Die Vorzeichen der Sat.1-Vorabendsendung waren nicht die besten, dennoch hat man das Format gestartet. Nach Wochen der grauenhaften Quoten hält man trotzdem an dem Programm fest. Warum?
Der Fernsehsender Sat.1 hat (mindestens) ein Problem: Zahlreiche Fernsehzuschauer möchten das Programm nicht mehr konsumieren. Mehrere Entscheidungen aus der Führungsetage sorgten dafür, dass die Zuschauer ausbleiben. Die größte Fehlentscheidung war von Anfang an eine dreistündige Vorabendshow zu bauen, in der es keine Regeln zu geben scheint. Bereits vor dem Sendestart verließ Mark Land die Geschäftsführung von Flat White Productions, die junge Firma ist in Köln für «Volles Haus! Sat.1 Live» verantwortlich.
Schon damals war es verwunderlich, warum Flat White Productions in Köln angesiedelt wurde. Zwar baute die ProSiebenSat.1 Media SE ihre Konzernzentrale in Unterföhring neu, aber eine gemeinschaftliche Entwicklung der Sendung gemeinsam mit der «taff»-Redaktion hätte durchaus mehr Erfolg versprechen können. Außerdem stand eine Infrastruktur. Die NFL-Berichterstattung kam auch mehrere Jahre aus dem «Galileo»-Studio und kaum jemanden hat das gestört. So hätte man das neue Vorabendmagazin von Sat.1 einfach aus dem «red.»-Set kommen lassen können. Denn die Idee ein Haus zu bauen, mag zwar interessant sein, aber wieso sendete man nicht einfach von Jochen Schropp daheim? Das könnte vielleicht daran liegen, dass die Zuschauer nicht auf Wackelkamera und unaufgeräumte Riesensets stehen. Der deutsche Zuschauer mag seine Magazine schon immer in einer reduzierten Variante.
Auch der Inhalt von «Volles Haus! Sat.1 Live» ist nicht optimal gelungen. Inzwischen laufen die halbstündigen Reportagen direkt nach der alten «Klinik im Südring» und erst nach einer halben Stunde sind die Moderatoren zu sehen. Nach einer kurzen Begrüßung kommt dann schließlich ein Beitrag, ein bisschen Talk und dann geht auch schon die Talkshow von Britt Hagedorn los. Diese Sendung hatte bereits vor der Integration in die „Alles in einer Show“ so schlechte Reichweiten eingefahren, dass diese Sendung nie in das Sat.1-Haus hätte übernommen werden dürfen.
Schon vor geraumer Zeit haben sich die vielen Produktionsfirmen im Kölner Raum die Hände über die Köpfe geschlagen, weil «Volles Haus!» beim Testpublikum keine Bestnoten erhalten hatte. Alle relevanten Mediendienste vergaben dem Format schlechte Noten, die Reichweiten und Marktanteile sind rückläufig. In der werberelevanten Zielgruppe kann man schon aufatmen, wenn eine Sendung über dreieinhalb Prozent Marktanteil einfährt. Die dreistündige Fernsehshow mit Jochen Schropp und Jasmin Wagner ist so unbeliebt, dass auch «Die perfekte Minute» im Anschluss sich nicht erholen kann. Die Fernsehstation hat eine Todeszone geschaffen. Es ist bezeichnend, dass an manchen Tagen die alten «Auf Streife»-Folgen am Mittag mehr Zuschauer haben als dieses Magazin am Vorabend. Über die furchtbare Integration der «17:30»-Regionalmagazine muss man erst gar nicht reden.
Das Projekt «Volles Haus! Sat.1 Live» ist gescheitert. Sat.1-Chef Daniel Rosemann mag seit 2016 einige starke ProSieben-Marken etabliert haben, aber es wirkt nicht so, als hätte er ein Gespür dafür, einen Sender für die Frau ab 40 zu leiten. Diese gesamten Service-Formate wie auch die von Birgit Schrowange waren große Rohrkrepierer. Die heutige Frau ab 40 Jahre, wie sie Sat.1 ansprechen möchte, ist inzwischen in den 80er Jahren geboren und hat vermutlich studiert und informiert sich auch gerne im Fernsehen.
Aber vor allem: Wem muss Daniel Rosemann etwas beweisen? Die Vorzeichen von «Volles Haus! Sat.1 Live» waren schlecht. Der Sendetermin wurde aufgrund der Schwangerschaft von Jasmin Wagner verzögert, hieß es. Eine Woche nach ihrer Premiere kündigte man zwei weitere Moderatorinnen an. Und in dieser Woche sollen Funda Vanroy und Ross Anthony vor der Kamera stehen. Das Magazin ist gefloppt, eine Weiterentwicklung wird nichts bringen. Eine dreistündige Sendung, in der es regelmäßige Elemente gibt, die durchaus von der Zeit durchwechseln können, will einfach niemand sehen. Der Zuschauer will Struktur und diese muss auch gehalten werden.
Nachdem «Volles Haus!» schon gescheitert ist, sollte man sich in Unterföhring zusammensetzen und endlich an einem Nachfolger arbeiten. Es kann im Prinzip nur besser werden, wenn man wieder Scripted Realitys und Sendungen mit Ingo Lenßen wiederholt. Vielleicht könnte man auch die neueren Folgen von «K11» wieder zeigen. Letztendlich muss Sat.1 ein attraktives Programm herstellen.
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