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Collien Ulmen-Fernandes: ‚Auch aus menschlicher Hand kommt viel Durchschnittliches‘

Die Moderatorin und Autorin spricht im Quotenmeter-Interview über künstliche Intelligenz und wie wir vielleicht damit umgehen müssen. Fest jetzt aber: KI wird unser Leben beeinflussen.

Hallo Frau Ulmen-Fernandes, vielen Dank für Ihre Zeit! Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz schreitet extrem schnell voran. Mit welchem historischen technologischen Fortschritt würden Sie Kl vergleichen?
So wie die industrielle Revolution für massive Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt gesorgt hat, wird auch die aktuelle Entwicklung durch Artificial Intelligence Arbeitsplätze kosten. Das wird meiner Meinung nach oft verklärt oder unterschätzt. Ich sprach neulich mit einer Übersetzerin, die erzählte, dass sie jetzt schon viele Jobs an die KI verloren hätte. Ich kenne Writers Rooms bei denen die KI mittlerweile einen festen Platz hat und damit de facto ein bis zwei menschliche Autor:innen ersetzt.

Für viele ist Kl noch eine nette Spielerei, andere haben Angst vor möglichen Auswirkungen. Ihre ZDF-Reportage zeigt, was mit Kl bereits möglich ist. Hat sich Ihre Meinung im Laufe der Produktion geändert?
Ich habe mich zuvor bereits intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. Da ich früh in das Projekt involviert war, habe ich mitbekommen, wie schwierig es war, einige Positionen in der Doku zu besetzen, weil aus vielen Bereichen der Filmbranche das Feedback kam, dass das ein Thema sei, mit dem man sich vielleicht in 20-30 Jahren auseinandersetzen müsse. Dieses Feedback hat mich sehr erstaunt und es zeigt umso mehr, wie wichtig diese Dokumentation ist und wie sehr das Thema derzeit von vielen noch unterschätzt wird.

In den USA haben zuletzt Autoren und Schauspieler auch für klare Regelungen beim Einsatz der Kl gestreikt. Wie bewerten Sie das Resultat?
Es ist ein „vorläufiges Abkommen“ und genau so muss man es meiner Auffassung nach auch sehen, da sich in den nächsten Jahren noch sehr viel tun wird, in dem Bereich. Die Rechenleistungen von Computerchips verdoppeln sich alle 18 Monate. Es werden Dinge möglich sein, die wir jetzt noch nicht ahnen. Dessen sollten wir uns bewusst sein. Es ist doch wie so oft auch eine Frage des Geldes. Aktuell ist in vielen Bereichen das KI-Generierte noch teurer als das Menschliche. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert.

Kl entwickelt sich rasant weiter. Die Formulierung eines Manifests über den Umgang mit Kl ist nötig, aber droht es nicht in wenigen Wochen oder Monaten ohnehin wieder obsolet zu sein?
Genau deshalb, weil wir nicht wissen, was noch alles auf uns zukommen wird, sollten wir uns jetzt mit den grundsätzlichen ethischen Fragen auseinandersetzen. Daher ist Professorin Dr. Sarah Spiekermann, Expertin für Digitale Ethik eine der Fachfrauen in unserem Format, die unsere Protagonisten und Protagonistinnen beim Erstellen des Manifests berät.

Eine spektakuläre Frage stellt die Kl-Ethik-Expertin Prof. Dr. Sarah Spiekermann. Wer mehr Geld verdienen möchte, brauche heute Kl. Dabei sei völlig unklar, ob der gesellschaftliche Wert von Geld in 50 oder 100 Jahren immer noch so hoch ist wie heute. Steht der Kapitalismus, wie wir ihn heute kennen, also vor dem Aus?
Davon gehe ich nicht aus. In meiner Wahrnehmung deutet nichts darauf hin.

Welche Auswirkungen könnte Kl auf die Lebensqualität haben? Die Menschen lassen die KI arbeiten und wir genießen mit einem Grundeinkommen unser 4-Tage-Woche?
Bei der Moderations-Aufzeichnung zu «Das KI Manifest» hatte ich einen grippalen Infekt, ich fühlte mich insgesamt sehr schlecht. Ich sagte also während der Aufzeichnung zu meiner Redaktion, dass es doch total praktisch wäre, wenn mein gesunder digitaler Avatar für mich übernehmen könnte, während ich im Bett meinen Infekt auskuriere. Genau das ist ja auch ein Pro-Argument der Produzent:innen, dass man auch dann noch weiter arbeiten könne, wenn Schauspielende sich während einer Produktion verletzen oder erkranken. Was dann allerdings weg fiele, übernähmen künftig unsere Avatare die Arbeit, wären die Erfahrungen, die Interaktion, das Miteinander an Sets.

Christian Alvart, Gizem Emre, Guido Reinhardt sowie Mira Thiel zeigen sich in der Doku eher skeptisch, die Bedenken steigen im Gespräch mit den Experten eher. Sehen Sie KI eher positiv oder haben Sie ähnlich große Bedenken?
Beides. Das Thema fasziniert und beängstigt mich zugleich. Ich habe bei meinem letzten Filmdreh unserem Kameramann Sora gezeigt. Daraufhin wurde der kreidebleich und fragte mich: „Wenn Sora das kann, was mache ich denn dann in Zukunft? Ich muss doch noch mein Haus abbezahlen..“ Natürlich ist das wahnsinnig beeindruckend, wozu Sora in der Lage ist und genau deshalb müssen wir uns jetzt damit auseinandersetzen, wie der gute Florian, liebe Grüße an dieser Stelle, trotzdem sein Haus in Bonn abbezahlen kann.

Verwenden Sie Kl in ihrem täglichen Leben?
Ich habe mir gestern ChatGPT herunter geladen und bin jetzt schon begeistert.

Fürchten Sie, dass beispielsweise Streamingdienste, die auf Massenware ausgelegt sind, künftig den Markt noch mehr fluten mit eher durchschnittlicher, von Kl-generierter Film- und Serienware fluten werden?
Ich glaube, dass man das so pauschal gar nicht sagen kann. Als Jurorin des Deutschen Fernsehpreises sichte ich mich gerade durch die gesamte Fernsehwelt und ganz ehrlich: Auch aus menschlicher Hand kommt viel Durchschnittliches. Das KI-generierte muss nicht per se schlechter sein. Ich habe mir gestern testweise von Chat-GPT-Moderationstexte schreiben lassen. Klar, wir haben einige Anläufe gebraucht und ich schrieb immer wieder, was ich anders haben möchte, aber das Endresultat war teilweise besser als das, was mir einige Autor:innen geliefert haben. Und genau darin liegt auch das Problem.

Welchen Grundsatz im Umgang mit Kl halten Sie für den Wichtigsten?
Mira Thiel sagte, dass sie anfangs immer die Frage gestellt habe: „Wollen wir das?“ und dann feststellte, dass sich diese Frage überhaupt nicht stellt, weil wir das nicht entscheiden. Das Thema ist da, ob wir wollen oder nicht. Wir müssen also jetzt schauen, wie wir als Branche damit umgehen wollen. Und um genau diese Auseinandersetzung mit der Thematik geht es im KI-Manifest.

Der Dokumentarfilm «Das KI Manifest» wird in der Nacht auf Dienstag um 00.10 Uhr im ZDF gesendet. Bereits jetzt ist das Werk in der Mediathek einsehbar.
27.05.2024 11:07 Uhr Kurz-URL: qmde.de/151812
Veit-Luca Roth

super
schade


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Das KI Manifest

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