RTL erzählt Abend für Abend den EM-Spieltag nach. Das Problem: «Das RTL EM-Studio» ist faules Stammtisch-Gelaber-Fernsehen aus der inzwischen unkreativen Schmiede von Stefan Raab.
„Mir ist bis heute ein Rätsel, wie ein Mann wie Elton Karriere machen kann“, sagte Frank Elstner in der Sendung «Kurzstrecke mit Pierre M. Krause» im Juli 2022 und fügte an: „Der ist sicher sehr nett, aber er kann nichts.“ Verstanden wollte die Kritik nicht als persönliche Beleidigung, sondern eher als Angriff auf einen Mechanismus im Fernsehgeschäft. Elstner weiter: „Das ist wie eine Gang, die sich gegenseitig die Aufträge zugeschustert haben.“ Diese Kritik richtete sich freilich auch an Stefan Raab, der als TV-Produzent die deutsche TV-Landschaft prägte – und eben Elton immer wieder vor die Kameras zog.
Selbiges gilt derzeit auch für RTL. Stefan Raab verantwortet derzeit
«Das RTL EM-Studio – Alle Spiele, Tore, Emotionen», das von der von Raab und dem ehemaligen ProSieben- und Sat.1-Senderchef Daniel Rosemann gegründeten Produktionsfirma Raab Entertainment produziert wird. Elton fungiert im Wechsel mit Jan Köppen als Moderator. Raab, der einst simple wie geniale Show-Ideen wie die «Wok-WM», «Schlag den Raab» oder «TV total» auf die Bildschirme brachte, hat längst nicht mehr die kreative Energie vergangener Tage. Show-Events werden meist nur noch aufgewärmt, Neuentwicklungen wie «Täglich frisch geröstet» versanden derweil im Nichts. Umso interessanter war dementsprechend die Ankündigung, dass RTL von Raab produzierte Inhalte täglich zur Primetime auf den Sender schicken würde. Täglich um 20:15 Uhr will der Privatsender die Zuschauer mit den Highlights der Spiele versorgen und alles Wichtige rund um Heim-EM erzählen.
Das Ergebnis ist erschreckend. Die Reichweiten und Quoten sind in den ersten Tagen hundsmiserabel. Die Spiele werden in drei Minuten zusammengefasst, sodass man die Geschichte des Spiels nur unzureichend erzählen kann. Tore, ein paar wenige Großchancen, das wars. Im Studio sollen dann die Experten Thomas Helmer (im Duo mit Elton) und Stefan Effenberg (im Duo mit Jan Köppen) ihre Einschätzungen zusammen mit einem weiteren geladenen Gast erklären. Hinzu kommt Felix Kroos, der qua Familienzugehörigkeit dieser Tage ein gefragter Mann ist. Der Bruder von Toni ist noch einer der Lichtblicke dieser Sendung. Allerdings werfen die alten Granden des deutschen Fußballs der 90er-Jahre zu große Schatten auf die Analysen des ehemaligen Werder- und Union-Profis. Kroos pickt sich an einem Monitor einzelne Spielszenen heraus, um in knappmöglichster Kürze dann doch den ein oder anderen interessanten Aspekt aus dem zuvor gesehenen Drei-Minuten-Einspieler zu ziehen. Helmer und Elton labern allerdings meist über die Ausführungen drüber, sodass auch Kroos sichtlich genervt von der Zusammenstellung wirkt, denn inhaltlich haben die beiden nichts hinzuzufügen.
Viele Köche verderben den Brei
In der Auftaktsendung am vergangenen Samstag wurde das Problem direkt ersichtlich. Zur Premiere schickte RTL sein gesamtes Arsenal vor die Kamera, um das Personal den Zuschauern vertraut zu machen. Elton und Jan Köppen als Moderatoren. Stefan Effenberg, Thomas Helmer und Felix Kroos sowie der im Fußball-TV omnipräsente Lothar Matthäus als Experten. Helmer und Effenberg kennt man vom
«Doppelpass», viel geistreicher sind deren Analysen nun auch bei RTL nicht und kommen nur in wenigen Ausnahmen über das übliche Stammtisch-Niveau hinaus. Kroos, der sich inhaltlich mit seinem Sport auseinanderzusetzen versucht, wird kritisch beäugt, fast schon belächelt. Matthäus wurde ab Frage eins gebeten, sich kurz zu fassen, es soll ja Werbung verkauft werden.
Fehlanzeige sind abseitige Geschichten rund um die Spiele. RTL geht täglich um 20:15 Uhr auf Sendung, da liegt eine Partie bereits über 20 Stunden in der Vergangenheit. Die Sendung versteht nicht, dass sie nicht nur gegen die TV-Konkurrenz antritt, sondern auch gegen zehnminütige Highlight-Clips des ZDF auf YouTube/Mediathek, Zusammenfassungen bei kicker.de, ja selbst die in den Städten verteilten Werbetafeln von Ströer zeigen die Tore in den Bahnhöfen wenige Minuten, nachdem sie gefallen sind. Etwas inhaltliche Auseinandersetzung und nicht nur Stammtisch-Parolen könnte man selbst von RTL erwarten. Stattdessen liefert Raab Entertainment oberflächliche Berichterstattung und lahme Unterhaltung.
Einspieler wie aus der Hölle
Und Einspieler hat man auch produziert. Einen gab es über Italien. Natürlich hat sich Raab Entertainment nicht aus sportlicher Sicht mit dem amtierenden Titelverteidiger befasst. Es geht um borderline-rassistische Stereotypen und grobgeistige Gags. Zu sehen gibt es Pizzateig-schwingende Köche und Baristas, die die Crema eines Espressos mit dem Spülschwamm verfeinern. Uralte Clips, die vom Nippelbord des einstigen «TV total»-Moderators übrig geblieben scheinen. Unterlegt ist dies mit der Stimme von Manfred Winkens, dem einstigen Off-Sprecher der ProSieben-Sendung. Elstner dürfte spätestens hier wieder die Arme über dem Kopf zusammenschlagen.
Neben den Spielzusammenfassungen begleitet auch RTL-Reporter Mitja Lafere die Spiele vor Ort. Lafere, der als Net-Man von «RTL NFL»-Übertragungen bekannt ist, sorgt aber ebenfalls für wenig geistreiche Einsichten. Statt auf die getippten Buchstaben der Community im Netz zu gucken, schaut er dem zuweilen stark betrunkenen Fußball-Volk aufs Maul, das nicht viel mehr als schwer identifizierbares Gebrüll von sich gibt. Auch Elton soll am Freitag beim Eröffnungsspiel im Münchner Stadion gewesen sein. Angesprochen von Jan Köppen lehnte er aber Arbeit für seine RTL-Sendung aber gegenfragend ab. Leidenschaft für die Sache schafft Leidenschaft beim Publikum. Man kann an zwei Fingern abzählen, warum die Reichweiten so niedrig sind.
Selbst Studio-Einlagen verpuffen im Nichts. Elton will an einer Stelle erklären, was ein Dropkick ist, verliert sich dann aber an einem gescheiterten Versuch der Erklärung des Begriffs Volley. Kroos will die Situation retten und bezieht sogar das übertrieben gut gelaunte Studio-Publikum mit ein. Dazu sollte es dann aber doch nicht kommen: Helmer drängt sich in den Vordergrund, ohne zu wissen, was er eigentlich genau tun soll.
Fehlende Professionalität
«Das RTL EM-Studio» will eine Fußballshow sein, ist aber eine grobgeistige und höchst oberflächliche Auseinandersetzung mit dem aus deutscher Sicht bedeutendsten Fußball-Turnier seit 2006. Statt neue Perspektive zu erschließen, die sich durch die zeitliche Distanz zu den Spielen auftun könnten, frühstückt man die einzelnen Spiele sparsam ab. Ausländische Experten und Sichtweisen sind nicht gefragt. Selbst sportliche Analysen, die Felix Kroos liefern sollen, werden von den Stammtisch-Experten Thomas Helmer und Stefan Effenberg kleingeredet. Elton ist Fußball-Fan, das ist ihm in seiner Moderation anzumerken. Er möchte, dass sich seine Partner vor der Kamera wohlfühlen, lacht über Witze. Doch zum Moderieren gehört eben auch, den Überblick zu behalten, während man live aufs Ohr geredet bekommt. Das ist am Sonntagabend gehörig schiefgegangen, sodass er sekundenlang mit offenem Mund in die Kamera starrte und nicht wusste, was als nächstes passieren würde. Am Montag stellte er dem ehemaligen Bundesliga-Trainer und Nationalspieler Österreichs, Peter Stöger, die Frage, ob er sich schon mal in einem Team-Hotel aufgehalten habe. Stöger zeigte sich wegen dieser gravierenden Nicht-Vorbereitung überrascht, entgegnete aber lässig, dass er ja mal bei einer Weltmeisterschaft als Spieler dabei gewesen sei. Elton: „Ach, okay!? Aber noch nie EM!“ Aufgrund dieser fehlenden Professionalität gehen positive Aspekte wie ein beeindruckendes Studio mitsamt Live-Publikum leider unter.
«Das RTL EM-Studio» täglich um 20.15 Uhr bei RTL.
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