenden Jahre prägend. Auf seinen Bart sollte man heute jedoch verzichten, man nennt diese Art von Oberlippenbehaarung seit Mitte der 70er Jahre Pornobalken...

Die ungeheure Popularität, die Wyngarde erlangte, führte zu einer fatalen Entscheidung der Produzenten: Sie kippten das Konzept von «Department S» und starteten «Jason King», Wyngardes eigene Serie. Obwohl diese mit 26 Episoden auf nur zwei Episoden weniger kommt als «Department S» – konnte sie an den Erfolg der Serie nicht anschließen. Warum, das lässt sich aus heutiger Sicht nur vermuten, denn «Jason King» macht Spaß, weil Peter Wyngarde großartig ist. Wyngarde treibt Kings Hedonismus, seine Verachtung für das Bürgerliche, sein Playboy-Dasein derart auf die Spitze, dass es einen Heidenspaß macht, diesem Schauspieler zuzuschauen. Aus heutiger Sicht. Das Problem: Die Fälle, mit denen er sich herumschlägt, sind selten mehr als ein Beiwerk, um Wyngarde Platz für sein Spiel zu geben. Und das ist beim Publikum 1971/72 ganz offensichtlich nicht gut angekommen. Wo «Department S» den Aspekt der Krimiserie ernst nimmt, spielt «Jason King» mit ihren (noch jungen) Konventionen. In Deutschland sind denn auch nur 13 der 26 Episoden eingekauft worden, erst spät erschien der Rest auf DVD. Am Ende war «Jason King» seiner Zeit möglicherweise einfach einige Jahre voraus.

Beide Serien sind in Deutschland auf DVD erhältlich. «Department S» hat 2022 erst eine Neuauflage erhalten. Von «Jason King» gibt es hierzulande zwei Veröffentlichungen. 2020 ist eine Box mit den 13 deutsch synchronisierten Episoden erschienen. Eine Box mit allen Episoden (die nicht-synchronisierten Folgen wurden deutsch untertitelt) kam 2005 in den Handel.
29.06.2024 12:26 Uhr Kurz-URL: qmde.de/152460
Christian Lukas

super
schade


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