Der Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz, füllte am Sonntagabend die halbe Sendung aus, deren Erkenntnis lautet: Für ein interessantes Gespräch müssen nicht Parteien aufeinanderprallen.
Über einen Monat hat es im Ersten keine Sonntagabend-Talk mehr gegeben. Anne Will verabschiedete sich am 1. Advent 2023, Caren Miosga übernahm am 21. Januar 2024 das Talkshow-Zepter. Miosga moderierte jahrelang die «Tagesthemen» und konnte mit ihren – zum Teil – harten Interviews zahlreiche Fans sammeln. Über 4,4 Millionen davon schalteten nun im Anschluss nach dem «Tatort» ein.
In die Höhle des Löwen lockte «Caren Miosga» den CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz, der im Spätsommer durchaus Chancen hätte, der Kanzlerkandidat der Union zu werden. Die ersten 30 Minuten gehörten Merz und Miosga ganz allein, dieses neue Format hat durchaus seine Vorteile. Konzeptuell verwandelte sich die Talkshow in einen politischen Schlagabtausch. Miosga stellte die richtigen Fragen, Merz hatte sichtlich auch Interesse, nicht nur in Phrasen zu antworten. Der Zuschauer merkte: Hier bekomme ich Antworten.
Das Thema der Woche war das Erstarken der Alternative für Deutschland (AfD) und die zahlreichen Proteste der Menschen gegen die rechte Partei. Es war ein „Aufstand der Anständigen“, wie es der frühere Kanzler Gerhard Schröder einst nannte. Schließlich mussten mehrere Demonstrationen abgebrochen werden, weil schlichtweg zu viele Menschen auf den Straßen waren. Friedrich Merz kam an diesem Thema ebenfalls nicht vorbei.
Vor allem die Thüringen-Wahl stellt den CDU-Chef vor ein Dilemma. Wenn am 1. September der Landtag gewählt wird, dann müsse sich die Partei entscheiden. Nach derzeitigen Wahlumfragen kann die CDU mit keiner Partei ein mehrheitsfähiges Bündnis abschließen. Man müsste zumindest die Brandmauer zur Linken hin öffnen, um nicht der Alternative für Deutschland (AfD) den Ministerpräsidenten-Posten zu überlassen. Wären aktuell Wahlen, würde die zum Teil rechte Partei die meisten Stimmen bekommen. Sollten Union und Linke nicht einen gemeinsamen Kandidaten stellen, würden die einfachen Stimmen der AfD reichen, um Bernd Höcke zum Ministerpräsidenten zu machen. Mit Grafiken hat das Team von «Caren Miosga» diesen Fakt verdeutlicht, damit es auch die Uninteressierten verstehen können.
Die erste Ausgabe von «Caren Miosga» war auch deshalb so konstruktiv, weil man mit Friedrich Merz nur einen Politiker eingeladen hatte. Es kam nicht zum Schlagabtausch mit anderen Partei-Aushängeschildern. Vor allem ist Merz erfrischend, ruhig und deutlich – anders als die anderen Köpfe, die die Parteien zuletzt immer schickten. Zwei negative Beispiele sind der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, die politischen Talkshowhopper, die zu allen Themen eine Meinung haben. Hinter vorgehaltener Hand sagen Talkshow-Hosts auch, dass sie andere Gäste haben möchten. Zum Teil muss man aber auch damit leben, wen die Partei schickt.
Mit der ‚Zeit‘-Journalistin Anne Hähnig hat man ein sehr unverbrauchtes Gesicht in die Sendung geladen. Auch der Soziologie-Professor Armin Nassehi wählte seine Worte bedacht, drängte sich nicht in die Sendung, aber wenn er mal ausholen durfte, dann waren das sinnvolle Zusammenfassungen. Ohnehin hatte man bei «Caren Miosga» nicht das Gefühl, dass Themen abgeklappert wurden. Miosga und ihr Team haben die CDU-Zwickmühle mit der Alternative für Deutschland von vorne bis hinten abgegrast.
Die Bühne, die innerhalb weniger Wochen in das Set von «Anne Will» gebaut wurde, macht optisch einen guten Eindruck. Man hat sich eher am «Neo Magazin Royale» orientiert statt an dem Vorgänger. Die Kameras sind flexibel, sodass ordentlich Bewegung in die Situation kommt. Damit hat man den Vorteil, dass die Personen direkter angesprochen werden. Selbst das Publikum machte sich gut, füllte den Saal aus. Das war tatsächlich nicht störend. Nur die vielen Schnitte ins Publikum waren zum Teil überflüssig. Wenn «Caren Miosga» dieses Niveau halten kann, dann hat Deutschland wieder eine richtig gute Talkshow am Sonntagabend.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel