Die Content-Chefin von Sky Deutschland sprach über die Bedeutung des linearen Fernsehens und die sich der Autorenstreik auf die Seriensituation ausgewirkt hat.
Hallo Frau Walthelm! Wie wichtig ist lineares Fernsehen für Sie und Ihr Programm?
Trotz des gern bemühten Abgesangs auf das lineare Fernsehen sage ich: linear lebt. Und das in guter Eintracht mit der schönen, neuen Streaming-Welt. Daher spielt linear auch für uns weiterhin eine Rolle. Natürlich muss man immer auch nach Zielgruppen und Inhalten differenzieren, die Nutzung ist ja unterschiedlich: Heute will ich unbedingt das Bundesliga-Topspiel verfolgen oder mit den Kindern die große Samstagabend-Show erleben – das tue ich live. An einem verregneten Wochenende habe ich vielleicht Lust auf alle Staffeln von „Das Boot“ – die schaue mir on demand an. Für den Urlaub am Strand wiederum lade ich mir meine Top-5-Lieblingsfilme herunter. Und nach einem anstrengenden Arbeitstag will ich einfach relaxen und sehen, was mir das kuratierte Programm bietet. Das Gute ist: Wir haben mit Sky Q und unserem Streamingservice WOW für jede Situation das Richtige.
Sky Deutschland unterhalt zahlreiche Verträge mit ausländischen Vertragspartnern. Unter anderem mit Warner und mit Ihrer Schwesterfirma NBC Universal. Welche Kontrakte haben wir vergessen?
Eine ganze Reihe, denn wir haben mit allen großen Häusern Partnerschaften – von Paramount über Warner bis zu Leonine, um nur einige zu nennen. Und diese langjährigen Verträge sorgen dafür, dass wir unseren Zuschauern so großartige Inhalte wie «And Just Like That», «Super Mario» oder den Überraschungshit «The Rookie» anbieten können.
Zunächst hat sich durch Corona der gesamte Produktionsprozess verzögert, dann wurde Monate in Hollywood gestreikt. Wie wirkt sich das auf Ihr Programm aus?
Fast fünf Monate sind eine lange Zeit, dadurch hat sich vieles verzögert, keine Frage. Glücklicherweise konnte der Streik Ende September beigelegt werden und die Autorengewerkschaft hat einem neuen Vertrag zugestimmt. Wir saßen ja alle im selben Boot und auch bei uns gab es Verschiebungen, so dass wir das ein oder andere umplanen mussten. Während sich zum Beispiel «The White Lotus» Staffel 3 oder «The Last of Us» Staffel 2 verzögert, ist die 2. Staffel von «House of the Dragon» zum Glück nicht betroffen. Da wir aber aus einem sehr großen Programmfundus mit vielen beliebten Library-Titeln, darunter natürlich auch deutschen Produktionen, schöpfen können, halten sich die Auswirkungen für uns in Grenzen.
Zahlreiche Ihrer Serien sind in die Jahre gekommen. Welche Formate würden Sie gerne einkaufen?
Wir haben einen sehr attraktiven Mix aus neuen Serien und Serien, für die es seit Jahren eine hohe Nachfrage gibt. Ein gutes Beispiel ist hier «The Rookie». Die ersten vier Staffeln laufen ja überall erfolgreich. Die 5. Staffel wiederum gibt es seit Juli nur bei Sky – mit überaus positiver Resonanz. Vor allem der Bereich Crime ist insgesamt sehr beliebt und wird entsprechend stark genutzt. Gleichzeitig laufen bei uns topaktuelle Serien wie «And Just like That» zuerst. Dann bieten wir eindrucksvolle Eigenformate, vor allem im Bereich Dokus. Vor kurzem ist zum Beispiel «Inside Greenpeace» angelaufen, einer meiner persönlichen Doku-Favoriten. Dieses Genre stößt neben Crime und True Crime auf sehr großes Interesse. Diesen Bereich wollen wir, auch zusammen mit Reality-Formaten wie «Jeremy Fragrance – Power, Baby!» oder «Diese Ochsenknechts» und dem Spin-Off «Unser Hof», kontinuierlich weiter ausbauen.
Sie haben unter anderem «911» und «The Good Doctor» im Programm. Sehen Sie Abnutzungserscheinungen beim Publikum?
Nein, das ist nicht der Fall. Es gibt eine sehr stabile Fangemeinde, die sich an den Serien weiterhin erfreut – bei Sky und WOW. Für uns also kein Grund, diese Inhalte nicht mehr zu zeigen.
Sky hat zahlreiche lineare Fernsehsender für seine Programme. Warum bauen Sie kein Vollprogramm, das alle Formate anbietet?
Wir haben ein Programmangebot, das in seiner Breite und Fülle seinesgleichen sucht. Und genau das bietet, was unsere Zuschauer sich wünschen. Als Abo-Plattform mit direkten Kundenbeziehungen haben wir das große Privileg, sehr nah an unseren Kunden zu sein. Wir wissen also genau, welche programmlichen Vorlieben und Interessen sie haben. Daran richten wir uns aus und gestalten unsere Channels mit ihren Genres entsprechend. Unsere Strategie baut auf Aggregation und Streaming, und damit fahren wir sehr gut. Apropos Streaming: Unsere Marke WOW, die ja diesen Juni ihren einjährigen Geburtstag gefeiert hat, hat sich in nur kurzer Zeit richtig gut auf dem Streamingmarkt etabliert und einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht. Kurzum: Ein Vollprogramm anzubieten ist nicht Teil unserer Pläne.
Sky zog sich aus fiktionalen Eigenproduktionen zurück. Haben Sie ein Überangebot von fiktionalen Stoffen festgestellt?
Die Entwicklung hatte ja über die letzten Jahre rasant an Fahrt aufgenommen, es wurden immer mehr Streaming-Angebote aus der Taufe gehoben, immer mehr exklusiv produzierte Inhalte sind auf den Markt gekommen. Der Konsum ging noch weiter in die Höhe durch die Pandemie – bis zu einem Punkt, an dem man sich fragen musste: Wer kann das alles anschauen? Und wie finde ich in diesem riesigen Ozean an Inhalten überhaupt die schönen, bunten Fische, die ich dann in meinem persönlichen Aquarium bewundern möchte? Wir stellen also nach der großen Content-Flut nun eine gewisse Verlangsamung und Reduktion fest. Eine Entwicklung, die natürlich auch makroökonomisch getrieben ist.
All diese Faktoren muss man als Unternehmen sorgfältig analysieren und dabei immer flexibel und zukunftsorientiert planen. Die Sehgewohnheiten haben sich extrem verändert, seit wir mit fiktionalen Originals begonnen haben, die Entertainmentwelt war damals eine andere. Diesen Veränderungen haben wir Rechnung getragen. Auch wenn es keine leichte Entscheidung war – es war die richtige für unser Business. Und ich bin sicher, dass wir mit unserem jetzigen Angebot, das ja weiterhin nicht-fiktionale deutsche Sky Originals beinhalten wird, gut für die Zukunft gerüstet sind.
Warner Bros. Discovery möchte wohl den HBO-Kontrakt mit Sky verlängern, gleichzeitig bauen die Kollegen nördlich von London riesige Studios. Wie wird die Seriensituation in den kommenden Jahren ausfallen?
Der Bedarf an hochwertigen, exklusiven Serien wird bleiben, das ist keine Frage. Die Menschen wollen gut unterhalten werden – und durch die vielen grandiosen Serien, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, wird die Messlatte bei den Zuschauern auch hoch bleiben. Man wird sich allerdings durch das angesprochene veränderte Nutzungsverhalten und auch durch geopolitisch-wirtschaftliche Entwicklungen sehr genau überlegen, in welche Stoffe und in welchem Umfang man in High-End-Produktionen investiert. Das Motto wird aus meiner Sicht künftig lauten „Qualität statt Quantität“. Dabei muss man natürlich weiterhin aus der Masse herausstechen. Hier kommt dann wieder das Thema Kuratierung ins Spiel. Nämlich die Inhalte so anzubieten, dass sie einfach und schnell gefunden werden.
True-Crime-Formate sind als Podcast äußerst beliebt, bei VOX wird die gesamte Nacht «Medical Detectives» gesendet. Haben Sie weitere Formate in der Pipeline?
Paradebeispiel hierfür ist der True Crime Podcast «Verbrechen von nebenan» mit Philipp Fleiter, der über zwei Staffeln zusammen mit Experten aufsehenerregende Kriminalfälle beleuchtet hat. Noch in diesem Jahr können sich unsere Zuschauer auf ein weiteres Highlight freuen: eine Sky Original Doku über den berühmten Hacker Karl Koch.
Sky-Dokumentationen haben einen hohen inhaltlichen Wert. Warum investieren Sie so große Budgets in solche Themen?
Vielen Dank für das Kompliment! Auch wir lieben unsere Dokus. Vor allem aber tun dies unsere Zuschauer – und das ist der Grund, weshalb wir sie machen.
Mit Dokus kann man Themen grundsätzlich schneller umsetzen und die Interessen der Kunden um einiges flexibler aufgreifen. Der Anspruch an unsere Dokus ist dabei in der Tat sehr hoch. Ziel ist immer, faszinierende Geschichten zu erzählen und mit kritischem Blick neue Facetten zu beleuchten, frische Perspektiven aufzuzeigen. Wir wollen mit der Marke Sky genau für diese Qualität und diesen hohen Wert stehen. Ich bin schon stolz, dass uns das bisher über ein breites Themenspektrum hinweg – ob mit «Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat», mit «Erfundene Wahrheit – Die Relotius Affäre» oder aber mit «Der Anschlag – Angriff auf den BVB» – so gut gelungen ist. Ende Oktober startet übrigens auch der Film «Daum – Triumphe & Skandale». Eines kann ich garantieren: Die Stoffe werden uns bestimmt nicht ausgehen.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit!
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