Fernsehsender, die Mehrwertdienste als Erlösquelle nutzen, haben die Schmuddelecke verlassen. Dieser Meinung ist Marcus Wolter, Vorsitzender der Geschäftsführung bei 9Live. "Zuschauer kurzfristig hinters Licht zu führen, wie das früher geschehen ist, das funktioniert nicht mehr. Call TV ist erwachsen geworden", meinte Wolter beim Call-Media-Panel des 18. medienforum.nrw. Nur Aktionen, die transparent seien und sich organisch ins Programm eingliedern ließen, seien erfolgreich, stimmte Thomas Deissenberger, Geschäftsführer beim Deutschen Sportfernsehen, zu. Call-in-Sendungen müssten entweder die Spielleidenschaft wecken, einen Mehrwert bieten oder intelligent sein, erklärte Deissenberger.
Über hundert Millionen Euro dank Call-inDie 9Live-Kunden werden, so kündigte Wolter an, künftig jedoch weniger mit klassischem Call in versorgt als vielmehr mit interaktiven Shows. 9Live baue auf die Bildung einer so genannten "Community", also einer festen Zuschauergruppe, die sich mit dem Programm identifiziere. "Herkömmliches Call TV ist Kundenverbrennung", argumentierte Wolter. "Wir wollen Kundenpflege und echte Interaktion."
Immerhin erzielte der Sender 9Live, der sich ausschließlich durch Mehrwertdienste finanziert, im Jahr 2005 über hundert Millionen Euro mit dem Call-in-Geschäftsmodell. Diese Zahl nannte Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer des Medienberatungsunternehmens Goldmedia. Einer aktuellen Studie des Instituts im Auftrag von Next ID zufolge machen Mehrwertdienste in Deutschland jährlich insgesamt etwa 1,65 Milliarden Euro Umsatz, davon entfallen 28 Prozent, also 450 Millionen Euro, auf den Bereich Call Media. "Im Bereich Fernsehen könne der Anteil der Mehrwertdienste am Umsatz in den nächsten Jahren auf bis zwölf Prozent steigen“, prognostizierte Goldhammer. Auch er sieht den Erfolg von Call Media im Fernsehprogramm eng an die Interaktivität gekoppelt. "Solche Aktionen müssen einen klaren inhaltlichen Bezug zum Programm haben", forderte Goldhammer. Insgesamt werde sich der Markt der Mehrwertdienste positiv entwickeln, jedoch weniger dynamisch als von der Branche erwartet, schätzte Goldhammer.
"Hemmnisse müssen abgebaut werden"Auch beim Mehrwertdiensteanbieter Next ID ist man nicht euphorisch, was das Potenzial dieses Segments betrifft. "Erst einmal müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden", klagte Renatus Zilles, Next-ID-Geschäftsführer. Es gäbe vier Datenschutzgesetze, die den Anbietern von Call Media das Arbeiten erschwerten. Trotz solcher Probleme aber seien Mehrwertdienste interessant. "9Live lebt davon, DSF und RTL erzielen deutliche Einnahmen und auch die öffentlich-rechtlichen Sender verdienen Geld damit, wenn auch heimlich", erklärte Zilles. Grundproblem bleibe, dass die Telekommunikationsgesetze und die Telemediengesetze nicht aufeinander abgestimmt seien. "Wir brauchen Handlungssicherheit für die Unternehmen."
Für Dr. Constantin Lange, Geschäftsführer von RTL Interactive, ist das Potenzial für Call Media in den Programmen der RTL-Gruppe jedoch ausgeschöpft. "RTL ist voll." Geeignete Sendungen seien "durchsetzt" von Votings und Call in. "Mehr ist dem Zuschauer kaum noch zuzumuten", meinte Lange. Seiner Meinung nach müsse sich ein Fernsehsender darauf konzentrieren, Fernsehen zu machen.