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Hermann Florin: ‚In schlechten Zeiten laufen Komödien besser als Tragödien‘

Der Feine Filme-Produzent spricht über die Zusammenarbeit mit Richard Hubert, der auch Regie führte. Teil des Gesprächs sind aber auch die Zahlen des Filmes «Tausend Zeilen».

Eine Komödie über einen Weddingplaner, bei der auf einer Hochzeit viel aus dem Ruder läuft. Hat Sie und UFA Fiction-Produzent Sebastian Werninger das Buch von Richard Huber gleich begeistert?
Das ist etwas anders gelaufen. Ich habe die Arbeit von Richard Huber schon einige Zeit verfolgt und sehe in ihm einen der wenigen Regieführenden, die das Genre Komödie wirklich beherrschen. Das ist ja auch ein Stück weit Handwerk und hat klare Regeln. Die Agentin Sigrid Narjes hat uns dann miteinander bekannt gemacht und nach dem ersten Treffen stand für mich fest: Mit diesem Regisseur möchte ich einmal arbeiten. Unser zweites Treffen hat dann bereits zu einem gemeinsamen Projekt geführt. Wir wollten den Film «Le sense de la fète» von Nakache und Toledano (den Machern von «Ziemlich beste Freunde») ins Deutsche übertragen. Das ist eine hoch komische und gleichzeitig emotionale und warme Komödie. Genau das, was wir in diesen Zeiten brauchen. Es gab also bereits eine Vorlage, die Richard dann auf deutsche Verhältnisse übertragen hat, ohne die Leichtigkeit der französischen Vorlage zu verlieren. Um Ihre Frage also nach diesem kleinen Umweg zu beantworten: Das Buch haben wir zusammen entwickelt, Richard hat geschrieben, ich habe ihn von Anfang an begleitet. Und ja, Sebastian Werninger und ich waren von dem Ergebnis begeistert 😉

Herr Huber schrieb das Skript und führte auch Regie. Inwieweit sind Sie als Produzenten in das Thema Drehbuch involviert?
Als Produzent überlegst Du Dir genau, was Du ins Kino bringen willst. Wir wollen Unterhaltung machen, die Menschen auch berühren soll – ganz nach dem Motto meiner Firma „Entertainment that matters“. Zunächst analysieren wir (in diesem Fall Sebastian Werninger und ich) den Markt. Was ist im Augenblick sinnvoll zu erzählen, was gefällt uns und was hat Chancen, ein breites Publikum zu finden. Ich setze mich vor der Drehbucharbeit entweder allein oder mit den Autor:innen hin und überlege, welchen Ton, welche Temperatur ein Drehbuch haben soll. Es entsteht dann meistens eine Art Producer Statement, ein roter Faden, der idealerweise die gesamte Arbeit begleitet. Meiner Meinung nach ist es unabdingbar, dass ich als Produzent in jeden Moment der Entstehung des Films tief involviert bin. Film ist immer Teamarbeit, das schließt die Drehbucharbeit nicht aus. Das hat mit Kontrolle nichts zu tun, das ist im besten Sinne eine gemeinschaftliche Erfahrung, bei der ich den Autor:innen dramaturgisch und strategisch beratend zur Seite stehe. In diesem Sinne bin ich sehr in die Drehbucharbeit involviert.

Als Hauptdarsteller haben Sie Christoph Maria Herbst verpflichten können. Warum wählten Sie den ehemaligen «Stromberg»-Darsteller?
Dazu erst einmal, weil Christoph ein ganz hervorragender Schauspieler ist, den ich ungern auf das Label «Stromberg» festlegen möchte. Das grenzt ihn völlig unzulässig ein. Er ist ein Schauspieler, der immer zuerst nach dem Charakter seiner Rolle sucht und sich sehr tief darin einfühlt. Dann hat er ein großes Verständnis für dramaturgische Zusammenhänge und Wirkungsweisen. Er ist ein Komödiant im besten Sinne, was nicht in erster Linie heißt, dass er „lustig“ ist, sondern, dass er ein fantastisches Timing hat. Er ist ein dreidimensionaler Schauspieler und schlicht perfekt für diese Rolle.

In der Pandemie waren Hochzeitsfeiern nicht wirklich möglich. Kommt also «Ein Fest fürs Leben» zur richtigen Zeit auf den Markt? Lag das Drehbuch gar einige Zeit lang aufgrund von Corona brach?
Die Drehbuchentwicklung begann in 2021 und der Drehbeginn war im September 2022. Mit der Entwicklung und Finanzierung ging es in diesem Fall recht schnell. Und von Corona waren wir in dieser Phase glücklicherweise nicht betroffen oder eingeschränkt. Der deutsche Kinomarkt ist im Augenblick einigermaßen volatil. Wir sehen eine vorsichtige Konsolidierung, die uns optimistisch macht. Man kann nie hundertprozentig sagen, ob der Zeitpunkt genau der richtige ist. Dazu ist die allgemeine Lage viel zu fragil. Gerade sind wir aus einer Pandemie heraus, da bricht ein brutaler Krieg aus, der die gesamte Weltwirtschaft lahm legt. Es klingt vielleicht ein wenig zynisch, aber in schlechten Zeiten laufen Komödien besser als Tragödien. Die Menschen sehnen sich nach ein wenig Ablenkung, Freude. Kein Wunder also, dass im Augenblick besonders die eskapistischen Filme gut laufen.

Es ist enorm wichtig, wann ein Film in die Kinos kommt. Ein falscher Zeitpunkt der Herausbringung oder ein ungenaues Marketing können einen Film killen. Da haben wir bei Warner Bros. aber sehr gute Partner:innen, die den Markt fest im Blick haben und sehr genau ihre Kampagnen planen. Insofern glauben wir, dass «Ein Fest fürs Leben» zur richtigen Zeit auf den Markt kommen.

Sie mussten einige Szenen von «Ein Fest fürs Leben» nachdrehen. Können Sie uns verraten, woran lag das ?
Klar kann ich das erläutern. In unserem Fall brauchten wir in einer Szene mehr Druck auf unserer Hauptfigur, mit der sie ins Rennen geht und eine andere Szene haben wir ganz neu geschrieben, um ein Verhältnis zwischen den Figuren klarer zu bekommen. Ins Kino zu gehen, bedeutet einen gewissen Aufwand - anders als bei frei ins Haus gelieferter Unterhaltung per TV oder Streaming. Wir als Kinomacher:innen schulden unserem Publikum unsere besten Anstrengungen, diesen Abend zu einem besonderen zu machen. Unser Ziel im Kino muss immer Exzellenz sein.

Herr Herbst erinnert mich an Froonk von «4 Hochzeiten und eine Traumreise». Ist das ein Zufall oder spielen Sie bewusst mit der Ähnlichkeit?
Nein. Ehrlich gesagt, habe ich von diesem Format noch nie etwas gehört. Ich habe zunächst mal nach Spielfilmen geschaut – bin dabei natürlich auf «Vier Hochzeiten und ein Todesfall» gestoßen. Da würde ich denken, ja, unser Film geht in die Richtung. Dann habe ich aber bemerkt, dass Sie auf ein Format eines Privatsenders rekurrieren. Ich habe dann mal ein wenig dort hinein geschaut und kann eindeutig sagen: Nein, das hat miteinander gar nichts zu tun.

Da kann man ja beruhigt sein! Die Amazon-Sitcom «Die Discounter» war ein sehr großer Erfolg und ist mit Marc Hosemann besetzt. Versuchen Sie mit seiner Bekanntheit auch junge Leute zu «Ein Fest fürs Leben» zu bringen?
Das ist eine brillante Serie und Marc ist darin großartig. Er ist aber auch sonst ein ganz toller Schauspieler, der für die Rolle „Steve“ perfekt ist. Es ist eine Freude, ihm zuzuschauen. Wir besetzen in erster Linie nach den Bedürfnissen der Rolle und weniger nach der Popularität der Schauspieler:innen. Es ist natürlich super, wenn die dann auch ihre Fangemeinde in den Film holen. Und selbstverständlich funktioniert populäres Kino auch über bekannte Namen und Gesichter.

Um Ihre Frage aber mal zu erweitern: Ich finde, es ist Richard und uns gelungen, in unserem Film ein ganz ausgezeichnetes Ensemble zusammen zu stellen. Jede einzelne Darstellung ist so liebevoll, so genau. Es ist schon bei den Dreharbeiten zu spüren gewesen, dass hier etwas besonderes passiert. Jede und jeder hat sich wahnsinnig reingehängt, die Stimmung am Set war sensationell. Christoph, der natürlich der Hauptdarsteller ist, hat sich immer als „primus inter pares“ gesehen. Es ist nicht der alles überragende Protagonist und ein paar Wurzen, sondern immer ein Spiel auf Augenhöhe. Wir haben wunderbare Entdeckungen gemacht: Schauen Sie sich Cynthia Micas, Banafshe Hourmazdi, Jasmin Shakeri, Pit Bukowksi, David Rashed, Mira Benser, Sahin Eryilmaz, Mouataz Alshalthouh, Piet Fuchs oder Sipan Hasan an! Das ist absolut erste Sahne, was die machen. Dazu die bekannten großartigen Spieler:innen wie Jörg Schüttauf, Johannes Allmayer, Charlotte Schwab, Anne Schäfer, Ben Münchow oder Ulrich Brandhoff. Oder unsere Gäste Rainer Bock, Ernst Stötzner, Bettina Lamprecht und Wotan Wilke Möhring. Allein diese Vielfalt, diese Kraft, diese Freude am Spiel ist ein Grund, für diesen Film ins Kino zu gehen.

Hochzeiten sind ja eine besondere Kulisse. Worauf stehen Sie persönlich? Out- oder Indoor? Büfett oder Speiseplan? Event-Planer oder selbst Hand anlegen?
Äh, ich habe in der Tat vor langer Zeit geheiratet. Das war, als ich noch im Theater gearbeitet habe. Wir haben das alles mit ein paar Freunden selbst organisiert. Da wurde morgens verheiratet, mittags groß gegessen und abends ging es dann mit dem gesamten Ensemble in eine improvisierte, aber sehr lustige Jazzkneipe. Da haben wir es dann krachen lassen. Das war eher wie ein großes Theaterfest, die Hochzeit war eher zweitrangig.

Die UFA Fiction und Sie haben zuletzt auch «Tausend Zeilen» von Michael Herbig umgesetzt. Waren Sie mit den Kino-Einspielergebnissen zufrieden?
Nein, die Ergebnisse waren nicht gut. Das war eine Enttäuschung. Die Arbeit mit Bully war in jeder Hinsicht einzigartig und der Film ist auf jeden Fall besser als die Zahlen. Die meisten Zuschauer:innen, die in dem Film waren, haben ihn gemocht. Ich bin oft sehr positiv auf diese Arbeit angesprochen worden. Wir haben es allerdings nicht geschafft, im Vorfeld ausreichend Menschen für unseren Film zu interessieren. An jenem Wochenende starteten neben unserem vier andere Filme, die jeweils eine ganz klare Annonce an das Publikum gemacht haben: die Fortsetzung eines erfolgreichen Kinderfilms, ein Horrorfilm, eine romantic comedy mit Julia Roberts und George Clooney und in einer Wiederholung der erste Teil von «Avatar». What you see ist what you get. Die Menschen, die ins Kino gehen wollten, wussten ganz genau, wozu sie gebeten wurden. Unser Film war in der Annonce nicht so eindeutig. Dabei kann «Tausend Zeilen» in seiner Qualität mit jedem dieser Filme locker mithalten. Und, ganz großartige Reaktionen kamen aus dem Ausland. Ich hatte mit einem Newsmagazin aus Honkong ein Interview (unser Film lief dort auf einem Festival), bei dem die Reporterin mir gesagt hat, wie wichtig es sei, diesen Film genau dort zu zeigen. Besonders die Mischung aus Botschaft und Humor hat sie begeistert.

«Tausend Zeilen» läuft inzwischen auch bei Sky zum Streaming und kann bei diversen Händlern bestellt oder geliehen werden. Haben Sie einen Überblick über die Zahlen?
Nach unseren Informationen läuft das auf jeden Fall besser als im Kino. Genaue Zahlen haben wir allerdings nicht.

Wo befindet sich der deutsche Film in drei Jahren? Wird dieser vermehrt auch wieder bei den privaten Fernsehsendern Platz finden?
Das hat sicher zu einem Teil mit der Entwicklung unserer Gesellschaft zu tun. Schauen Sie sich Italien an, wo eine postfaschistische Regierung gerade dabei ist, die tolle Entwicklung der letzten Jahre in der Kultur, im Fernsehen und im Kino platt zu machen. Wo rechte Regimes an der Macht sind, seien sie „demokratisch“ gewählt oder nicht, geht Kultur zugrunde. Mich beunruhigt der Rechtsruck, der wachsende Nationalismus und die Absage an den demokratischen Diskurs in unserer Gesellschaft. Es ist wenig hilfreich, wenn unsere Regierungskoalition ihre (in großen Teilen gute) Arbeit nicht vernünftig kommuniziert und die Opposition mit Stammtischparolen versucht, die rechten Ränder der Gesellschaft einzufangen.

Dennoch bin ich zuversichtlich, dass Kino weiter blühen wird. Das Erlebnis, etwas gemeinsam zu schauen, zu lachen und zu weinen, sich zu erschrecken oder zu gruseln, die Haare zu Berge stehen zu lassen, ist großartig. Die Nachfrage an guter Unterhaltung ist also groß und die privaten Sender investieren bereits ordentlich in deutsche Filme, sei es indirekt über Förderungen oder Output-Deals mit Verleihern. Die letzten von uns produzierten Filme hatten allesamt ihre TV-Premiere in privaten Sendern. Das Ziel muss sein, den Marktanteil deutscher Film deutlich zu steigern. Nicht dass wir zu wenig Filme hätten. Wir haben aber leider nicht ausreichend genug solche, für die sich die unterschiedlichen Zielgruppen interessieren. Wir sollten uns mehr Gedanken darüber machen, welche Filme fürs Kino geeignet sind, wer adressiert wird und wie wir das erzählerisch besser umsetzen können. Das schließt explizit auch das Arthouse-Kino ein. Gutes Kino ist immer Teil des gesellschaftlichen Diskurses und integraler Bestandteil unserer Kultur. Unsere Aufgabe ist es, gute Unterhaltung, farbenfrohes, diverses Kino zu produzieren und in die Film-Theater zu bringen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Ein Fest fürs Leben» startet am Donnerstag, den 19. Oktober, in den deutschen Kinos.
18.10.2023 12:02 Uhr Kurz-URL: qmde.de/145845
Fabian Riedner

super
schade


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