Der Diplom-Meteorologe und ARD-Wettererklärer Sven Plöger ist Bahn-Vielfahrer und reiste für Das Erste durch Deutschland. Er möchte von den Zuschauern wissen, was die Probleme der Deutschen Bahn sind.
Die Deutsche Bahn ist ein beliebtes Opfer in den Medien. Dennoch hat sich viel Positives entwickelt: Die Strecke Berlin – München ist in gut vier Stunden möglich, die ähnliche Strecke Los Angeles – San Francisco dauert mindestens elf Stunden. Meckern wir Deutsche in Sachen Reisegeschwindigkeit sehr gerne?
Wenn es um die Reisegeschwindigkeit geht, finde ich nicht, dass wir uns übermäßig beschweren. An vielen Stellen sind die Züge bereits ziemlich schnell. Ich persönlich liebe beispielsweise die Strecke Frankfurt - Köln, auf der wir teilweise mit über 300 km/h unterwegs sind. Das ist wirklich aufregend und zeigt, dass wir eine moderne, schnelle Bahn haben. Allerdings gibt es auch Abschnitte, in denen die Züge immer noch langsam entlang kleiner Flussläufe fahren. Es gibt also große Unterschiede.
Die Beschwerden konzentrieren sich meiner Beobachtung nach mehr auf die Pünktlichkeit. Es ist ärgerlich, wenn man auf Bahnhöfen herumsteht und auf den nächsten Zug wartet, der manchmal eher nach Belieben als nach Fahrplan kommt. Das war auch eine der Hauptkritikpunkte der Mitmachaktion.
Ich bin wirklich Vielfahrer und habe sogar diesen Platin-Status erreicht, den man nur mit sehr vielen Punkten erhält. Fast jeden Tag könnte ich Tag ein Buch über meine Erlebnisse mit der Bahn schreiben. Ich denke, es wäre wöchentlich ein Bestseller. Die aktuellen Probleme sind oft auf Altlasten zurückzuführen – so wurden Schienennetze oder Fahrzeuge nicht rechtzeitig modernisiert. Trotz aller Schwierigkeiten erlebe ich, dass die Mitarbeiter, die die Verbindung zwischen dem, was auf den Bahnhöfen passiert, und dem, was die Fahrgäste in diesem Moment ertragen müssen, ausgesprochen freundlich und zuvorkommend sind. Ich möchte ein großes Lob für die Bahnmitarbeiter aussprechen. Das ist gut und zeigt, dass an dieser Stelle viel getan wurde.
Freuen Sie sich als Vielfahrer auf die vollständige Eröffnung des Projektes Ulm – Frankfurt am Main?
Natürlich freue ich mich darauf. Das ist ein großartiges Projekt. Ich lebe im Ulm und auf der Strecke Ulm - Frankfurt bin ich daher oft Unterwegs. Die Strecke zwischen Ulm und Frankfurt ist meine Hauptverbindung, die ich immer mit der Bahn zurücklege. Ich habe sogar eine Dienstwohnung, von der ich praktisch direkt zur U-Bahn stolpern kann. Das ist perfekt. Wenn es bald noch schneller geht, ist die Bahn eindeutig im Vorteil gegenüber dem Auto. Der Abschnitt von Ulm nach Stuttgart ist zwar noch nicht ganz fertig, aber der Teil über die Schwäbische Alb wurde bereits erheblich beschleunigt. Wir sind jetzt 20 Minuten schneller von Ulm nach Frankfurt unterwegs, und das ist für mich ein großer Fortschritt.
Die Intercity-Express-Züge könnte man gerne als Porsche der Schiene bezeichnen. Muss das Streckennetz ausgebaut werden, dass die Lokführer nicht die Hälfte der Fahrt mit 160 km/h zwischen Nürnberg und Frankfurt herumeiern?
Auf jeden Fall muss das Netz ausgebaut werden. Es ist eine der Hauptaufgaben. In den letzten Jahren wurde diese Aufgabe meiner Meinung nach stark vernachlässigt, und heute sehen wir die Schäden. Die Politik hat das Ziel gesetzt, bis 2030 die doppelte Anzahl von Menschen auf die Bahn zu bringen, auch im Hinblick auf Verkehr und Klimaschutz. Das ist eine ehrgeizige Zielsetzung, die viel Arbeit erfordert. Es gibt Überlegungen, einige zentrale Strecken schneller auszubauen – und dafür monatelang zu sperren. Das wird eine große Herausforderung für alle. Doch danach sollte es möglich sein, frei und unkompliziert zu reisen, ohne ständige Verspätungen.
Die früheren Neubaustrecken waren gigantische Infrastruktur-Projekte, muss die Bahn wieder solche Projekte wie die Untertunnelung von Frankfurt in Angriff nehmen?
Das ist eine Kostenfrage. Was können wir uns leisten? Was ist sinnvoll? Wo sind die Prioritäten? Für mich ist die Pünktlichkeit der zentrale Punkt, sei es im Nahverkehr oder im Fernverkehr. Um die Pünktlichkeit zu erhöhen, müssen die Strecken ausgebaut und das Schienennetz modernisiert werden. Wir müssen auch sicherstellen, dass die Züge reibungslos funktionieren und nicht wegen kleiner technischer Probleme, wie nicht schließender Türen, stehen bleiben. Das sind Dinge, die in der modernen Welt nicht mehr passieren sollten. Natürlich erlebe ich auch oft, dass etwas im Restaurant kaputt ist oder die Klimaanlage nicht funktioniert. Das sind Dinge, die nicht mehr akzeptabel sind. Bevor wir große Bauprojekte wie die Untertunnelung von Frankfurt angehen, müssen wir sicherstellen, dass die Grundlagen stimmen. Das ist meine Meinung.
Wurden Sie eigentlich schon einmal Opfer der Ronald-Pofalla-Wende? Züge, die nach Köln fahren, enden einfach in Düsseldorf, damit diese nicht verspätet ankommen und gar mit Verzögerung nach Hamburg zurückfahren?
Ich kenne viele seltsame Geschichten, die man kaum glauben kann, bis man sie selbst erlebt. Mein verrücktestes Erlebnis war, als ein ICE aus zwei Zugteilen in Köln stand. Ich hatte Plätze im hinteren Teil reserviert, der dunkel und verschlossen war. Im vorderen Teil stiegen die Leute bereits ein, und als ich nachfragte, wurde mir gesagt, dass die beiden Teile gleich gekoppelt würden und ich dann einsteigen könne. Aber nach drei Minuten fuhr der vordere Teil los, der hintere blieb stehen. Es hieß lapidar, man habe nicht gewusst, dass dieser Zugteil kaputt war. Und so stand ich da und sah meinen Zug davonfahren. Das war frustrierend. Leider gibt es solche Erlebnisse viel zu viele, und ich denke, auch die Kommunikation sollte dringend verbessert werden.
Bei Krisen patzt die Deutsche Bahn: Wie kann es denn sein, dass gestrandete Züge über Stunden Gleise belegen und die Gäste nicht aussteigen können?
Ich bin kein Bahnexperte, daher kann ich nicht erklären, warum das passiert und warum die logistische Bewältigung so schwierig ist. Es ist definitiv nicht gut und kann sehr frustrierend sein. Es gibt sicherlich Verbesserungsbedarf, um solche Situationen zu vermeiden.
Braucht es immer noch eine Trennung zwischen Zugbetrieb und Gleisbau?
Das kann ich nicht wirklich beurteilen. Als Kunde ist es mir eigentlich egal, wie die verschiedenen Unternehmensbereiche organisiert sind, solange sie am Ende ein gutes Ergebnis liefern. Grundsätzlich ist es jedoch wichtig, dass jeder Bereich seine Verantwortlichkeiten kennt. In Deutschland haben wir die Deutsche Bahn, aber auch viele private Unternehmen, die auf dem gleichen Schienennetz operieren. Das Schienennetz gehört nicht nur einem Unternehmen, daher ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Organisation effizient funktioniert, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Es ist sicherlich eine komplexe Angelegenheit, weil Bund, Länder und Verkehrsbetriebe ihre Zuständigkeiten haben. Die Strukturen müssen überdacht werden, um sicherzustellen, dass alles reibungslos funktioniert.
Neue Bahngleise sind wie Windräder: Jeder mag sie, aber keiner möchte sie vor der Tür stehen haben. Braucht es diesbezüglich mehr Kompromisse oder gar harte Entscheidungen?
Das ist ein menschliches Dilemma. Jeder möchte ein gutes Bahnangebot nutzen, aber niemand möchte die Schienen in seiner Nähe haben. Es ist ein klassisches "Not in my backyard"-Problem, ähnlich wie bei Windrädern. Irgendwann müssen Entscheidungen getroffen werden, aber nicht alle Entscheidungen sind immer klug. Manchmal frage ich mich, ob eine Schnellbahn wirklich durch bestimmte Gebiete fahren muss. Es muss überlegt werden, wie man die Anwohner am besten entlasten kann. Sicherlich muss auch Geld in die Hand genommen werden, um die Auswirkungen auf die Anwohner zu minimieren. Aber die gesamte Deutsche Bahn unterirdisch zu verlegen, um Anwohner nicht zu stören, ist finanziell nicht machbar.
Das 49-Ticket ist ein Anfang: Aber muss der Fernverkehr endlich günstiger werden? Kurzentschlossene zahlen sich ja arm.
Das ist in der Tat ein Problem. Die Preise im Fernverkehr müssen überdacht werden, wenn wir mehr Menschen von der Straße auf die Schiene bringen wollen, insbesondere diejenigen, die kurzfristig entscheiden. Es gibt bereits viele Spar- und Supersparpreise, mit denen man günstig reisen kann, wenn man rechtzeitig bucht. Zum Beispiel kann man manchmal für 35 Euro in der ersten Klasse durch Deutschland reisen, was ziemlich erschwinglich ist. Es gibt also bereits gute Angebote. Aber wenn man ein Flex-Ticket buchen muss, wird es erheblich teurer. Um eine Verkehrswende zu erreichen und mehr Menschen flexibel auf die Bahn zu bringen, müssen die Preise überdacht werden.
Das Erste hat die Fernsehzuschauer aufgerufen, sich zum Thema Bahnfahren zu äußern. Ich habe auf der interaktiven Deutschland-Karte viel Zuspruch gelesen. Sind die Menschen zunächst einmal sehr zufrieden?
Insgesamt betrachtet finde ich, dass wir, wenn wir uns über Reisen mit der Bahn beschweren, oft die negativen Aspekte überbewerten. Negative Erfahrungen bleiben im Gedächtnis. Das ist menschlich. "Heute hat alles prima geklappt" ist schlicht die schwächere Geschichte.
Das spiegelt auch die Umfrage. Bei der allgemeinen Frage, wie läuft’s mit der Bahn waren 75 Prozent negative Berichte, 25 Prozent positive. Dann wurde gefragt, wie hat es gestern geklappt. Da war der Anteil der positiven Berichte deutlich höher. Schließlich wurden einige Teilnehmende zwei Wochen lang jeden Tag zu ihren Erlebnissen befragt. Ergebnis: 90 Prozent stellten fest, „es hat geklappt“ und 10 Prozent hatten Negatives zu berichten.
Wie beugen Sie vor, dass Sie nicht mit dem ICE stranden?
Ich hoffe, dass ich in Zukunft weniger Schwierigkeiten haben werde und die Bahn mehr genießen kann. Um Stress zu vermeiden, nehme ich immer einen Zug früher. Wenn also etwas schiefgeht, bleibe ich völlig entspannt im Zug oder nehme noch einen Kaffee in der Lounge. So komme ich mit allen Pannen klar. Bahnfahren durch Deutschland mit seinen schönen Landschaften kann ein wunderbares Erlebnis sein. Wenn man jedoch jeden Tag dieselbe Pendelstrecke hat und ständig Probleme auftreten, kann das sehr frustrierend sein.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Besser Bahnfahren! Was muss sich ändern?» ist am Montag, den 4. September, um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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