Die Screenforce Days sind vorbei, die Medienbranche gespalten. Der große Aufschlag kam in den vergangenen Tagen nicht.
Die Probleme der deutschen Privatsender sind enorm. Aufgrund der rückläufigen Reichweiten und der zunehmenden Konkurrenz von digitalen Medien wandern die Zuschauer und damit die Werbekunden ab. Die Antworten auf die Lösungen lauten in Unterföhring: Einfach weitermachen wie bisher! Der Kapitän von ProSieben und Sat.1 heißt Daniel Rosemann, dessen Kurs sehr umstritten ist. Ist sein Schiff wie die Ever Given im Suez-Kanal verkeilt und führt zu einem riesigen (kreativen) Stau oder ist er auf den Spuren der Titanic und hat den Eisberg schon gerammt?
Der Aufschlag an neuen Shows ist enttäuschend: ProSieben versucht es mit einer weiteren Wettkampfshow der Kebekus-Geschwister und einer Abenteuershow «Destination X» aus Belgien. In «Der Heiratsmarkt» suchen Eltern einen Partner für ihre erwachsenen Kinder. ProSieben nennt das innovativ, andere nennen das übergriffig. Das war’s dann auch schon mit Neuigkeiten: Zahlreiche Shows kommen zurück, das erfolglose Format «Zervakis & Opdenhövel. Live.» wird fortgesetzt und «Newstime» heißt nun «:newstime».
Die Programmabteilung hat große Defizite nicht gelöst: Die Reichweiten im Tagesprogramm liegen am Boden, selbst Sitcoms wie «The Big Bang Theory» holen keine Massen mehr. Und wie sieht’s überhaupt mit neuen Serien aus? Bislang sind keine weiteren Formate angekündigt. Welche Zukunft haben «Die Simpsons», deren Quoten mau sind? Kommt «Young Sheldon» zurück? Fragen über Fragen, doch die Zeit in der Programmpräsentation nutzte der Sender lieber mit einem ironischen Spot mit Joachim Winterscheidt, bei dem passenderweise ebenfalls alles schief lief.
Bei Sat.1 sind die Probleme ähnlich gelagert: Der Fernsehsender bekommt seit dem Ende von «Das Sat.1 Magazin» vor elf Jahren kein Bein mehr ins werktägliche Boulevardmagazin-Geschäft. Das liegt auch daran, dass «Brisant» (Das Erste») und «hallo deutschland» (ZDF) über aktuelle Themen sprechen, während man bei Sat.1 mit Wochenserien punkten will. Das Ergebnis von «Volles Haus!» ist so belanglos, man könnte es nach dem erfolgreichen «Frühstücksfernsehen» wiederholen und niemandem würde es auffallen. Merkt der Chefkoch nicht, dass er nicht mit Zucker süßt, sondern mit Salz?
Das Tagesprogramm von Sat.1 wird künftig weiterhin aus Wiederholungen bestehen. Da man erneut keine Formate zwischen 10.00 und 16.00 Uhr angekündigt hat, werden «Klinik am Südring» und Co. aller Voraussicht nach noch bis mindestens 2025 in Wiederholungen ausgestrahlt. Der Samstag sieht mit der Dauerbeschallung von «Baywatch» nicht besser aus, einzig das Sat.1-Familienkino ist eine sinnvolle Idee.
Die Primetime besteht vorwiegend aus Competition-Shows in den Bereichen Backen, Kochen, Singen und Wissen. Nachdem man im vergangenen Jahr mit «Liebe im Sinn» das Genre Hochzeit nicht erweitern konnte, wird neben «Hochzeit auf den ersten Blick» nun «Stranded on Honeymoon Island» gestartet. Eine weitere Show ist «The Floor» aus dem Hause Talpa, in der 100 Kandidaten in einem Wissensquiz antreten müssen. Das Format könnte spannend werden, das Konzept könnte allerdings nach dem Motto entstanden sein: Wir müssen den teuren LED-Boden von «5 Golden Rings» irgendwie recyceln. Immerhin setzt man bei Sat.1 am Vorabend auf Fiction: Langfristig möchte man mit «Die Landarztpraxis» punkten, die bei der Preview hochwertig aussah. Mit «Das Küstenkommissariat» verbindet man die Sehnsucht vom Meer mit den Krimis.
Der Fernsehsender RTL überzeugt in diesem Jahr auch nicht unbedingt mit einem großen neuen Line-up, aber immerhin hat man große Baustellen geschlossen. Man muss es nicht mögen, aber die Gerichtshows füllen viereinhalb Stunden Tagesprogramm und holen gute Werte. Immer wieder hat man neue Shows im Köcher, wie «The Wheel» oder das neu gewonnene «Schlag den Besten». Auch der Donnerstag funktioniert mit Reportagen, Specials und Fußball. Der Dienstagabend wird mit Krimis verstärkt, sodass man ein paar Marken im Programm hat. Nicht zu vergessen ist das neue Steckenpferd NFL, das sowohl das Streaming-Geschäft von RTL+ belebt, als auch drei Sender mit Inhalten versorgt.
Aus diesem Grund kann es RTL auch in diesem Jahr etwas gemächlicher angehen, immerhin hat man das Schiff einigermaßen auf Kurs. VOX, RTLZWEI und Kabel Eins zeigten sich zuletzt sehr robust und haben in den vergangenen Monaten durchaus starke Werte eingefahren. Doch die einstigen Frachter ProSieben und Sat.1 können mit dieser Strategie ihren stetigen Verlust an Attraktivität nicht aufhalten.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel