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Die Kritiker: «Charité»

Das Erste beginnt heute mit der Ausstrahlung der lang ersehnten neuen Staffel von «Charité». Kann das beliebte Format noch immer überzeugen?

Stab

Darsteller: Sesede Terziyan, Angelina Häntsch, Gina Haller, Timur Isik, Adriana Altaras, Jenny Schily
Drehbuch: Tanja Bubbel und Rebecca Martin
Regie: Esther Bialas
Bildgestaltung: Martin Neumeyer
Casting: Nina Haun, Jo Monteiro
In den Weiten des Zeitstroms, zwischen den markanten Pfeilern der Vergangenheit und den unbekannten Ufern der Zukunft, liegt ein spannender Einblick in menschliche Bestrebungen und medizinischen Eifer: Die Serie «Charité» wagt in ihrer neuesten Staffel einen kühnen Blick in die Zukunft, nachdem die vorangegangenen Kapitel uns durch das 19. und 20. Jahrhundert vom wilhelminischen Reich bis in die DDR führten. Nun erhebt sich die Erzählung in das Jahr 2049, unbestreitbar eine visionäre Landnahme für die Neugierigen und die Träumer unter den Fernsehzuschauern.

Die Handlung wirkt indes wie eine Fortschreitung von bekannten Motiven, die problemorientierte Fernsehfilme natürlich schon heute gerne bespielen, und zeigt sicherlich vielmehr auf, mit welchen Herausforderungen wir uns im Heute beschäftigen, als was die Zukunft tatsächlich für uns bereithalten wird. Das liegt bei einem zukunftsorientierten und hoffentlich auch zukunftsweisenden Stoff grundsätzlich in der Natur der Sache: Die Spitzenforscherin Maral Safadi (Sesede Terziyan), gestählt durch ihre Erfahrungen in Boston, kehrt mit ihrer Gattin, der ehrwürdigen Gynäkologin Julia Kowalczyk (Angelina Häntsch), zurück zu den gepflasterten Wegen der Charité. Hier, wo die Steine der Geschichte nun mit den Keimen der Zukunft verschmelzen, übernimmt sie das Ruder des Instituts für Mikrobiologie. Doch ihre Rückkehr ist keine stille Heimkehr; sie steht vor den gewaltigen Mauern eines unbekannten Bakteriums, dessen Rätsel ihre wissenschaftliche Kühnheit und vielleicht sogar die ganze Menschheit herausfordern wird, wenn sie ihm nicht tunlichst Einhalt gebieten sollte.

Doch nicht nur in den Petrischalen und Laboratorien weben sich die Fäden des Schicksals. Das Jahr 2049 steht im Zeichen einer umfassenden Gesundheitsreform, deren Schatten die bekannte Barmherzigkeit der Charité bedrohen. Denn in einer Welt, in der Krankenkassen jeden Bürger mit einem Scorewert brandmarken, der über ihre Behandlung bestimmt, beginnt sich die Gesellschaft zu spalten. Inmitten dieses Sturms stehen Befürworter und Gegner dieser Reform, und selbst innerhalb der Charité schwelt dieser Konflikt unaufhörlich vor sich hin – Eskalation gewiss.

Maral Safadis Mutter, die tapfere Chirurgin Seda (Adriana Altaras), erhebt sich gegen die Ungerechtigkeit dieser neuen Ordnung und gründet im Dunkel der Nacht eine "Schattenklinik", einen Hort der Hoffnung für jene, denen das Schicksal auch in Zeiten der Krebsschutzimpfungen und Alzheimer-Früherkennung übel mitgespielt hat. Mit jedem Schritt gewinnt sie neue Verbündete in ihrem Kampf für Gerechtigkeit.

Während Maral unermüdlich auf die nächste Revolution in der Mikrobiom-Forschung hinarbeitet, entspinnt sich unter der Erde ein stiller Kampf für das Recht auf Heilung. Doch nicht nur in den Hallen der Medizin wird das Banner der Reform gehisst; auch im privaten Gefüge der Familie Safadi wird der Konflikt zur Zerreißprobe zwischen Mutter und Tochter.

Daraus wird ersichtlich, wovor die Fernsehautoren von heute am meisten Angst haben: nicht vor dem unkontrollierbaren technischen und medizinischen Fortschritt, der künstlichen Intelligenz und den damit einhergehenden Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt oder massiven Rückschlägen auf dem Weg zu neuen, innovativen Therapien, sondern vor einer tiefgreifenden und unheilbaren Spaltung der Gesellschaft und einer Zukunft, die kein Gemeinwesen mehr kennt.

In diesen Gefilden des medizinischen Dramas und der sozialen Turbulenzen bietet die neue Staffel von «Charité» einen durchaus erfrischenden Blick, der mehr über das Hier und Jetzt als eine mögliche Zukunft aussagt, mit einer Mischung aus Faszination, Hoffnung und Herausforderung, mit der wir wohl alle in die Zukunft blicken. Es ist eine Reise, die nicht nur die Wissenschaftlerinnen und Ärzte in ihren Laboren fordert, sondern auch die Zuschauerinnen und Zuschauer dazu anregt, über die Grenzen der Gegenwart hinaus zu denken und sich den Möglichkeiten des Morgen zu stellen – eine Erzählung, die uns daran erinnert, dass das wahre Herz der Medizin nicht in den Zahlen der Scorewerte oder den Schatten der Reform liegt, sondern in der unermüdlichen Suche nach Heilung und Menschlichkeit.

Die 4. Staffel von «Charité» wird ab dem 4. April um 20.15 Uhr in Doppelfolgen im Ersten ausgestrahlt.
09.04.2024 11:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/150546
Oliver Alexander

super
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Charité

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