Am Samstag ist die 23-jährige Schauspielerin in «Ein starkes Team» zu sehen. Wir sprachen mit Sczesny über ihre Rolle als Prostituierte.
Hallo! Sie spielen im neuen Film «Ein starkes Team» die Prostituierte Jemma. Wollten Sie schon immer eine Frau in diesem umstrittenen Beruf spielen?
Das ist eine spannende Frage! Um ehrlich zu sein, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht und daher könnte ich pauschal antworten mit, nein, ich wollte nicht schon immer eine Frau in diesem Beruf spielen. Jedenfalls, wenn wir von der bewussten Dimension sprechen. Weil, wer weiß, vielleicht wollte ich es doch, aber eben unbewusst. Warum? Auch das ist leicht zu beantworten: Generell lasse ich mich unglaublich gerne überraschen, durch mich und durch andere. Bei Jemma war es so, dass nicht nur das Rollenangebot überraschend kam, sondern auch ihre Geschichte sehr überraschend und komplex ist. Der Punkt wurde also definitiv erfüllt. Zum anderen liebe ich Herausforderungen und diese hatte ich während des Drehs auf jeden Fall! Herausforderungen können vielfältig sein und bei Jemma habe ich mich gefreut, gleichzeitig an so vielen Stellen über mich hinauswachsen zu dürfen. Das betrifft emotionale, wie auch körperliche Aspekte; ich habe für Jemma beispielsweise Heels Dance in einem Pole Dance Studio gelernt. Und auch vorbereitende Aspekte, da ich mich sehr tief in die Thematik von Prostitution Minderjähriger eingelesen habe. Das macht mir übrigens auch sehr viel Spaß, weil Recherche bei mir fast alltäglich ist, ich studiere die Geschichtswissenschaften. Übrigens, das muss ich als letzten Punkt anmerken: Ich finde es spannend, dass Sie den Beruf als „umstritten“ bezeichnen. Ich glaube das, was ihn für uns erst so umstritten macht, ist das, was aus ihm gemacht wurde oder teilweise gemacht wird.
Bereits nach wenigen Minuten wird der Zuschauer mit großen Fragen konfrontiert: Ist Jemma missbraucht worden? Ist Sie noch Minderjährig? Und wie kann Jemma Kunden haben und gleichzeitig eine Beziehung führen? Wie würden Sie Jemma beschreiben?
Klug, sensibel und einsam. Das ist Jemma. Sie hat sich eine äußere Fassade aufgebaut, durch die sie stark, konfrontativ und selbstbewusst wirkt. Aber innerlich ist sie eigentlich sehr einsam und unglaublich liebebedürftig, wie wir alle. Nur hat sie diese Liebe nie richtig erfahren können, sehnt sich immer noch danach. Das macht sie einsam, das versucht sie zu verdrängen. Sie ist also stark, definitiv, aber zerbrechlich zugleich. Ich glaube, sie ist auch sehr hoffnungsvoll, macht immer weiter. Und so gerät sie letztendlich aber in eine Situation, deren Konsequenzen sie nicht kontrollieren kann. Es ist wie ein Strudel, der sie mitzieht und eigentlich sehr tragisch.
Sie erhalten mit Ihrer Rolla der Jemma Dubnitzki viel Screentime bei einer so großen Reihe. Haben Sie sich über die Zusage gefreut?
Jemma ist mein Herzensprojekt. Absolut und unvergleichlich. Ich kann gar nicht genau erklären, warum, es ist einfach das Gefühl, dass mich mit ihr verbindet. Und ja, ich habe mich sehr gefreut. Mehr, als ich hier eigentlich beschreiben kann. Die Vorgeschichte an diesem Tag dazu war: Ich hatte einen Termin in Münster und bin kurz nach 21 Uhr zum Bahnhof gehetzt, um meine Bahn zu bekommen. Mein Handy hat sich mit dem freien WLAN der Stadt verbunden, und als ich die Uhrzeit hektisch gecheckt habe, habe ich eine Mail von meiner Agentin gesehen. Das hat mich in dem Moment sauer gemacht, weil ich gedacht habe: Das ist bestimmt eine Absage für das Projekt in Berlin, von dem sie mir erzählt! Man muss dazu sagen, ich war in dieser Zeit nicht sehr positiv eingestellt; klar, man erhält mehr Absagen als Zusagen als Schauspieler*in, aber ich habe kurz davor eine Rolle nicht bekommen, die mir sehr wichtig war. Ich habe diese Mail also gar nicht gelesen und lieber einen Schritt zugelegt. Die Bahn ist mir dann trotzdem vor der Nase weggefahren. Und so stand ich am kalten Gleis und wusste, toll, jetzt muss ich über eine Stunde auf die nächste Bahn warten. Und dann habe ich die Mail gelesen. Und dann das Drehbuch in der Stunde, die ich warten musste. Ich danke der unglaublich tollen Casting Directorin Laura Buschhagen und der liebsten Regisseurin Patricia Frey für ihr großes Vertrauen in mich!
Die Krimireihe «Ein starkes Team» ist rund sechs Jahre älter als Sie. Haben Sie schon mehrere Filme gesehen?
Aber sicher! Ich habe vor allem als Vorbereitung für Jemma – obwohl Jemma Linett und Otto nicht von Beginn an kennt – jede Folge gesehen, die es in der Mediathek gab und jeden Film, der vor der Zeit ausgestrahlt wurde. Ich gucke die Filme übrigens auch jetzt, wenn sie laufen. Zum einen, weil sie mich an meine Zeit beim «Starken Team» erinnern und zum anderen, weil ich die Reihe sehr gerne mag.
Das ZDF glaubt an die Reihe, immerhin sind schon sechs weitere Filme angekündigt. Würden Sie gerne länger bei einer so großen Reihe mitmachen?
Ich glaube auch an die Reihe! 😉 Und ja, sehr gerne würde ich das machen. Dabei erhält man die Chance, eine Figur anzulegen und weiterzuentwickeln, sie selbst zu erforschen und sich erforschen zu lassen. Das stelle ich mir sehr spannend vor, eine Figur so lange zu begleiten, zu beobachten und zu schauen, wohin sie ihre Wege führen. Es gibt so viele spannende Serien mittlerweile, mal schauen, ob ich auch die Gelegenheit dazu erhalte. Ich möchte übrigens schon die ganze Zeit gerne eine junge Polizeianwärterin spielen, das wäre ein Träumchen! Vor allem, weil mir der Beruf der Polizist*innen tatsächlich gefällt, ich habe schon vor meinem ersten Dreh ein Praktikum aus Interesse bei der Polizei gemacht.
Teile der CDU/CSU möchten das Prostitutionsgesetz rückgängig machen. Welche Meinung vertreten Sie?
Ich vertrete die Meinung, dass es sich um ein sehr komplexes und schwieriges Thema handelt. Vorab gesagt: Ich bin nicht vollständig eingearbeitet und möchte auch nicht den Anschein erwecken, als würde ich es sein. Es gibt hier Menschen, die sich viel besser dazu äußern können, die Expert*in in diesem Gebiet sind. Es ist komplex, weil hier sehr viele Perspektiven mitzudenken sind und es ist schwierig, weil nicht jede Prostituierte der Zwangsprostitution unterliegt. Das Problem ist aber – ohne die genauen Zahlen zu kennen – dass Letzteres überwiegend der Fall ist, es bestimmt auch eine hohe Dunkelziffer gibt, die aus dem Raster fällt. Es kann nicht sein, dass Prostitution mit Zwang, Gewaltanwendung, Menschenhandel oder frauenverachtenden Bildern einhergeht. Genau hier besteht nämlich die Gefahr, dass sich jene Frauenbilder mehr oder weniger bewusst in das Alltägliche unserer Gesellschaft übertragen, in den Umgang und in der Begegnung mit Frauen. So etwas ist weder im Rahmen der Prostitution, noch in der Gesellschaft allgemein vertretbar, das brauche ich wohl kaum betonen. Des Weiteren besteht aber auch darin die Gefahr, dass Frauen, die sich nicht aus Zwang prostituieren, in gewisser Weise abgestempelt werden; so gesehen werden, wie sie nicht gesehen werden wollen. Das führt dann dazu, dass dieser Beruf eben als so umstritten gilt, wie vorhin schon erwähnt. Primär muss der Schutz jener Frauen im Fokus stehen, die sich unfreiwillig prostituieren. Dafür müssen Maßnahmen ergriffen werden, deren Konsequenzen nachhaltig und zugunsten der Frauen wirken. Nur Aufklärung allein hilft da nicht, wenn sie die falschen Personen erreicht. Das betrifft auch Aufklärung über Hilfsangebote, von denen viele Frauen gar nicht wissen. Viele von ihnen trauen sich auch nicht, diese in Anspruch zu nehmen. Ein Hilfsangebot allein ist eher passiv und fordert da die Aktion der Frauen selbst, die sich gegebenenfalls nicht trauen. Das bedeutet, dass Hilfe etwas sein muss, das aktiv betrieben wird, in dem man Zugang zu den Frauen findet, auf sie zugeht, wenn sie es wollen. Und dafür müssen die Ursachen des Problems bekämpft werden. Die Ursachen, warum eine Frau sich unfreiwillig prostituiert, sind vielfältig. Als Platzhalter nehme ich da den großen und einfach vorstellbaren Grund der Armut. Es reicht nicht nur, Zuhälter und Freier bestrafen zu wollen, das beseitigt die Armut nicht. Es bedarf also einer Lösung, die auch diesem Problem entgegenwirkt. Das, die Armut, ist aber auch ein anderer Punkt, der mit hineinspielt. Der weitere Punkt ist natürlich, dass man diejenigen straft, die Frauen ausnutzen, ihnen Gewalt antun und so weiter. Und diese Personen herauszufinden, das ist schwierig, das kann ich mir vorstellen. Ein Ansatz ist aber, zu wissen, dass die jetzigen Mechanismen nicht ausreichend greifen und so steht man schon am Anfang eines neuen Weges.
Lassen Sie uns das Thema wechseln. In «In aller Freundschaft» verkörperten Sie zwei Jahre lang Emma Brückner. War dies eine prägende Zeit in und um Leipzig?
Das war es auf jeden Fall! Ich hatte sehr viel Spaß als Emma und durfte viel dazulernen. Vor allem war es schön, dass Emma eine so tolle Entwicklung in der Zeit machen durfte, in der sie in Leipzig war. Am Anfang trat sie noch als die scheinbar arrogante Zicke auf, aber am Ende wurde sie zu einer Vertrauten und echten Freundin für Lisa. Und unabhängig davon: Die Bücher-Antiquariate in Leipzig sind eine großartige Fundgrube für Geschichtswissenschaftsstudierende!
Für Sat.1 haben Sie die Serie «Think Big!» mit Hanna Plaß gedreht. Warum hat die Serie nicht funktioniert?
Ich finde, die Serie hat sehr gut funktioniert, sie ist jetzt sogar noch auf Joyn zu sehen! Reinzuschauen würde ich jeder und jedem empfehlen, der oder die «Think Big!» noch nicht gesehen hat und Lust auf Comedy, verrückte aber liebenswerte Figuren, und jede Menge frischen Wind hat. Außerdem könnt Ihr mich da als Tiffany mit einer blauen Haarsträhne und beim Boxen sehen; also, wenn das nicht Grund genug ist… Um zurück zur Frage zu kommen: Ich glaube, es haben eine Menge Faktoren mithineingespielt, warum die Serie nicht fortgesetzt wurde. Als Darstellerin habe ich da aber keine genauen Einblicke. Ich weiß aber, dass unsere Kritiken ausschließlich gut waren und der Sender wie auch die Produktionsfirma an die Serie geglaubt haben. Wer weiß, vielleicht erhalten wir noch eine Chance…?
In «Manta Manta – Zwoter Teil» haben Sie eine kleine Rolle gespielt. War es trotz der gegebenen Vorfälle am Set großartig an einer so großen deutschen Produktion mitzuwirken?
Ja, das war es! Allein das wunderschöne Set zu erleben, an dem meine Figur Fanny sich aufhalten durfte. Ich hatte jede Menge Freude und es ist eine Ehre, bei – wie Sie sagen – so einer großen, deutschen Produktion dabei zu sein. Auch kann ich natürlich nur aus meiner Perspektive und von meinen Erfahrungen sprechen und da muss ich eben sagen, dass ich die Atmosphäre als sehr inspirierend wahrgenommen habe und ich es schön fand, dass Til uns in unseren Szenen auch mal etwas mehr improvisieren ließ. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Wie konsumieren Sie eigentlich Filme und Serien? Schauen Sie ausschließlich Streaming und Mediatheken?
Eine schöne Frage zum Abschluss! Tatsächlich ist es so, dass ich zu jedem Wochenstart das Fernsehprogramm für die kommende Woche checke und mir alle neuen deutschen Produktionen vormerke, die ausgestrahlt werden. Falls auch ältere Produktionen gezeigt werden, deren Inhalt ich interessant finde, kommen die mit auf den Merkzettel. Meine erste Anlaufstelle ist daher das lineare Fernsehen. Falls es da für mich kein Angebot gibt, schaue ich die deutschen Filme und Serien, die es neu in den Mediatheken und bei den Streamern gibt. Mir ist es nämlich sehr wichtig, zu wissen, was auf dem Markt produziert wird, in dem ich arbeite. Außerdem sind viele Produktionen spannend und diese empfehle ich gerne weiter. Und wenn es gerade keine deutschen Produktionen gibt, die mich interessieren, stöbere ich eben in dem weiteren Angebot. In letzter Zeit sind mir besonders spanische Serien sehr positiv aufgefallen. Sowohl in den Mediatheken als auch bei den Streamern. Und, etwas spanischsprachiges zu drehen würde mich auch reizen, weil ich selbst Spanisch spreche.
Vielen Dank für das Interview und die interessanten Fragen! Ich wünsche viel Spaß am 2. Dezember um 20:15 Uhr auf ZDF, bei dem Sie alle hoffentlich einen Ausschnitt aus Jemmas Leben mitverfolgen werden…
Ich danke Ihnen!
Das ZDF strahlt «Ein starkes Team» am Samstag, den 2. Dezember, um 20.15 Uh raus.
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