Der österreichische Autor Elias Hirschl hat einen hervorragenden Roman über die Publikation von Inhalten verfasst.
Wie fühlt es sich an, so zu leben und zu arbeiten, wenn Internet, Social Media und die Wirren des Alltags im seichten Unterhaltungsgeschäft dahinplätschern? Die Antwort lässt sich in Elias Hirschls neuem Buch 'Content' finden, erleben und genießen. In einer von Moment zu Moment, von Impression zu Impression, von sinnfreier Tätigkeit zu sinnfreier Tätigkeit plätschernden Erzählform unter Verzicht auf wörtliche Rede bekommt der Leser einen von der ersten bis zur letzten Seite durchgehenden Befindlichkeitsdiskurs einer Mitarbeiterin einer 'Contentfarm' namens 'Smile Smile' zu lesen und damit die Arbeit in einer solchen Contentfabrik für 'Listicals' vermittelt, die im Ansehensranking nur knapp über dem Bodensatz einer Trollfabrik zu stehen scheint, aber natürlich total in und hip ist mit soundso vielen Followern, wie es sich gehört.
Neben der namenlosen Erzählerin erzählt Hirschl auch von den anderen Angestellten der Contentfarm und wie sie sich in dieser seltsamen Welt aus Banalitäten und Klatsch und Tratsch eingerichtet haben. Das Ganze ist eine Romansatire, aber man könnte den Text auch ernst nehmen, wenn man die geschilderten Zustände für normal hielte und sich nicht wirklich daran stören würde. Manch einer würde das auch gerne tun, wenn die Satire sich nicht zu einem Weltuntergangsszenario potenzieren würde. Denn außerhalb dieser virtuellen und schon teilweise künstlichen Welt (denn die K.I. schreibt mit) versinkt die reale Welt gerade im Chaos. Nun auch im Online-Modus, nachdem die alte Industriestadt (im Kohlerevier) mit dem Ende der Kohleförderung bereits verödet ist. Die Contentfarm selbst ist über einem ehemaligen Zechengebäude errichtet, der Aufzug beförderte früher die Kumpel in die Tiefe der Stollen, später wurden hier Waffen hergestellt. Ein Hauch von Ausbeutung und Vergänglichkeit liegt über dem Ort. Eine neue Fassade und unpersönliche Büroflure haben daran nichts geändert. Das Hangeln von einem Start-up zum nächsten kann die Entwicklung nicht aufhalten, sondern trägt nur zum Chaos bei.
Die Romanfiguren wirken verloren in dieser künstlichen Welt, in der sie für den Moment schreiben, Memes und Videos produzieren, und tatsächlich machen einige von ihnen diesen Job nur 'vorübergehend' und schreiben währenddessen ständig Bewerbungen für Studiengänge, zu denen sie nie zugelassen werden. Das Flüchtige, Vorübergehende, Provisorische ist das, was ihr Leben ausmacht, mit der ständigen Suche nach einem momentanen Erfolg, der schnell wieder vergessen ist, so wie die Welt der Messenger-Dienste und Social Media nur ein Kurzzeitgedächtnis zulässt, in dem man von einem Aufmerksamkeitsschub zum nächsten hetzt. Wem das alles völlig fremd ist, der bekommt mit Hirschls Satire ein erschütterndes Stakkato an Eindrücken, wie es dort zugeht oder zugehen könnte, wenn man nicht lernt, Abstand zu gewinnen. Die vielen Momentaufnahmen mit Namedropping verraten jedenfalls, dass sich der Autor mit den ewigen Gadgets und Klatschgeschichten der webaffinen Generation bestens auskennt.
„Content" ist im Zsolnay Verlag (Hanser Gruppe) erschienen. Elias Hirschl, geboren 1994 in Wien, hat bisher drei Romane geschrieben, zuletzt 'Salonfähig' (2021) über Österreich unter Kanzler Kurz, ebenfalls eine Gesellschaftssatire. Er versteht sich auch als Poetry Slammer und Musiker.
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