Am zweiten Weihnachtsfeiertag beginnt die Reise der «Expedition Arktis 2», die von der UFA Documentary produziert wurde. Produzent und Regisseur Philipp Grieß war 2019/2020 bei der MOSAiC Expedition an Bord der Polarstern und erzählt von seinen Erlebnissen.
Hallo Herr Grieß. Wie bereitet man sich als Regisseur auf eine mehrmonatige Reise in der Arktis vor?
Ich selbst habe als Regisseur und Produzent den ersten Abschnitt der MOSAiC-Expedition begleitet, woraus die UFA Show & Factual Doku «Expedition Arktis» entstand. Wie jeder gute Dreh beginnt das Abenteuer mit einer Liste. In dem Fall war es eine sehr lange Liste, die wir über Monate gefüllt haben. Aus den Erfahrungen von Kolleg:innen, von Wissenschaftler:innn, von Schiffsbesatzungen. Da stehen die verschiedensten Dinge drauf, von Augen-Heizung bis Zahnpasta. Aber da es zuvor noch keine Langzeit-Doku am Nordpol gegeben hatte, wussten wir natürlich nicht, was uns in den 385 Drehtagen alles begegnen würde. Glücklicherweise hat am Ende nichts gefehlt. «Expedition Arktis 2 – Tauchfahrt am Nordpol» baut auf der gleichen Logistik auf. Manuel Ernst, der schon bei MOSAiC dabei war, hat die Regie an Bord übernommen, während ich das Projekt vorbereitet und parallel zum Dreh im Schneideraum zusammengeführt habe.
Wie kommen Sie und Ihr Team eigentlich auf die Polarstern? Fahren Sie direkt zum Start mit? Oder werden Sie eingeflogen?
Direkt zum Schiff fliegen, das geht nicht. Entweder man steigt am Abfahrtshafen auf, in diesem Fall war das Tromsø in Norwegen, oder man ist nicht dabei. Auch absteigen zwischendrin geht nicht. Es gibt immer noch Orte, die so weit weg sind, dass sie kein Verkehrsmittel erreicht. Die zentrale Arktis ist so ein Ort. Zu weit weg für Helikopter und Flugzeuge können im Sommer nicht landen, weil das Eis zu instabil ist. Rein und raus geht nur mit der Polarstern.
Dieses Mal findet das Leben nicht in völliger Dunkelheit statt, sondern Sie und Ihr Team waren im Sommer unterwegs. Was ist denn für den Körper belastender? Ewige Dunkelheit oder ewiges Licht?
Das ist wirklich eine Typ-Frage. Da gehen auch bei Besatzung und Wissenschaft die Meinungen auseinander. Jeder kommt mit anderen Dingen besser klar. Mir persönlich liegt eher die Dunkelheit.
Welche Experimente durften Sie mit Professor Dr. Antje Boetius drehen?
Die zentrale Aufgabe der ArcWatch-Expedition war die Untersuchung der gesamten Wassersäule des Arktischen Ozeans, also von der Wasseroberfläche bis runter zum zirka 4.000m tiefer liegenden Meeresboden. Die Wissenschaftler:innen an Bord haben unter Koordination von Expeditionsleiterin Antje Boetius ein extrem ambitioniertes Programm umgesetzt. Was wir im Film zeigen, beschreibt nur einen Teil der 24/7-Arbeit, die an Bord der Polarstern auf so einer Fahrt passiert.
Für uns als Filmemacher:innen sind natürlich alle greifbaren Proben spannend, gerade auch die der Lebewesen unter dem Eis. Ein besonderes Highlight waren die Tauchfahrten des OFOBS, eines Kameraschlittens. Er wird bei langsamer Fahrt hinter dem Schiff zum Meeresboden abgesenkt. Allein das dauert eine Stunde. Doch dann gibt es Tiefseefernsehen live. Das ist wie eine Landung auf dem Mond. Nur, dass hier ziemlich viel lebt.
Die Brücke eines Schiffes ist ja noch ein besonderer Ort. Waren Sie überrascht, dass Kapitän Stefan Schwarze dort rauchen durfte?
Kapitän Schwarze ist auf diesem Schiff quasi zuhause. Es gibt wenige Kapitäne, die solch eine Erfahrung in den Polargebieten haben. Wir sind ihm enorm dankbar, dass er es zugelassen hat, dass wir seine Arbeit so nah begleiten durften.
Der Kapitän Schwarze fährt seit 34 Jahren mit Schiffen zum Nordpol. Bringt er in Ihre Dokumentation die nötige Ruhe hinein? Oder hätten Sie sich mehr Enthusiasmus gewünscht?
Als Dokumentarfilmer:innen wollen wir abbilden, wie es sich an einem Ort anfühlt, zu dem die meisten Menschen wohl eher nie Zugang haben werden. Wie fühlt es sich an, die ersten Bilder des Nordpolbodens zu machen? Oder eben: Wie funktioniert die Brücke eines Forschungseisbrechers? Das Schiff hat schon zahlreiche heikle Situationen souverän gemeistert. Eben wegen der Erfahrung und der Ruhe der Schiffsführung. Wenn das im Film rüberkommt, haben wir den Job gut gemacht.
Ist ein Dreh am Nordpol heute mit Hilfe von Drohnen wesentlich einfacher als in früheren Zeiten?
In einer quasi flachen Landschaft ohne Berge und Türme sind Drohnen natürlich visuell ein ungemeines Geschenk. Durch sie ist es uns möglich, den gigantischen Raum, in dem sich das Schiff bewegt, aufzunehmen und zu veranschaulichen wie klein ein Mensch in dieser betörend schönen Landschaft ist. Diese Bilder könnten auch vom Helikopter aus aufgenommen werden, aber das wäre natürlich viel aufwändiger und man könnte auch nicht bei jedem Wetter starten. Die heutige Drohnengeneration ist da weitestgehend schmerzlos.
Sie und Ihr Team haben einen Dokumentarfilm in Spielfilmlänge hergestellt, der im Ersten läuft, und für die ARD Mediathek drei Halbstünder. Warum diese unterschiedlichen Längen und Mehrteiler?
Uns ist es ein Anliegen, dass unser Film über diese aufwendige Expedition mit ihren wichtigen Ergebnissen ein breites Publikum findet. Die Dreharbeiten waren angelegt auf einen abendfüllenden Dokumentarfilm. Schnell stellte sich aber heraus, dass sich aufgrund des Reiseablaufs auch eine serielle Erzählung anbietet. Ich bin sehr gespannt, welche Form der Erzählung von welchem Publikum mehr angenommen wird.
Wie läuft eigentlich die Finanzierung einer solcher Dokumentation ab? Werden Sie dort von verschiedenen Instituten unterstützt?
«Expedition Arktis 2 – Tauchfahrt am Nordpol» ist eine Auftragsproduktion der ARD für den deutschsprachigen Raum, die weltweiten Rechte liegen bei der UFA. Dem Alfred-Wegener-Institut ist es daran gelegen, seinen wichtigen Forschungsauftrag und die Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Daher gibt es auf ausgewählten Expeditionen Medienplätze und die UFA Documentary hat sich darum beworben. Unterstützung von dritter Seite gab es keine, das wäre mit dem Auftrag auch nicht vereinbar.
Hatten Sie auf der Polarstern auch mal persönliche Freizeit oder waren Sie dann kontinuierlich am Arbeiten?
Ich war 2019/20 mit an Bord. Es ist viel Arbeit, sehr viel. Der Dreh beginnt mit dem Aufstehen. Man frühstückt gemeinsam, arbeitet, lacht und redet den ganzen Tag mit seinen Mitfahrer:innen, die zum großen Teil Protagonist:innen des Films sind. Aber klar, natürlich gibt es auch Freizeit. Ganz ohne geht es nicht. Für mich war der Sportraum wichtig, die Sauna und ich habe auf meiner Kammer gelesen. Der Film zeigt ja auch, dass Musik durchaus ein Mittel der Freizeitgestaltung sein kann und n einem besonderen Ort gipfelt. Jede:r Mitreisende findet seine eigene, ganz besondere Nische. Das ist wichtig.
Danke für Ihre Zeit!
Das Erste strahlt «Expedition Arktis 2 – Tauchfahrt am Nordpol» am Freitag, den 29. Dezember, um 21.45 Uhr aus. Ab den zweiten Weihnachtsfeiertag ist der Mehrteiler in der ARD Mediathek verfügbar./i>
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